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Mensch, das Material! Tony Martin führte beim Prolog – bis zum Radwechsel. Foto: dpa

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Sport: Der Traurige und der Glückliche Turbulentes Wochenende zum Auftakt der Tour

Die 99. Tour de France hat an ihrem Auftaktwochenende in Lüttich einen tragischen und einen dramatischen Helden geboren.

Die 99. Tour de France hat an ihrem Auftaktwochenende in Lüttich einen tragischen und einen dramatischen Helden geboren. Zum tragischen Heros wurde der Eschborner Tony Martin, dem erst ein Sturz beim Prolog alle Chancen auf Gelb geraubt hatte – und der sich am Folgetag bei einem Sturz Prellungen am Bein und eine Handgelenksverletzung zuzog. „Ich bin enttäuscht wie noch nie“, sagte Martin, der am Montag entscheiden will, ob die Tour für ihn überhaupt weitergeht.

Ganz anders erging es Fabian Cancellara. Er holte sich einen überzeugenden Sieg im Zeitfahren und verteidigte das Gelbe Trikot mit einem zweiten Rang im Bergsprintfinale am Sonntag hinter dem Slowaken Peter Sagan. Er hatte auch die entscheidende Attacke gefahren.

Im Prolog distanzierte er den Zweiten Bradley Wiggins, zugleich einer der zwei Favoriten dieser Rundfahrt, um sieben Sekunden. Das ist bei der Kürze von nur 6,4 Kilometern ein herrschaftlicher Abstand.

Keine drei Monate nach seinem Schlüsselbeinbruch krönte sich der Schweizer Cancellara damit zum ersten König dieser Tour. Er erstickte mit seinem Sieg zugleich das Krisengemurmel bei Radioshack. „Jetzt ist der Druck endlich weg und die Tour de France kann für uns beginnen“, sagte Cancellara. Der kantige Profi gab zu, mit einigem mentalen Gewicht in das Rennen gegangen zu sein. „Mir ging viel im Kopf herum. Ich dachte daran, wie ich vor acht Jahren als 23-Jähriger nach Lüttich gekommen war und einen Großen wie Lance Armstrong um 1,6 Sekunden bezwungen hatte.“ Cancellara dachte aber auch daran, dass Johan Bruyneel, der damalige Teamchef von Armstrong und sein eigener Arbeitgeber dieser Tage, sich in den USA einer Dopinguntersuchung zu stellen hat. Cancellara äußerte sich erleichtert, dass Bruyneel den Druck vom Team nahm und der Tour de France fernblieb. „Ich hatte diese Erfahrung bereits zuvor mit Bjarne Riis gehabt. Es ist ist gut, dass das Team in Frieden gelassen wird“, meinte er.

Cancellara gab Bruyneel und Armstrong auf, sich um ihre Angelegenheiten mit der USADA zu kümmern. „Ich will nicht in die Vergangenheit gucken, sondern in die Zukunft“, erklärte er. Ganz verdrängen können wird er diese Vergangenheit aber nicht. Denn sie ist auch seine eigene Gegenwart. Auf Teamfahrzeugen wie Trikots von Radioshack prangt der Schriftzug von Armstrongs Krebsstiftung Livestrong. Der Erfolg des Schweizers ist auch ein Erfolg für alle Sponsoren und Co-Sponsoren.

Die zweite Etappe sah auf einem welligen Klassikerkurs von Lüttich nach Seraing schon früh eine Ausreißergruppe. Vier Franzosen – Yohann Gène (Europcar), Maxime Bouet (Ag2r-La Mondiale), Nicolas Edet (Cofidis) und Anthony Delaplace (Saur-Sojasun) –, der Spanier Pablo Urtasun (Euskatel-Euskadi) und der Däne Michael Mørkøv (Saxo Bank-Tinkoff Bank) hießen die Gewinner der Fluchtlotterie. Sie mussten allerdings einen Rückschlag einstecken, als sie mehr als eine Minute an einer Bahnschranke aufgehalten wurden. Bester Deutscher war überraschenderweise der in den Erfurter Blutbestrahlungsskandal verwickelte Patrick Gretsch als Gesamtsiebter.

Die Ausreißer hielten dennoch lange Zeit einen Vorsprung von vier Minuten. 50 Kilometer vor dem Ziel machte aber das Team des Gesamtführenden ernst und verkürzte den Rückstand. Zehn Kilometer vor dem Ziel war ihr Ausflug dann vorbei. Das Finale eröffnete der Prolog-Dritte Sylvain Chavanel mit einem gewaltigen Antritt. Doch der Franzose musste sich der puren Kraft von Cancellara beugen. Der Schweizer federte an Chavanel vorbei und riss beim letzten Anstieg eine große Lücke. Nur der Slowake Peter Sagan (Liquigas) und der Norweger Boasson Hagen (Sky) konnten ihm folgen. Auf den letzten Metern spielte Sagan seine Spurtstärke aus und gewann vor Cancellara. Der krönte sein Wochenende mit der Verteidigung des Gelben Trikots. Das Krisenteam Radioshack ist mit einem Schlag zum Führungsteam geworden. So schnell kann das gehen.

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