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Sport: Der Überraschungsschlag

Die erste Sensation der Australian Open gelingt einer Deutschen: Weingärtner bezwingt Capriati

Dass Marlene Weingärtner als Teenager mit ihrer Familie im Elternhaus von Boris Becker gewohnt hat, ist eigentlich nichts Neues. Schließlich spielte sie früher im badischen Leistungszentrum in Leimen Tennis. Und weil die 23Jährige dort längst wieder ausgezogen ist, waren die Namen ihrer ehemaligen Vermieter lange Zeit ohne Bedeutung. So lange, bis Marlene Weingärtner bei den Australian Open Jennifer Capriati schlug.

Ihr 2:6, 7:6 (8:6), 6:4-Erfolg über die Titelverteidigerin und Nummer drei der Weltrangliste war die große Überraschung des ersten Turniertages in Melbourne. „Das ist mein größter Sieg“, sagte Marlene Weingärtner, „aber ich glaube, ich habe ihn verdient, denn ich habe super gespielt.“ Tatsächlich hatte die Nummer 90 der Welt nach einem 2:6 und 0:3 Rücktstand gegen Jennifer Capriati plötzlich die Initiative an sich gerissen und das Spiel dominiert. Als das Publikum merkte, dass sich eine kleine Tennissensation ereignen würde, unterstützte es die Außenseiterin aus Deutschland. „Das war eine tolle Atmosphäre, daran muss ich mich erst gewöhnen“, sagte Weingärtner.

Zumal es ihr erster Auftritt auf dem Center Court eines Grand-Slam-Turniers war. Doch von der ungewohnten Umgebung hatte sie sich nicht einschüchtern lassen. In einem T-Shirt mit der Aufschrift „No fear“ betrat Weingärtner die Rod-Laver-Arena. „Ich hatte nichts zu verlieren“, sagt sie. Auch Jennifer Capriati lobte sie. „Sie hat sehr gut gespielt und war am Ende nicht zu stoppen.“ Die US–Amerikanerin führte eine Augenoperation als Entschuldigung dafür an, dass sie sich nicht ausreichend auf die Australian Open vorbereitet hatte. „Wäre ich nicht Titelverteidigerin, hätte ich vielleicht gar nicht gespielt.“

Marlene Weingärtner kann es egal sein. Auch sie kämpft mit Verletzungsproblemen, wegen Rückenschmerzen musste sie im vergangenen Jahr lange pausieren . „Das Problem wird nie ganz verschwinden“, sagte Weingärtner, „ich muss damit leben, es behandeln lassen und spezielle Übungen machen.“ Trotzdem gelang ihr am Montag der bislang größte Erfolg. „Ich weiß, dass ich das Potenzial habe, die Großen zu schlagen“, erzählte sie. Vor zwei Jahren schaffte es die Tochter eines Rumäniendeutschen bei den Australian Open bis in die vierte Runde, vor einem Jahr war in der dritten Runde gegen die Französin Amelie Mauresmo Schluss. Aus jenem 0:6, 6:4, 5:7 zog sie die taktischen Schlüsse, um nun gegen Capriati zu bestehen. „Ich bin jetzt viel offensiver reingegangen, das hat sich ausgezahlt.“

Nach dem Aus in der dritten Runde im vergangenen Jahr bei den Australien Open kletterte sie in der Weltrangliste bis auf Rang 36. Um wieder dorthin zu gelangen, muss sie nun weitere Siege folgen lassen. In der nächsten Runde wartet Stephanie Foretz. Weingärtner hatte die Französin vor einer Woche im Turnier in Canberra bezwungen. „Es wird nach diesem Erfolg ganz schwer, sich darauf zu konzentrieren“, sagte Weingärtner. Plötzlich waren da die vielen Fragen, die beantwortet werden wollten: Ist das ihr größter Erfolg? Haben Sie schon begriffen, was ihnen gelungen ist? Und wohnen Sie immer noch im Haus von Boris Becker? ben

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