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Sport: Der Star von Galatasaray wird auch ohne Tore geliebt

Irgendjemand hatte mal geschrieben, sein T-Shirt sei ein bisschen ungewöhnlich. Da war der Star beleidigt.

Irgendjemand hatte mal geschrieben, sein T-Shirt sei ein bisschen ungewöhnlich. Da war der Star beleidigt. Dann schrieb einer, seine Schuhe seien irgendwie putzig. Da war der Star durcheinander. Eigentlich ist Hakan Sükür immer beleidigt oder durcheinander oder verwirrt. Zumindest, wenn man über den Privatmann Sükur schreibt. Dann schreit er Journalisten an. Und dann schweigt er sie an, tagelang. "Er ist sehr sensibel", stöhnt ein türkischer Boulevardreporter. "Du kannst schreiben, worüber du willst." Sükür will sein Privatleben abschotten. Einem Journalisten, der ihn mal einen Tag lang beobachten wollte, knurrte er entgegen: "Stell mir Fragen zum Spiel."

Herrliche Antwort. Als ob auf so einen Satz jemand einginge. Wer Superlative verkörpert, hat kein Recht auf Privatsphäre. Zumindest nicht, wenn er im Fußball glänzt, der Ersatzreligion der Türken, und wenn die Fans gefüttert werden wollen mit Nachrichten über ihr Idol. Hakan Sükür, der Torjäger von Galatasaray Istanbul, ist der populärste Spieler im Land. Und der Bestverdienende. 4,4 Millionen Mark streicht er jedes Jahr ein. Und er ist wohl einer der empfindlichsten Spieler der Liga. Sükür ist allerdings auch einer der erfolgreichsten Stürmer in der Türkei. 38 Tore schoss er in der Saison 96/97, den Landesrekord von Tanju Colak verfehlte er nur um einen Treffer. Eine Saison später brachte er es auf 34 Tore, und in der letzten Meisterschaftsrunde traf Sükür immerhin noch 19-mal.

Aber zuletzt traf er gar nicht mehr, und eigentlich wäre das eine ganz trübe Nummer für einen Star, der so gut wie jeden Tag in den Zeitungen auftaucht. Bevor er gestern Abend mit Galatasaray in der Champions League gegen Hertha BSC spielte, hatte der Mann, der 70 Prozent seiner Treffer mit dem Kopf erzielt, in 13 Pflichtspielen keinen einzigen Torerfolg. Das lag natürlich auch an dem Erdbeben vom August, bei dem Sükür seine frühere Ehefrau sowie deren Eltern verlor. Anschließend hatte er Mühe, sich auf den Fußball zu konzentrieren. Doch mit 28 ist er Profi genug, um auf dem Platz wieder abschalten zu können. Aber Tore erzielte er trotzdem nicht. Normalerweise wäre er damit frei für ein Schlachtfest. Doch bei Sükür läuft alles anders. Die Zeitungen haben Mitleid mit ihm. Er hat Pech, schreiben sie oder: Er spielt gut, aber unglücklich. Am vergangenen Sonnabend traf Galatasaray zu Hause auf Ankaragücü, Sükür kickte den Ball an den Pfosten. Dann schoss er ein Tor. Abseits, sagte der Schiedsrichter. Und die Fans standen auf und schrien 20 Minuten lang "Hakan Sükür". Sie gönnten ihm ein Tor. Sie gönnten es ihm, weil er kein selbstgefälliger Star ist. Sükür ackert für die anderen, er gibt Vorlagen, er schafft Räume, er sagt: "Entscheidend bin nicht ich, sondern entscheidend ist die Mannschaft." Deshalb stellt sich auch Galatasarays Trainer Terim vor seinen Torjäger.

Die Fans mögen Sükür seit 1996, seit er Schiffbruch erlitten hatte. Sükür war ein Mitläufer bei Galatasaray, 1992 von Bursa gekommen und dann erstmal nur durch vergebene Chancen aufgefallen. 1995 verscherbelte ihn Galatasaray zum AC Turin, für lächerliche 500 000 Dollar. Vier Monate, vier Einsätze und ein Tor für Turin später war er wieder zurück. Galatasaray erhielt ihn zum Nulltarif. Doch dort heuerte Terim an, und der baute den Stürmer wieder auf. Sükür traf mit dem Kopf, er traf mit dem Fuß, er traf 38-mal in einer Saison, er wurde zum Publikumsliebling. Und Turin wollte ihn wieder, vor dieser Saison; Sükürs Marktwert dürfte inzwischen bei rund 20 Millionen Mark gelegen haben. Doch Sükür sagte Nein. Italien hatte den arretierten PKK-Chef Öcalan freigesetzt, und in so einem Land wollte der Torjäger "nie mehr spielen. Ich denke an die Familien, die durch die PKK ihre Kinder verloren haben oder andere Angehörige. Ich würde in jedes andere europäische Land wechseln, aber nicht nach Italien".

Genau genommen dürfte er dann auch nicht in die Bundesliga wechseln. In Deutschland gab es zwar einen Haftbefehl gegen Öcalan, aber im Land haben wollten in die Behörden auch nicht. Ein Auslieferungsantrag wurde nie gestellt.

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