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Sport: Der Topstar aus China ist für das Zweitliga-Niveau zu gut

Soll sie, oder soll sie nicht? Leicht macht es sich Chao Zhai nicht, den neuen Vertrag zu unterschreiben.

Soll sie, oder soll sie nicht? Leicht macht es sich Chao Zhai nicht, den neuen Vertrag zu unterschreiben. Die chinesische Weltklasse-Handballerin in Diensten des Zweitligisten Berliner VB hat sich Bedenkzeit erbeten. Der Verein will eine Entscheidung, aber es gibt keinen Grund für ein übereilt gegebenes Autogramm. Die alte Vereinbarung gilt bis Ende Juni. "Ich würde ganz gern in Berlin bleiben", sagt die 28-Jährige, "zumal ich keine direkten Kontakte zu anderen Teams habe." Chao Zhai weiß andererseits genau, dass sie dann auch weiterhin auf sportliche Erfolge verzichten müsste. "Lieber das als unseriöse Angebote", meint sie, ohne Beispiele dafür zu nennen. Es soll kaum einen Erstligisten gegeben haben, der nicht in irgendeiner Form um ihre Gunst gebuhlt hatte. "Stimmt schon", bestätigt sie. Nur, erneut irgendwo allein sein und alles lernen müssen, das möchte sie offenbar nicht ohne weiteres. Die BVB-Verantwortlichen haben diesen Umstand wohl im Blick, sind sich deshalb ihrer Sache sicher. Handballerisch können sie - außer vollmundigen Versprechungen - nur wenig bieten. Tönten sie noch im vorigen Jahr im großen Kreis, dass der Abstieg verhindert werden würde, und erklärten sich nach dem blamablen Niedergang sofort wieder zum kommenden Aufsteiger, so weist die aktuelle Situation auf das gesamte Problem hin. Ohne Chao Zhai würde der Tabellenzweite, das letzte Handball-Aushängeschild in der Stadt, gerade noch Zweitliga-Mittelmaß aufweisen. Selbst die theoretische Chance, in dieser Saison über die Relegation wieder ins Oberhaus zu gelangen, ändert nichts daran.

Auch nicht die "Sprechblasen" über den zu erwartenden Geldsegen. Von 1,2 Millionen Mark für den Gesamtverein BVB ist die Rede, wovon am meisten die Handballerinnen profitieren sollen. Ausgerechnet dieses Team soll sich der AWD (Finanz- und Wirtschaftsberatung mit Hauptsitz in Hannover) ausgesucht haben, um in Berlin Fuß fassen zu können. Bislang ist nicht eine Mark in die Kasse gekommen, die bei einem 400 000-Mark-Etat eine Lücke von 50 000 DM aufweist. Selbst wenn dem so wäre, ist kaum mit schnellem Erfolg zu rechnen. Chao Zhai, die seit Januar 1998 in Berlin ist und ausgezeichnet deutsch spricht, tut gut daran, nicht allein möglichen rosigen Aussichten zu trauen. Das Hier und Heute stuft BVB als "Fahrstuhlmannschaft" ein.

Für die Torjägerin aus Asien ist es wichtiger, in ihrem Umfeld für eine bessere Situation zu sorgen. Wenigstens den Namen Yu Ding möchte sie in dem neuen Vertrag lesen. Wenn sie weiterhin die Hauptlast bei BVB tragen soll, dann wäre der Ehemann an ihrer Seite sehr hilfreich. Nicht nur als Tourist in Berlin, wie im vorigen Jahr, sondern auch mit einem Job ...

Chao Zhai hofft, dass es wenigstens damit klappt. Obwohl sie von sich selbst sagt, dass sie nicht gläubig ist ("Entscheidend ist Ehrlichkeit und ein gutes Herz"), glaubt sie an den Erfolg ihrer Bemühungen. Seit dem 5. Februar gilt in China das "Jahr des Drachen", und der soll Glück bringen. Der gesamten Familie fällt der Abschied von Mal zu Mal schwerer. Zuletzt erst wieder, als Chao Zhai mit China um die Olympiaqualifikation spielte, dann auch noch mit dem Misserfolg im Gedächtnis den weiten Flug nach Europa antreten musste. "Das sind Stunden", sagt sie, "in denen ich etwas anderes sein möchte." Aber drei bis vier Jahre als Handballerin schweben ihr dennoch vor. Was momentan bleibt, ist das Prinzip der Hoffnung. Mit der 18-jährigen Torhüterin Ilka Arndt versteht sie sich gut, kann wenigstens mit ihr etwas unternehmen. Viel mehr bleibt nicht: Training, Fernsehen, Schlafen. Viel ist das nicht für eine Handballerin, die in Dänemark oder Norwegen einen Heldenstatus erreichen könnte. In diesen Ländern hat Frauenhandball die Popularität des Fußballs erreicht.

Aber das hieße eben, wieder eine neue Sprache zu erlernen. Ja, wenn sie das alles vorher gewusst hätte, dann wären ihr Misserfolge und Zweite Liga erspart geblieben. Allein mit einem harten Trainer wären wohl andere Probleme nicht zu vermeiden gewesen. "Wenn es mir zu laut wäre, dann würde ich einfach die Sprache nicht verstehen", erzählt Chao Zhai von ihrer Taktik, die sie in Berlin noch nicht anwenden musste. Rüdiger Bones gilt bei BVB eher als ein Trainer der ruhigeren Zunft. Er ist auch nicht der Grund, warum Chao Zhai zur Zeit hin- und hergerissen ist. Nur, sie allein kann dem Berliner Handball nicht zu neuem Glanz verhelfen. Ihre Rolle bei BVB gleicht der eines Juwels in einem Tante-Emma-Laden.

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