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Sport: Der wo wieder dabei ist

Nach fünf Jahren und einer schweren Krankheit kehrt Markus Babbel zurück zur Nationalmannschaft – mit frischem Mut und schwäbischem Akzent

Es ist nicht eindeutig zu klären, ob die Eigenheiten in der Ausdrucksweise von Markus Babbel bereits auf die Einflüsse seiner neuen, schwäbischen Heimat zurückzuführen sind oder ob es sich um eine Ehrbezeugung an den Bundestrainer Jürgen Klinsmann handelt. Babbel, Verteidiger beim VfB Stuttgart, hat den Der-wo-Relativsatz wieder in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft eingeführt, eine Spezialität des Schwaben Klinsmann, der wo früher auch immer so geredet hat. Jetzt spricht Babbel von „diesem Respekt, den wo die anderen vor uns haben“ oder von „dem einzigen Fehler, den wo ich gemacht habe“ und meint damit, dass er sich im Frühjahr 2000 wider besseres Wissen hat überreden lassen, bei der Europameisterschaft zu spielen.

Die EM endete genau so, wie Babbel es befürchtet hatte: in einem Desaster. Nach dem Turnier und seinem 51. Länderspiel gab Babbel bekannt, dass er nie mehr das Nationaltrikot tragen werde. Fünf Jahre ist das jetzt her. Und dass Babbel nun mit immerhin 32 Jahren in den Kreis der Nationalmannschaft zurückberufen wurde, ist schon bemerkenswert genug. Noch bemerkenswerter wird seine Geschichte allerdings, wenn man bedenkt, dass Markus Babbel im November 2001 noch im Rollstuhl saß.

„Ich war ganz weit weg vom Profifußball“, sagt er. So weit, dass sich Babbel nicht damit beschäftigt hat, wann er wieder Fußball spielen kann, sondern ob er jemals wieder wird gehen können. Babbel litt unter dem seltenen Guillain-Barré-Syndrom, einer Virusinfektion des Nervensystems. Bis zu den Knien hatte er kein Gefühl in den Beinen, seine Finger kribbelten permanent, und das Gesicht war zum Teil gelähmt. Babbel, 1,90 Meter groß, wog nur noch 74 Kilogramm. Und dennoch hat er Glück gehabt. Bei anderen Patienten führt die Krankheit sogar zum Atemstillstand.

Heute sagt Markus Babbel, dass sich sein Bild im Kopf total verschoben habe. In seiner ersten Karriere habe er vieles nicht mehr zu schätzen gewusst. „Ich sehe es jetzt nicht mehr als selbstverständlich an, dass man zur Nationalmannschaft kommt“, sagt Babbel. Im Gegenteil: „Ein bisschen stolz“ ist er, obwohl er zunächst nur zum erweiterten Kreis gehört und ausschließlich zum zweitägigen Fitness- und Leistungstest der Nationalspieler nach Frankfurt am Main eingeladen wurde. Wenn die Mannschaft am Samstag in Celje gegen Slowenien spielt (20 Uhr, live im ZDF) wird Babbel nicht dabei sein.

Dennoch ist der Verteidiger nicht ohne Chance, bei der Weltmeisterschaft 2006 dem deutschen Aufgebot anzugehören. „Seine Entwicklung beeindruckt uns sehr“, sagt Jürgen Klinsmann. In der Nationalmannschaft könnte der Verteidiger eine ähnliche Rolle spielen, wie er es seit dieser Saison beim VfB Stuttgart tut. Babbel ist nach seiner Rückkehr aus England mit seiner Ruhe zum Stabilisator einer jungen Abwehr geworden. „Durch seine Erfahrung kann er einer Mannschaft in ihrer Entwicklung weiterhelfen“, sagt sein Vereinstrainer Matthias Sammer.

Völlig abwegig ist es daher nicht, dass Markus Babbel den Sprung in den WM-Kader schafft. Bundestrainer Klinsmann hat in den ersten Monaten seiner Amtszeit zwar vor allem junge Spieler getestet und ihnen Spielpraxis gewährt. Das heißt jedoch nicht, dass er bei der Weltmeisterschaft auf Erfahrung verzichten wird. „Bei den Etablierten wissen wir doch, woran wir sind“, sagt Klinsmann. Markus Babbel oder Christian Wörns könnten bei der WM die nötige Erfahrung in die Innenverteidigung einbringen, Per Mertesacker oder Robert Huth, die Entdeckungen der Ära Klinsmann, als Ergänzung ihre jugendliche Unbekümmertheit. Der Bundestrainer hofft jedenfalls, dass Babbel von seinem Aufenthalt bei der Nationalmannschaft „einen kleinen Motivationsschub mitnimmt“. Unbegründet ist diese Hoffnung nicht. Er sei „schon heiß geworden auf die ganze Geschichte“, sagt Babbel. Und wenn er es tatsächlich schaffen sollte, dann wäre das „die absolute Sensation“.

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