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Sport: Der Vertrauenstrainer

Horst Köppel muss bei Borussia Mönchengladbach vor allem psychologische Kleinarbeit leisten

Das Unterstützerkommando für Traditionsvereine in Not hat am Sonntag zwei neue namhafte Mitglieder bekommen. „Wenn ich’s jemandem gönne drinzubleiben, dann den Gladbachern“, sagte Wolfgang Wolf, der Trainer des 1. FC Nürnberg nach dem 0:0 seiner Mannschaft gegen Borussia Mönchengladbach. Mit Borussias neuem Sportdirektor Peter Pander pflegt Wolf seit gemeinsamen Wolfsburger Tagen eine freundschaftliche Beziehung. Das verbindet über die aktuelle Konkurrenzsituation hinaus. Und auch Franz Beckenbauer, Multifunktionär des deutschen Fußballs, äußerte seine Sympathie für den Abstiegskandidaten im Allgemeinen und dessen neuen Trainer im Besonderen. Um den Klub vor dem Absturz zu bewahren, könne er sich keinen besseren Trainer vorstellen als Horst Köppel, seinen ehemaligen Assistenten bei der Nationalmannschaft.

In Mönchengladbach besteht an Köppels Eignung ohnehin kein Zweifel. Nach einer gefährlichen Häufung von Personalirrtümern gibt es zumindest in der Trainerfrage keinen Dissens mehr. Köppel genießt seit seinem ersten Hilfseinsatz im vorigen Oktober die Zuneigung der Fans. Für ein Spiel saß er damals nach der Entlassung von Holger Fach auf Bank – Borussia gewann 2:0 gegen die Bayern. Seitdem gilt Köppel als der Gute-Laune- Horst, der im Kampf gegen den Abstieg die düsteren Gedanken vertreiben soll. „Dr. Köppel“ hat ihn das Boulevardblatt „Express“ genannt. Köppel ist der Trainer, dem die Spieler vertrauen. Kapitän Jeff Strasser sagte nach dem 0:0 in Nürnberg: „Der neue Trainer redet viel mit den Spielern.“ Unter Köppels Vorgänger Dick Advocaat war die interne Kommunikation weitgehend verkümmert.

Der neue Trainer, der bisher für Borussias Amateure in der Oberliga verantwortlich war, hat die Distanz zur Mannschaft verringert. Im Training hat der 56-Jährige selbst noch ein bisschen mitgespielt, mit den Spielern hat Köppel viele Einzelgespräche geführt, und am Samstagnachmittag saß die gesamte Mannschaft im Hotel beisammen, um sich die Bundesligakonferenz im Fernsehen anzuschauen. Das Übliche halt, doch Advocaat hat solche gruppendynamischen Maßnahmen immer für überflüssig gehalten.

„Man hat schon in der Kabine gesehen, dass die Spieler wollten“, sagte Sportdirektor Pander. Köppels Job besteht vor allem aus psychologischer Kleinarbeit. „Die Jungens sollen sich was trauen“, sagte der neue Trainer. Thomas Broich ist der Glaube an die eigenen Fähigkeiten unter Advocaat völlig abhanden gekommen, in Nürnberg stand er in der Anfangself, mühte sich – oft vergeblich – um spielerische Ideen, hatte aber mit 73 Prozent gewonnener Zweikämpfe den besten Wert aller 22 Spieler. Für taktische Basisarbeit ist es für Köppel vier Wochen vor dem Ende der Saison eigentlich zu spät. Trotzdem waren nach Advocaats ausgedehnter Experimentierphase Ansätze einer Ordnung auf dem Platz zu erkennen. Köppel verstärkte das defensive Mittelfeld, bot stattdessen nur zwei Stürmer auf. „Die Mannschaft war eine Einheit“, sagte er.

Trotz des Unentschiedens ist Köppel „mehr denn je davon überzeugt, dass wir den Klassenerhalt schaffen“. Nach drei Auswärtsniederlagen hintereinander werteten die Gladbacher das 0:0 in Nürnberg als erstes Erfolgserlebnis. „Damit kann man leben“, sagte Peter Pander. Im Hinblick auf das Restprogramm jedoch ist das mehr als fraglich. Die Gladbacher spielen nur noch gegen Mannschaften, die sich um einen Platz im Europapokal mühen: zu Hause gegen Stuttgart und Hertha BSC, dazu beim Hamburger SV und in Leverkusen. „Wir brauchen noch zwei Siege“, sagte Köppel. „Das wird nicht einfach.“

Für den Trainer selbst geht es in diesen vier Spielen nicht nur um die sportliche Existenz des Vereins, sondern auch um die eigene berufliche Zukunft. Köppel hätte ohne Zweifel Interesse, auch über die Saison hinaus Cheftrainer zu bleiben. Doch anders als im Herbst, im Überschwang des Sieges über die Bayern, hält Köppel seine Ambitionen diesmal weitgehend zurück. Was im Falle des Klassenerhalts „mit mir passiert, wird sich zeigen“, sagte er. Man benötigt nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass der Vereinsführung dann in der Trainerfrage nicht viel Gestaltungsraum bliebe. Peter Pander hat das Szenario bereits gedanklich durchgespielt: „Wir wären ja verrückt, wenn wir einen Mann, der erfolgreich und bei den Fans beliebt ist, einfach außen vorlassen und sagen: So, du hast deine Schuldigkeit getan, jetzt geh mal wieder runter zu den Amateuren, und wenn wir was brauchen, dann rufen wir mal wieder an.“ Im Moment jedenfalls gibt es für Borussias sportliche Leitung wesentlich schlimmere Vorstellungen, als Horst Köppel als Trainer weiterbeschäftigen zu müssen.

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