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Sport: Der Unverzichtbare

Warum es sich die Bayern nicht leisten können, Michael Ballack ziehen zu lassen

Häme und Schadenfreude finden in der Welt des Giovanni Trapattoni keinen Platz. Der letzte große Kavalier der Branche dachte nicht daran, sich nach seiner Rückkehr nach München ausgiebig über das 2:1 zu freuen, mit dem sein neuer Verein, der VfB Stuttgart, seinem alten, dem FC Bayern, die Pflichtspiel-Premiere in der Allianz-Arena verdorben hatte. Mit bescheidender Geste und aufopferungsvollem Kampf mit der deutschen Grammatik bedankte er sich für den netten Empfang. Natürlich wusste er, dass der Sieg über die Münchner zwar eine hübsche, aber aus sportlicher Sicht eher belanglose Fußnote der noch jungen Stadiongeschichte bleiben wird. Sein Kollege Felix Magath hatte auf seinen wichtigsten Mann verzichtet: Michael Ballack.

Die Münchner erhielten einen Eindruck, wie ein ballackloser FC Bayern aussehen könnte. Bis 2006 läuft sein Vertrag, und mit 28 steht Ballack vor der Entscheidung, ob er seine Schaffensphase irgendwann in München beenden oder seinen Lebenslauf um ein ausländisches Abenteuer erweitern möchte. Während der Asienreise werden erste konkrete Gespräche geführt. „Ich bin nicht so überzeugt, dass die Entscheidung schon in Tokio fällt“, sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vor dem Abflug Dienstagnacht.

Für Ballacks Verbleib müssten die Bayern in neue Dimensionen der Bezahlung vorstoßen: Da Ballack im nächsten Jahr ablösfrei wäre, könnten ihm Interessenten wie Madrid oder Manchester die entfallende Transferentschädigung als Handgeld auszahlen. Um ein solches, wenn auch geringeres, werden auch die Bayern nicht herumkommen – die Rede ist von zehn Millionen Euro. Außerdem müssten sie seine Bezüge, derzeit rund 4,5 Millionen Euro im Jahr, wohl um weitere zwei Millionen aufstocken. Selbst für die hochprofitable FC Bayern AG wäre das eine Menge Geld, doch die Frage, ob sie sich Ballack weiter leisten kann, stellt sich angesichts der regelmäßigen Hinweise auf die eigenen Festgeldreserven kaum. Drängender ist die Frage: Können es sich die Bayern leisten, Ballack gehen zu lassen?

Rein quantitativ gäbe es kaum Grund zur Sorge, dreieinhalb Alternativen stünden für die Spielgestaltung bereit: Bastian Schweinsteiger, Sebastian Deisler, Ali Karimi und, gelegentlich, Mehmet Scholl. Qualitativ jedoch bliebe eine erhebliche Lücke, wie das Spiel gegen den VfB andeutete: Karimi wird noch einige Zeit brauchen, sich an das Tempo zu gewöhnen. Schweinsteiger fehlt es noch an der Persönlichkeit für eine solch verantwortungsvolle Position. Da Scholl alters- und gesundheitsbedingt kaum mehr über den Status des begnadeten Teilzeitarbeiters hinauskommen wird, bliebe Deisler als einziger ernsthafter Kandidat für eine interne Lösung: Gegen Stuttgart durfte er sich gut eine Halbzeit lang auf seiner Lieblingsposition austoben, was trotz des Trainingsrückstands „gut ausgesehen“ hat (Magath), doch noch hat Deisler – auch mangels Gelegenheit – nicht oft den Beweis erbringen können, dass er neben genialischen Dribblings und Standardsituationen ein Mittelfeld managen kann.

Ist Ballack also unverzichtbar für die Bayern? Letztes Jahr fehlte er bei sieben Spielen, sechs davon gewannen die Bayern. Sein Sonderstatus ist dennoch offensichtlich. Gegen den VfB verzichtete Magath auf ihn mit dem Hinweis, bei solch einem Pflichtspiel sei das Verletzungsrisiko so kurz nach dem Trainingseinstieg zu groß. Für Schweinsteiger und Deisler galt das offenbar nicht. Diese Wertschätzung musste sich Ballack in München erarbeiten. Erst seit ihn Nationaltrainer Jürgen Klinsmann zum Spielführer bestimmt hat, wächst seine Präsenz auf dem Platz. Mittlerweile hat er sich sogar die Effenberg’sche Gepflogenheit angeeignet, kurz nach Anpfiff wahllos einen Gegenspieler umzusensen, was im Fachjargon zumeist als „Zeichen setzen“ gewürdigt wird.

Magath hat vor einiger Zeit gesagt, dass Ballack der Mann sei, „der auch in Zukunft unser Spiel lenken und bestimmen soll. Sollte er nicht verlängern, müssten wir uns umsehen. Das ist der Grund, warum wir seine Entscheidung bald brauchen, nicht erst im Frühjahr.“ Geht es nach der spanischen Sportzeitung „Marca“, könnte sich Magaths Wunsch nach Klarheit erfüllen: „Die Madrilenen haben den Eindruck, dass es dem 28-Jährigen darum geht, gute Bedingungen für seine Vertragsverlängerung mit Bayern auszuhandeln“, schrieb das Blatt am Dienstag. Vermutlich hat Ballack an seinem Status in München inzwischen Gefallen gefunden.

Daniel Pontzen[München]

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