zum Hauptinhalt

Sport: Der süße Geschmack des Sieges Erstmals gewinnt Jan Ullrich die Tour de Suisse

Lugano – Als Fabian Jeker ins Ziel kam, strahlte er. Der Schweizer hatte, davon war er restlos überzeugt, soeben seinen Vorsprung von 41 Sekunden im Gesamtklassement auf Jan Ullrich im abschließenden Zeitfahren der Tour de Suisse verteidigt.

Lugano – Als Fabian Jeker ins Ziel kam, strahlte er. Der Schweizer hatte, davon war er restlos überzeugt, soeben seinen Vorsprung von 41 Sekunden im Gesamtklassement auf Jan Ullrich im abschließenden Zeitfahren der Tour de Suisse verteidigt. Augenblicke später schwand das Strahlen aus Jekers Gesicht und wich einem leeren Blick. Was er hören musste, schien ihm unbegreiflich: 1,3 Sekunden hatten ihm am Ende gefehlt – und Jan Ullrich hatte zum ersten Mal die Tour de Suisse gewonnen.

Lange Zeit hatte es nicht so ausgesehen, als würde Ullrich seinen Rückstand auf dem 25,6 Kilometer langen Kurs wettmachen können. Jeker war anfangs sogar schneller als sein schärfster Verfolger. Auch am Samstag hatte er Ullrich im Kampf um den Gesamtsieg am letzten Berg noch einmal um neun Sekunden distanziert. Doch am Sonntag konnte der 35Jährige das hohe Anfangstempo nicht durchhalten. Mit jedem Kilometer holte Ullrich weitere Sekunden heraus. Am Schluss brach Jeker vollends ein.

„Natürlich hatte ich auf den Sieg spekuliert, aber kaum ehrlich daran geglaubt. Fabian hat großartig gekämpft“, sagte Ullrich im Ziel. „Der Sommer fängt gut an für mich. Das war genau der richtige Auftakt und noch mal ein Motivationsschub Richtung Tour.“ Seinen letzten Rundfahrtsieg schaffte der zweimalige Zeitfahr-Weltmeister im September 1999 mit seinem Triumph bei der Vuelta in Spanien. Nach der Tour de France (1997) und nun der Tour de Suisse fehlt ihm bei den traditionsreichen Landesrundfahrten nur noch ein Sieg beim Giro d’Italia.

Auf der flachen Strecke rund um den Luganer See nahm Ullrich seinem Kontrahenten Jeker am Ende insgesamt 42,3 Sekunden ab – übrigens mit derselben Zeitfahr-Maschine, die er auch beim Zeitfahren am vorletzten Tag der Tour de France in Besancon einsetzen will. Zwar fehlte die ganz große Konkurrenz bei der Schweiz-Rundfahrt, doch der positive Verlauf des Formaufbaus bei Jan Ullrich war nicht zu übersehen. Außerdem machen auch die Zahlen Mut: Sein bisher bestes Ergebnis in der Schweiz war 1997 der dritte Platz – anschließend gewann Ullrich die Tour de France. Damals war allerdings ein gewisser Lance Armstrong noch nicht dabei. Die Bedeutung des Gesamtsieges ist deshalb auch durchaus als Botschaft zu verstehen. „Es ist wichtig, dass man Lance mal zeigt, dass es einen Besseren gibt“, sagte Ullrich.

Der süße Geschmack des Sieges hat den Olympiasieger hungrig werden lassen. „Ich stelle mir vor, dass ich bei der Tour de France um den Sieg mitkämpfen werde“, sagte der 30-Jährige. „Mein größter Traum wäre es, am 25. Juli wieder ganz oben zu stehen.“ In den kommenden 14 Tagen käme es darauf an, seine derzeitige Form zu konservieren, um sich dann im Verlauf der Tour nach und nach zu steigern. „Ich habe gut trainiert und sehe jetzt, dass es sich auszahlt“, sagte Ullrich. Das nennt man wohl Optimismus.

Ein völlig anderes Gefühl übernahm dagegen so langsam die Kontrolle über Fabian Jeker. Der 35-Jährige kämpfte nach dem so knapp verpassten Sieg bei seinem Heimrennen mit den Tränen. Doch er ließ sie nicht heraus. Stattdessen gewann der Trotz. „Natürlich wäre ein Triumph hier für mich das Größte gewesen“, sagte Jeker. „Aber ich bin ein Champion – und ein Champion kann auch verlieren.“ Der fünfmalige Tour-de-France-Zweite Jan Ullrich weiß das. In diesem Jahr aber hat er dem Wort Champion eine andere Bedeutung zugeordnet. Tsp

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false