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Sport: Der Winter des anderen

Seit seinem dreifachen Triumph bei Olympia findet Biathlet Michael Greis einfach keinen Weg vorbei an Ole Einar Björndalen

Bei eingeschalteten Kameras und inmitten der künstlichen Gelsenkirchener Winteridylle klappte es mit der Diplomatie noch. Im gemischten Doppel mit Martina Glagow war Michael Greis bei der Biathlon World Team Challenge als Dritter gerade noch aufs Siegertreppchen gerutscht, nun sollte er ein paar nette Worte über den Kollegen Ole Einar Björndalen sagen. Immerhin hatte der berühmte Norweger das alljährliche Biathlon-Brimborium auf Schalke beim fünften Aufguss zum vierten Mal in Folge gewonnen – und Greis verbeugte sich denn auch pflichtschuldig vor dem souveränen Sieger. „Björndalen war unglaublich stark, mit ihm würde ich auch gerne einmal laufen“, sagte der 30-Jährige und gab sich dem Anlass angemessen ein wenig karnevalistisch: „Dafür würde ich mich auch als Dame verkleiden.“

Ein kleiner Spaß, im Allgemeinen nimmt der dreifache Olympiasieger von Turin sein Duell mit Björndalen, der in Gelsenkirchen wie im Vorjahr Seite an Seite mit seiner Landsfrau Linda Grubben gewann, aber überaus ernst. So wollte Greis zum Beispiel das gewöhnungsbedürftige Skijäger-Treffen im Ruhrgebiet („Ein Event, keine Spaßveranstaltung“) am Vorsilvesterabend „unbedingt gewinnen“. Um die Spannung zu steigern, wurde das Ganze erstmals als ein Mix aus Massenstart und Verfolgung ausgetragen. Dank des Duos Björndalen/Grubben gab es jedoch weder das eine (Spannung) noch das andere (einen Greis-Erfolg über Björndalen).

Letzteres will der Nesselwanger nun beim Weltcup in Oberhof (3. bis 7. Januar) nachholen. „Für unsere Biathlon-Welt ist es wichtiger, in Oberhof zu gewinnen“, sagt Greis und meint damit vor allem auch seine eigene Biathlon-Welt. In diesem Winter berauschen in erster Linie die Leistungen des großen Kontrahenten: Die ersten fünf Weltcup-Rennen gewann Björndalen allesamt – und Greis siegte erst, als der laufstarke Norweger Mitte Dezember nicht bei den Biathleten, sondern beim Weltcup der Langläufer startete.

5:1 also für Björndalen – doch das seltsame Rechnungswesen des Weltverbandes Ibu sorgt dafür, dass der Deutsche den Gesamtweltcup trotzdem mit acht Punkten Vorsprung auf den zweitplatzierten Skandinavier anführt. „Ich finde das nicht ganz fair. Wenn man einmal fehlt, hat man kaum eine Chance, zu gewinnen“, sagt der zwischen den Sportarten wandernde Björndalen, der einen triftigen Grund für seine Seitensprünge anführen kann: Er will in diesem nacholympischen Winter nicht nur an der Biathlon-WM Anfang Februar teilnehmen, sondern auch an den Titelkämpfen der Langläufer Ende Februar.

Seinen Nachfolger als Branchenführer hat der 32-Jährige vor diesem Hintergrund auch gleich ausgerufen – nach sieben der 27 Weltcup-Rennen in diesem Winter. „Michael Greis wird den Gesamtweltcup in dieser Saison locker gewinnen“, erklärt Björndalen, doch Deutschlands „Sportler des Jahres“ weist diese Vorschusslorbeeren entschlossen zurück. „Psychologisches Geplänkel“, murmelt Greis und macht sich lieber ein paar Gedanken darüber, wie er den Norweger in Oberhof endlich besiegen könnte. Seine Taktik in Gelsenkirchen jedenfalls war, so viel hat er schon erkannt, die falsche. Insbesondere beim ersten Teil der Veranstaltung, dem Massenstart. „ Wenn man auf dieser kurzen Strecke jemanden vor sich sieht, will man ihn einholen. Aber dadurch entsteht Hektik beim Laufen“, lautet die Selbstkritik des Michael Greis, dem die Überdosis Ehrgeiz auf der Kunstschneespur am Schießstand im Stadion zum Verhängnis wurde. „Mir ist es nicht gelungen, nach dem Laufen ein bisschen Gas rauszunehmen.“ In Oberhof soll die Dosierung nun stimmen. „Mein Ziel ist es, Ole Einar dort zu schlagen“, kündigte Greis an, ahnte aber zugleich: „Wenn er so läuft wie hier, wird es schwer für mich.“

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