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Sport: Der Spion, der nicht kam

Aus Furcht vor Tribünengästen aus Krefeld absolvieren die Eisbären vor dem Halbfinale ein Geheimtraining

Berlin. Das Tückische an Spionen ist, dass sie sich nicht gern als solche zu erkennen geben. Was also tun, wenn man die neugierigen Gäste fern halten möchte? Pierre Pagé, Trainer des EHC Eisbären, griff gestern zu einer rabiaten Methode. Der Klub aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) trainierte hinter verschlossenen Türen, erstmalig und aus gutem Grund, wie Pagé findet: Es hätte ja jemand aus Krefeld vorbeischauen können, um bei den Eisbären etwas abzuschauen. Am Freitag empfangen die Berliner die Pinguine zum ersten Spiel der nach dem Modus Best of five gespielten Halbfinalserie um die deutsche Meisterschaft.

Den Plan, die Weltöffentlichkeit aus dem Wellblechpalast auszuschließen, hatte Pagé am Vortag ausgeheckt. „Da habe ich beim Training auf die Tribüne geschaut und dort Leute beobachtet, die ich nicht kenne“, sagt Pagé. Der 54-Jährige hat in seiner langen Karriere ja schon so allerhand erlebt: „In Chicago oder Boston etwa, da verdingen sich sogar Journalisten als Spione.“ Nun gut, Pagés Geheimnisträger gaben sich – nachdem die Türen im Sportforum wieder geöffnet worden waren – nicht verschlossen. „Das Geheimnis ist, dass wir uns nur mit uns selbst beschäftigen müssen“, sagte Eisbären-Kapitän John Gruden. „Ich respektiere die Pinguine, aber Angst habe ich nicht vor denen.“

Furcht scheint aus Sicht der Eisbären auch unangebracht. Die Berliner haben die ausgeglichenere und besser besetzte Mannschaft, der Gegner aus dem Rheinland erscheint ausrechenbar. Pagé will davon aber nichts hören, warnt vor der ersten Krefelder Sturmformation mit Brad Purdie und Christoph Brandner sowie vor Verteidiger Christian Ehrhoff. „Der schießt sehr hart und ist sehr gefährlich, außerdem spielt er nächste Saison in Nordamerika in der NHL“, sagt Pagé. Und dann ist da noch das exzellente Überzahlspiel der Pinguine, von dem Pagé beeindruckt ist. In ihrer Viertelfinalserie gegen die Düsseldorfer EG haben die 13 Tore im Powerplay erzielt. Allerdings hat sich der Eisbären-Trainer beim Videostudium Gedanken gemacht, wie die Stärken des Kontrahenten auszuschalten sind: „Ich habe mir fast nur Spiele angeschaut, die Krefeld verloren hat.“

Natürlich gibt es ja auch noch die Möglichkeit der Gegenspionage, die Chance, das Training des Gegners zu beobachten. Allerdings konnte Pagé dieses Vorhaben am Donnerstag nicht umsetzen. Die Pinguine trainierten nämlich in Krefeld, flogen erst am Nachmittag nach Berlin und hatten als Vorhut laut eigener Aussage nicht mal einen Agenten an die Spree geschickt. „Wir wollen gar nicht großartig taktieren, wir wissen doch, wie die Eisbären spielen“, sagte Krefelds Trainer Butch Goring. Das klingt angesichts der gestrigen Spannung im Sportforum geradezu unverschämt unaufgeregt – auch wenn Pagé feststellen musste, dass kein Spion in Hohenschönhausen unterwegs war. „Noch habe ich keinen Verdacht“, sagte er. Obwohl, vorsichtig genug kann man ja nie sein: „Es gibt immer irgendwo einen Spion.“

Trotzdem wird es am Freitag auf dem Eis im Sportforum nur um Tatsachen und nicht um Verdächtigungen gehen: Das Spiel beginnt um 19.30 Uhr, und Zuschauer sind ausdrücklich erwünscht.

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