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Sport: Der Streit zwischen dem VfB-Star und Trainer Rangnick erreicht neuen Höhepunkt

Vielleicht muss das so sein, wenn Könige abdanken. Und in der Fußball-Bundesliga geht es ja oft zu wie im richtigen Leben.

Vielleicht muss das so sein, wenn Könige abdanken. Und in der Fußball-Bundesliga geht es ja oft zu wie im richtigen Leben. Als Krassimir Balakow nach der Halbzeitpause gegen halb neun frisch geduscht mit geschulterter Tasche dem Ausgang entgegenstrebte, da hasteten Fernsehteams, Rundfunk-, Zeitungsjournalisten und Fotoreporter hurtig von der Tribüne nach unten in die Katakomben des Gottlieb-Daimler-Stadions. Jeden Schritt des gedemütigten Spielmachers wollten sie verfolgen und sehen, ob er Gift und Galle spuckt. Es hätte nur noch gefehlt, dass einer ruft: "Der König ist tot, es lebe der König." Das tat natürlich keiner.

Draußen aber feierten 20 000 Zuschauer den 3:1-Erfolg des VfB Stuttgart über Hansa Rostock und Krisztian Lisztes, der für Balakow ins Spiel kam. Endlich hatten die Schwaben daheim gewonnen, trotz einer schlechten ersten Hälfte. An Lisztes lag das sicher weniger. "Wir haben wieder Zweikämpfe gewonnen", analysierte Trainer Ralf Rangnick. An diesem Abend aber trug der Klub vom Neckar endgültig seinen Kapitän Balakow zu Grabe. "Ich passe seit zwei Wochen nicht mehr ins System des Trainers. Und der spricht nicht mit mir", stichelte der Bulgare und machte verlegen das Siegeszeichen mit zwei Fingern, obwohl er in diesem Augenblick wohl lieber gegen die Wand getreten hätte. "Wenn das so ist, muss der Präsident mal mit dem Trainer sprechen", sagte der bulgarische Nationalspieler - und grinste, bevor die Tür zufiel.

Später stand genau dort Thomas Berthold. Er wetterte, was das Zeug hielt gegen Balakow und wollte "auf keinen Fall zitiert" werden. Nur zu gerne trat Berthold als Kronzeuge der Anklage auf, er gilt als Intimfeind des Bulgaren und er kämpft um einen neuen Vertrag beim schwäbischen Bundesligisten. "Der Fall Balakow wird uns eine Weile beschäftigen", sagte Sportdirektor Karlheinz Förster. Mit dieser Vermutung wird er richtig liegen. Spätestens seit Dienstag weiß Balakow, dass seine Zeit beim VfB trotz des Vertrages bis zum Jahr 2002 vorbei ist. Sechs Millionen Mark im Jahr soll er in Stuttgart verdienen. Trainer Ralf Rangnick aber schwört auf das Kollektiv und mag Stars mit Divenattitüde nicht leiden. Der Trainer verdrehte genervt die Augen und antwortete auf die Anfeindungen des Gestürzten. "Normal ist das nicht, wenn der Kapitän zur Halbzeit nach Hause geht", grantelte Rangnick.

Der Eklat war längst perfekt. Da kam Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, tat so, als sei nichts gewesen und zündete Nebelkerzen. "Es war abgesprochen, dass Balakow die erste Halbzeit alles gibt, was er hat. Der Trainer denkt, dass er nicht fit ist", sagte der erfahrene Krisenmanager "MV". "Eine völlig normale Sache." Nun ist bekannt, dass der ehemalige Minister öfter mal Dinge sagt, die er selbst nicht so recht glaubt. Er gilt als einer der letzten Verbündeten des Bulgaren. Auch über den Präsidenten wird gemunkelt, es wolle ihn im Verein keiner mehr so recht. So etwas schweißt zusammen.

"Das letzte Mal hat er gesagt, er ist gegangen, weil er Fragen der Reporter ausweichen wollte. Ich bin gespannt, was er jetzt erzählt", sagte Rangnick zu Balakows Flucht und zog die Brauen hoch. "Es ist sicher ein Gespräch angesagt", so der VfB-Coach. Nach Friedenspfeife und inniger Versöhnung hörte sich das nicht unbedingt an. Wie sein Präsident scheiterte Rangnick beim Versuch, den tiefen Disput zu verharmlosen: "Ich will ihn nicht vom Sockel stoßen oder demontieren. Das ist absoluter Schwachsinn". Balakow passe sehr wohl in sein System, wenn er gut spiele und sich einfüge.

Selbst wenn sie beim VfB alle Scherben wieder zusammenkehren, die Probleme werden sie nicht los. Rangnick darf sich als Sieger im Machtkampf fühlen, und er wird mit aller Konsequenz dazwischenhauen, wenn er das neue Ziel Uefa-Cup gefährdet sieht. Viel wird davon abhängen, ob Balakow im Herbst seiner Karriere klein beigibt. Vielleicht müssen die Stuttgarter Reporter demnächst gar nicht mehr nach unten rennen, vielleicht sitzt ja Krassimir Balakow bald ganz in ihrer Nähe auf der Tribüne.

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