zum Hauptinhalt

Sport: Der Umbauarbeiter

Trainer Domenechs Mission mit Frankreichs Team: junge Spieler heranführen, alte integrieren

Eine Lektion hat Raymond Domenech schon gelernt. Nicht alle, die hinter ihm stehen, wollen ihm auch etwas Gutes. „Am Anfang dachte ich wirklich, dass alle Welt die Nationalmannschaft unterstützt. Aber das war natürlich naiv. Die Debatten sind meist nicht sehr intellektuell“, sagt der französische Nationaltrainer, und es klingt beinahe etwas resignativ. Er hat vor eineinhalb Jahren die Mannschaft übernommen, als Frankreich glanzlos gegen Griechenland im Viertelfinale der Europameisterschaft ausgeschieden war und alle Stars des goldenen Zeitalters sich in die Nationalmannschaftsrente verabschiedet hatten.

Eigentlich sollte einer der ehemaligen Spieler die Mannschaft übernehmen. Laurent Blanc und Jean Tigana waren heiße Favoriten, und sie lauern immer noch im Hintergrund auf ihre Chance. Aber der einflussreiche ehemalige Erfolgstrainer Aimé Jacquet, der die Franzosen 1998 zum Weltmeistertitel geführt hatte und heute die Nachwuchsarbeit leitet, setzte sich mit seinem Vorschlag durch. Kontinuität ist sein Credo. Domenech war von 1993 an Trainer der U-23 Mannschaft. Er kennt daher viele seiner jetzigen Spieler und ist selbst ein Kind des französischen Verbandes.

Domenechs Auftrag ist delikat. Er soll eine neue Mannschaft aufbauen, aber bitte mit sofortigem Erfolg. In seinem Vertrag sind die Qualifikation zur WM und sogar mindestens das Halbfinale bei der WM festgeschrieben. „Als Trainer der Nationalmannschaft musst du immer zwei Kappen aufhaben und zwei Ziele verfolgen, den schnellen Erfolg und den langfristigen Aufbau einer konkurrenzfähigen Mannschaft“, erklärt Domenech. Diese Balance ist nicht immer einfach. Am Anfang ging Domenech mutig zu Werke. Er krempelte die Mannschaft komplett um. Beim ersten Qualifikationsspiel gegen Israel am 4. September 2004 betrug das Durchschnittsalter 26,2 Jahre. Es war eine der jüngsten Mannschaften in der WM-Qualifikation. Beim entscheidenden letzten Spiel um das Ticket zur WM vor wenigen Wochen gegen Zypern betrug das Durchschnittsalter schon 29,2 Jahre. Ein ordentlicher Sprung innerhalb von nur einem Jahr.

Dazwischen liegt eine lange Phase der Selbstfindung, Unsicherheit und Kritik. Insgesamt 34 Spieler hat er in zehn Qualifikationsspielen eingesetzt. Am Anfang warf man Domenech vor, er sei nur auf den Aufbau einer neuen Mannschaft konzentriert und vernachlässige die WM-Qualifikation. Als die „magischen Drei“ Zinedine Zidane, Lilian Thuram und Claude Makelele ihre Altersteilzeit unterbrachen, um der französischen Nationalmannschaft zu helfen, kamen die anderen Kritiker zu Wort, allen voran Michel Platini: „Wir bauen überhaupt nichts für die Zukunft auf, sondern haben uns nur auf die Qualifikation konzentriert. Jetzt wird es immer schwerer. Wir sind längst nicht mehr die Besten.“ Domenech lassen solche Angriffe mittlerweile kalt: „Ich lasse alle reden. Wir haben unser Ziel vor Augen, und wir wissen, was wir tun.“

Er ist selbstbewusst und ehrgeizig geworden. Das Image des Verbandsmeiers will er loswerden. Dabei hilft ihm auch seine neue Brille. Eckig, kantig und modisch ist sie und lässt ihn als erfolgreichen Architekten erscheinen. Als Konstrukteur einer neuen Mannschaft, die an alte Erfolge anknüpfen soll. Domenech kennt das Spiel mit den Masken. Schließlich wollte er ursprünglich ans Theater und Schauspieler werden.

Die Umbauarbeiten in seiner Mannschaft dauern aber an. Zidane ist dabei ein wichtiger Helfer geworden. „Er gibt der Mannschaft Sicherheit und hält sie zusammen“, erklärt Aimé Jacquet. Domenech selbst hat sich um die Rückkehr des Stars bemüht: „Ich habe regelmäßig Kontakt zu Zidane gehalten und versucht ihn zu überzeugen.“ Wie es bei den drei Rückkehrern weitergeht, ist insbesondere bei Thuram offen. „Ich mache es abhängig von meiner körperlichen Verfassung am Ende der Saison“, sagt der Verteidiger von Juventus Turin. Zidane hat aber schon anklingen lassen, dass er noch einmal dabei sein will, auch wenn er am Samstag gegen Deutschland fehlen wird.

Es wäre seine dritte WM. Bis dahin hat Domenech noch viel Arbeit vor sich, aber kaum mehr die Möglichkeit, sie konzentriert anzugehen. Gerade einmal zwei Vorbereitungsspiele, davon das erste am Samstag gegen Deutschland, stehen auf dem Programm. „So können wir keine Gemeinschaft aufbauen, das ist unser größtes Manko“, beschwert sich Domenech. Die Vereine sträuben sich dagegen, ihre Spieler allzu oft freizugeben. Er könne die Interessen der Vereine natürlich nachvollziehen, aber die Nationalmannschaft ist umgekehrt auch für die Vereine wichtig. „Das müssten ehemalige Nationalspieler wie Franz Beckenbauer oder Uli Hoeneß auch wissen“, sagt Domenech. Auf europäischer Ebene muss seiner Meinung nach eine Lösung dafür gefunden werden. Bis zur nächsten WM wird das nichts mehr. Dennoch bleibt Domenech gelassen und gibt ein vollmundiges Ziel aus: „Wir wollen Weltmeister werden und nichts anderes.“

Zur Startseite