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Foto: promo

© Loughborough University

Sport: „Der Sport schläft bald wieder ein“

Chris Mohr gehörte zum britischen Handballteam, das es nur noch formal gibt.

Herr Mohr, vor einem Jahr haben die Briten ihren chancenlosen Teams in den olympischen Mannschaftswettbewerben zugejubelt. Was ist aus dem britischen Handballteam geworden, zu dem Sie ja gehören?

Sie meinen wohl eher: gehört haben.

Wie meinen Sie das?

Nach den Olympischen Spielen in London hat die britische Regierung entschieden, mit Blick auf Olympia 2016 in Brasilien nur noch jene Sportarten finanziell zu fördern, die aller Voraussicht nach unter den besten acht ihrer Disziplin landen werden – und da gehören eben Volleyball, Basketball und Handball nicht dazu.

Das heißt, diese Teams existieren gar nicht mehr?

Formal schon, einige meiner alten Mitspieler haben auch nach London mit dem Handballteam weitergemacht. Für mich selbst kam das allerdings nicht mehr in- frage.

Warum?

Der normale Werdegang nach Olympia wäre gewesen, uns Handballer zum ersten Mal an der EM-Qualifikation teilnehmen zu lassen, für die Vorqualifikation war das Team bereits offiziell angemeldet. Dann hat man uns allerdings mitgeteilt, dass wir für die entstehenden Kosten in Zukunft selbst aufzukommen haben, also die Flüge zu den Auswärtsspielen bezahlen müssen, das Hotel und alles andere, was so anfällt. Das muss man sich mal vorstellen!

Sie hören sich ziemlich verärgert an.

Ich denke, dass damit eine große Chance vertan wird. Handball, Basketball und Volleyball waren in London sehr populär bei den Fans, obwohl die Teams fast alle Spiele verloren haben. Andererseits haben sie den olympischen Gedanken einfach großartig gelebt, das hat sie so beliebt gemacht.

Während der Spiele hieß es, diese Sportarten erlebten einen regelrechten Boom. War das Augenwischerei?

Im Gegenteil. Heute gibt es zum Beispiel wesentlich mehr Handballvereine als noch vor ein, zwei Jahren in Großbritannien, die nationale Liga funktioniert ebenfalls, neue Klubs haben sich angesiedelt, die Zuschauerresonanz stimmt. Wenn aber auf Dauer kein Nationalteam mit Erfolgsaussichten existiert, stellt sich schon die Frage: Warum betreibe ich den Sport überhaupt, warum und wie sollen sich Kinder dafür begeistern lassen? Es ist aus meiner Sicht eine Frage der Zeit, bis die Sportart in Großbritannien wieder einschläft.

Das klingt sehr düster. Wie groß ist Ihre Enttäuschung?

Natürlich bin ich enttäuscht. Aber so ist es halt: Die britische Regierung hat nur Interesse am großen Sport, Radfahren zum Beispiel oder Rudern. Dabei sind die entsprechenden Verbände so mitglieder- und sponsorenstark, dass sie eigentlich keine große Unterstützung vom Staat benötigen. Das kommt mir teilweise vor wie in sozialistischen oder kommunistischen Staaten, weil man in solchen Individualsportarten natürlich diverse Medaillen gewinnen kann – und offenbar kommt es nur auf die Erfolgsaussicht an. Dabei haben die kleinen Sportarten den Nachweis erbracht, dass sie Potenzial haben und von den Leuten ebenso geliebt werden.

Hatten Sie mit dem Nationalteam wenigstens einen würdigen Abschied, eine Art Mannschaftstreffen oder dergleichen?

Ja, wir sind in den Buckingham Palace zu einem Besuch bei der Queen eingeladen worden, das war ein würdevoller Rahmen, eine großartige Erinnerung, von der ich noch meinen Enkeln erzählen kann. Trotzdem war die Enttäuschung natürlich groß, als wir wieder auseinander- gegangen sind, zumal wir auch finanziell in keiner Weise entlohnt worden sind. Dass wir nicht viel Geld vom nationalen Sportverband bekommen würden, war uns allen klar – aber gar nichts?

Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen Mitspielern?

Ich lebe ja in Dänemark, das gestaltet sich daher schwierig. Über soziale Netzwerke tausche ich mich hin und wieder mit einigen wenigen aus, aber das war’s auch schon.

Als gebürtiger Deutscher haben Sie über einen Zeitraum von fünf, sechs Jahren viel Zeit und Mühe investiert, um den Casting-Prozess für das Nationalteam schließlich erfolgreich abzuschließen. Haben sich die Anstrengungen rückblickend gelohnt?

Das würde ich schon sagen, auch wenn alles ein wenig unglücklich zu Ende gegangen ist. Die Spiele waren ein riesiges Erlebnis, in jeder Hinsicht. Ich habe mir einen Traum erfüllt und am größten Sportevent der Welt teilgenommen. Das kann mir keiner mehr nehmen.

Das Gespräch führte Christoph Dach.

Chris Mohr, 23, ist Sohn einer schottischen Mutter und eines deutschen Vaters. Der Hesse war einer von sieben ausländischen Handballspielern im britischen Olympia-Team.

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