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Sport: Der wahre Meister

Schach-WM: Leko und Kramnik duellieren sich

Ein halbes Jahr hat sich Peter Leko auf Schachweltmeister Wladimir Kramnik vorbereitet. Welche Pläne er gegen die „Berliner Verteidigung“ oder das „Sweschnikow-System“ ausgearbeitet hat, wird sich von Samstag an zeigen: Dann eröffnet der Herausforderer in Brissago am Lago Maggiore mit den weißen Steinen die Weltmeisterschaft im klassischen Schach. „Kramnik ist meiner Meinung nach der Spieler mit dem tiefsten Verständnis, aber auch er besitzt Schwächen“, sagt Leko.

In 14 Partien muss der 25-jährige Ungar versuchen, einen Vorsprung herauszuspielen. Bei einem 7:7-Unentschieden behielte Kramnik seinen Titel, der immer noch als der wertvollste gilt. Selbst der Weltschachbund Fide hat den Russen Kramnik als Weltmeister im klassischen Schach anerkannt. Die inzwischen Allgemeingut gewordene Formulierung „klassisches Schach“ verdeutlicht den wichtigsten Unterschied zu den jüngsten Fide-Weltmeisterschaften: die Bedenkzeit. In Brissago kann eine Partie bis zu sieben Stunden dauern – zweieinhalb Stunden länger als im Sommer bei der Fide-WM in Libyen, die von den meisten der weltbesten Spieler boykottiert wurde.

Die Qualität der Partien dürfte in Brissago demzufolge höher ausfallen. Auch sonst steht das Duell Kramnik – Leko in der über ein Jahrhundert alten Tradition der Schachweltmeisterschaften. „Dies ist das Match um die Schachweltmeisterschaft, es steht in klassischer Verbindung zum Jahr 1886, in dem alles mit Wilhelm Steinitz anfing“, sagt der 29-jährige Kramnik.

Der erste offizielle WM-Kampf hatte am 11. Januar 1886 in New York begonnen, und nach 77 Tagen stand mit Steinitz der erste offizielle Weltmeister fest. Kramnik, der Garry Kasparow vor vier Jahren entthronte, ist der 14. Weltmeister, und sein WM–Kampf mit Leko wird der 40. seit 1886.

Damals war man allerdings noch weit entfernt von einer Organisationsstruktur. Die ersten Weltmeister konnten beispielsweise ihre Gegner frei wählen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg standen die WM-Zyklen unter der Ägide der Fide. Bis Kasparow, der 13. Weltmeister im Jahr 1993 ein Chaos auslöste, indem er sich gemeinsam mit seinem damaligen Herausforderer, Nigel Short, von der Fide löste und einen eigenen Verband gründete. Fortan gab es stets zwei Weltmeister. Der andere Weltmeister heißt Rustam Kasimdschanow. Er hat im Sommer die Fide-WM gewonnen. Doch unter welchen Umständen Kasimdschanow als 54. der Weltrangliste diesen Titel erringen konnte, ist kaum mit der langen WM-Tradition gleichzusetzen. Immerhin, es ist Besserung in Sicht. Für das nächste Jahr plant der Weltschachbund einen Wettkampf zwischen Kasimdschanow und Kasparow, dem Weltranglisten-Ersten. Der Sieger soll anschließend gegen den Sieger aus Brissago antreten.

Ob es tatsächlich dazu kommt, bleibt abzuwarten. Kramnik und Leko mussten sich länger als ein Jahr gedulden, bis ein potenter Sponsor gefunden war. (Leko hatte sich schon im Sommer 2002 als Herausforderer qualifiziert.) Ein Sponsor bot schließlich eine Million Schweizer Franken Preisgeld. Nun kommt es endlich zu dem Duell der beiden Großmeister, mit den so unterschiedlichen Biographien: Kramnik stammt aus einer Künstlerfamilie und genoss eine fundierte sowjetische Schachausbildung. Der Ungar Leko kommt aus einer Arbeiterfamilie, ihm fehlt eine klassische Ausbildung. Die unterschiedliche Herkunft drückt sich allerdings nicht in Zahlen aus: Im direkten Vergleich zwischen Kramnik und Leko liegt der Herausforderer nach bislang 26 Turnierpartien mit 13,5:12,5 Punkten in Führung.

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