zum Hauptinhalt

Sport: Der Start danach

Sebastian Deisler beginnt, sich bei den Bayern einzufügen – ein Jahr zu spät, findet Manager Uli Hoeneß

München. Es wäre eine perfekte Gelegenheit gewesen, um ausgiebig Lob zu spenden. Ein berauschendes Feuerwerk war gerade auf den Hügel hinter dem Olympiastadion herabgeregnet, sozusagen als letzte Zutat zu der großen Harmonie im Lager des FC Bayern München. Nach dem 3:1-Sieg über den Aufsteiger Eintracht Frankfurt waren eigentlich alle zufrieden mit dem Auftakt der Mission Titelverteidigung. Doch Manager Uli Hoeneß weigerte sich, unbedacht Komplimente zu verteilen, besonders in Richtung Sebastian Deisler, der einen guten Anteil an Bayerns spielerischem Glanz in der ersten Halbzeit hatte. „Sebastian hat ansatzweise gezeigt, was er kann“, räumte Hoeneß ein, aber die allgemeine Überraschung darüber, dass sich Deisler gleich zu Saisonbeginn so nahtlos ins Spiel der Bayern eingefügt hatte, wollte Hoeneß nicht teilen. „Es gab keinen Grund, jetzt damit zu zögern, ihn zu bringen. Der Beginn kommt sowieso ein Jahr zu spät für unseren Geldbeutel.“

Hoeneß hat zuletzt immer häufiger angedeutet, dass die Geduld mit dem Nationalspieler langsam aufgebraucht ist; am Freitagabend sagte er es noch einmal recht deutlich. Vor mehr als anderthalb Jahren fädelten die Münchner Kaderarchitekten den Deal ein, 9,2 Millionen Euro überwiesen sie für den Jungnationalspieler nach Berlin, nun erwarten sie endlich eine Rendite. Schließlich habe der FC Bayern „ihn auch letztes Jahr bezahlt“, sagte Hoeneß. Immer wieder ließe Deisler zwar durchblicken, dass von ihm „Fußball auf allerhöchstem Niveau“ zu erwarten sei. Doch allmählich werde es auch Zeit für dauerhaften Zauber. Bei Deisler sind die Worte angekommen. „Ich weiß, dass die Schonzeit vorbei ist“, sagt er.

So war der ehemalige Herthaner auch aufgetreten bei seinem Neuanfang, dem ersten Ligaspiel über 90 Minuten seit dem März 2002, als er noch das Trikot von Hertha BSC trug. Das Spiel war noch keine fünf Minuten alt, da hatte Deisler schon zweimal energisch gegrätscht. Zudem nahm er tapfer jedes Kopfballduell an, selbst gegen den bulligen Frankfurter Abräumer David Montero setzte er sich einige Male durch. Für Deisler war das nicht überraschend („Das hat schon immer zu meinem Spiel gehört“), für seinen Trainer dagegen schon. „Ich bin nicht davon ausgegangen, dass Sebastian schon so weit ist“, sagte Ottmar Hitzfeld. Der Coach staunte darüber, „dass er schon so in die Zweikämpfe geht und Zug in den Strafraum entwickelt.“

Trotz seiner Befürchtungen demonstrierte Hitzfeld sein Vertrauen in Deisler, indem er ihn durchspielen ließ, nachdem er ihm in der Vorsaison meist nur Kurzeinsätze gewährt hatte. Die Entscheidung machte sich bezahlt. Oft band Sebastian Deisler bei Ballbesitz zwei Gegenspieler, er schlug fleißig Flanken, von denen eine zum 2:0 durch Hasan Salihamidzic führte, und gemeinsam mit dem Bosnier forcierte er auf der rechten Seite immer wieder das Offensivspiel. „Wir haben heute sehr gut harmoniert“, sagte Salihamidzic, der sich ebenfalls nach langer Leidenszeit auffallend zügig seiner Bestform nähert, „das war sehr zufriedenstellend für den Anfang“. Die rechte Seite bereitete auch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge viel Vergnügen: „Am meisten freut mich, dass Hasan zurück ist und dass Sebastian Deisler so gut gespielt hat.“

Auch Teamchef Rudi Völler formulierte noch auf der Tribüne seine Anerkennung für die Leistung des 19-maligen Nationalspielers. Ob er seinen Lieblingsschüler schon zum Testspiel gegen Italien in zweieinhalb Wochen in die Auswahl zurückholen wird? Sebastian Deisler mochte sich mit dieser Frage am Wochenende noch nicht beschäftigen. „Es wird jetzt wieder überall spekuliert wegen der Nationalmannschaft, das interessiert mich aber gar nicht. Ich werde hier mein Spiel spielen, und dann wird sich alles von alleine zeigen, man muss das nicht die ganze Zeit pushen“, sagte Deisler.

Zum Glück ist Rudi Völler ein wenig geduldiger als Uli Hoeneß.

Daniel Pontzen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false