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Trauriger Schulterblick. Luongo (r.) kann in der Finalserie nicht überzeugen.Foto: dpa

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Sport: Desaster und Demütigungen

Vor dem entscheidenden Finalspiel in der NHL hofft Vancouver auf Torhüter Roberto Luongo – trotz seiner vielen Gegentore

Berlin - Der Puck hatte gerade die Torlinie passiert, da wusste Roberto Luongo schon, was ihm bevorstand. Der Torhüter der Vancouver Canucks blickte noch bange zur Bank, doch Trainer Alain Vigneault hatte kein Erbarmen. Er beorderte Luongo vom Eis und schickte Ersatzmann Cory Schneider aufs Feld – etwas mehr als acht Minuten waren da gerade gespielt. Und Luongo komplett blamiert.

Als der 32-Jährige ausgewechselt wurde, lag sein Team im sechsten Spiel der Finalserie der nordamerikanischen Profiliga NHL bereits mit 0:3 gegen die Boston Bruins zurück. Luongo hatte in vier Minuten und elf Sekunden drei Gegentore kassiert – das war in so kurzer Zeit noch keinem Torhüter in der langjährigen Finalgeschichte passiert.

Der Kanadier nahm die Demütigung scheinbar emotionslos hin. Beim Gang in die Kabine gab es Häme von den amerikanischen Fans, doch Luongo verzog keine Miene. Wohl auch, weil er nicht zum ersten Mal in dieser Finalserie der große Verlierer war. Alle drei Spiele in Boston endeten für Luongo mit einem Desaster, insgesamt kassierte er 15 Gegentreffer. Beim 1:8 in Spiel drei hatte er seinen Trainer noch überreden können, nicht herausgenommen zu werden.

Trotz der vielen Gegentore ist Luongo der größte Hoffnungsträger der Canucks vor dem entscheidenden siebenten Spiel heute Nacht in Vancouver (2 Uhr, live bei ESPN America). Alain Vigneault hat seinem Torhüter bereits eine Einsatzgarantie gegeben: „Er wird spielen, das ist sicher.“

Der Grund, warum Vancouvers Trainer an seinem Schlussmann festhält, ist schnell benannt: Das finale Aufeinandertreffen mit den Bruins findet in Vancouver statt. Vor den eigenen Fans hat Luongo in drei Spielen erst zwei Gegentore hinnehmen müssen und überragend gehalten. Die Diskrepanz zwischen seinen Heim- und Auswärtsauftritten überrascht ihn. „Ich weiß auch nicht, warum das so ist. Ich war vor den Spielen in Boston nicht nervös und habe mich eigentlich gut gefühlt. Nur gut, dass Spiel sieben bei uns in Vancouver ist“, sprach Luongo gequält lächelnd nach der jüngsten 2:5-Auswärtsniederlage in die Fernsehkameras. Kritik von seinen Mitspielern muss Luongo aber nicht fürchten. Der olympische Goldmedaillengewinner von 2010 genießt bei den Canucks großes Ansehen. „Wir zeigen jetzt nicht mit dem Finger auf ihn. Wir gewinnen als Team und verlieren als Team“, sagt Kevin Bieksa, der gemeinsam mit dem deutschen Nationalspieler Christian Ehrhoff für das Toreverhindern bei den Canucks zuständig ist. Bieksa weiß, dass sich die schwache Leistung der Mannschaft in Boston nicht von derer Luongos unterscheidet.

Und doch fallen die vielen Gegentore auf den Torhüter zurück. Das liegt auch daran, das Luongos Gegenüber Tim Thomas in der Finalserie überragend spielt. Beide, Luongo und Thomas, zählen zu den besten Torhütern der NHL, doch in der diesjährigen Endspielserie stellt Bostons Torhüter seinen Konkurrenten klar in den Schatten. Thomas hat erst acht Gegentore hinnehmen müssen und wurde nach Spielschluss mehrfach als bester Akteur ausgezeichnet. Einen großen Anteil an Thomas’ Leistung hat Bostons deutscher Nationalspieler Dennis Seidenberg. Der 29-Jährige war in allen sechs Spielen zusammen vielleicht der beste Verteidiger der Bruins. Beim 5:2-Sieg vom Montag steuerte er eine Torvorlage bei und gewann in der Defensive fast alle wichtigen Zweikämpfe.

Dennis Seidenberg und Christian Ehrhoff haben in der NHL noch nie den Titel gewonnen. Gleiches gilt für Roberto Luongo. Ob das so bleibt, hat der Torhüter nun selbst in der Hand.

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