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Präsidial. Fritz Keller wird der neue Repräsentant des Deutschen Fußballbundes.

© Patrick Seeger/AFP

Designierter DFB-Präsident aus Freiburg: Fritz Keller steht für Ruhe und Kontinuität

Für den Deutschen Fußballbund könnte Keller als Präsident in vielerlei Hinsicht eine gute Besetzung sein. Nur an einem Punkt wird er arbeiten müssen.

Es muss irgendwann im Frühjahr gewesen sein, als beim SC Freiburg erstmals das Gerücht die Runde machte, dass der Vereinspräsident mit einem Amt in Frankfurt liebäugele. Ernstgenommen hat das damals nicht jeder. Zu sehr schien der gebürtige Freiburger Fritz Keller mit seinem Verein verbunden, dessen Präsidium er seit den frühen Neunzigern angehört. Allerdings ist Keller seit der letzten Mitgliederversammlung des Sportclub letztlich nur noch Repräsentant des Vereins. Das Machtzentrum bilden seither die beiden Vorständen Oliver Leki und Jochen Saier. Und die betonen gerne, wie reibungslos ihre Zusammenarbeit läuft.

Keller kennt hunderte Vereinsmitglieder persönlich und hat einige der gegenwärtig 230 meist mittelständischen Sponsoren selbst für ein Engagement beim SC geworben. Als informeller Außenminister hat er den Verein bestens vertreten. Doch der 62-Jährige kann sehr aufbrausend sein. Wenn ihm ein Schiedsrichterpfiff gegen den Strich geht, bekommen das oft dutzende Journalisten mit. Weder in der Vereinsführung noch im Aufsichtsrat hat das vielen Menschen gefallen.

Wer Keller darauf anspricht, erntet allerdings keine beleidigte Reaktion. „Ich weiß, dass ich manchmal nach dem Spiel zu emotional bin und dann Dinge sage, die mir kurz darauf leidtun.“ Man könne ihm glauben, schiebt er nach, dass er in dieser Hinsicht an sich arbeite. Sollte er DFB-Präsident werden, woran es seit Mittwoch keinen vernünftigen Zweifel gibt, wird er das definitiv tun müssen. Wobei Keller auch in der Vergangenheit eine Viertelstunde nach Spielende wieder ein ganz anderer Mensch war als unmittelbar nach dem Schlusspfiff. Die meisten Granden im deutschen Fußball kennen ihn als freundlichen, gewitzten Menschen. Dass es in Freiburg Usus ist, die Präsidien des jeweiligen Gegners am Tag vor dem Spiel in eines der vielen guten Restaurants im Umland einzuladen, hat seine Beliebtheit in der Branche sicher nicht geschmälert.

Zumal der vielfach ausgezeichnete Topwinzer, dessen Sohn Friedrich seit einigen Jahren eine eigene Stilistik von „Keller-Weinen“ prägt, dutzenden Anekdoten über das Leben im Dreiländereck Schweiz-Deutschland-Frankreich parat hat. „Solch ein gemeinsam verlebter Abend hat schon sehr viele Konflikte bereinigt – entweder im Vorfeld oder im Nachgang“, weiß der Genussmensch Keller, der nicht nur kulinarisch prinzipienfest ist. Die hysterischen Ausschläge des Business sind ihm von Grund auf suspekt. Er ist zutiefst davon überzeugt, dass nur Ruhe und Kontinuität Erfolge garantieren. In Freiburg musste Trainer Christian Streich seit seinem ersten Arbeitstag als Chefcoach im Januar 2012 nie um sein Amt fürchten. Wäre es anders gewesen, hätte er in Keller einen mächtigen Fürsprecher gehabt.

Inhaltlich auf einer Linie mit DFB-Vize Koch

Für den DFB könnte Keller in vielerlei Hinsicht eine gute Besetzung sein. Das Lager der Amateure ist ihm emotional näher als die investorengetriebenen Klubs in der Champions League. Für die 50+1-Regel, die den Einfluss von Investoren begrenzen soll, hat er sich zuletzt auch öffentlich massiv eingesetzt. Spätestens seitdem sich die Freiburger Ultraszene für den Bau des neuen Stadions engagierte, spricht er differenzierter und gnädiger über die „zum Teil sehr intelligenten jungen Menschen“, mit denen er vorher mehr als fremdelte. Ein überzeugter Gegner von Pyrotechnik ist er allerdings geblieben.

Inhaltlich dürfte es nicht nur in diesen Punkten keinen allzu großen Dissens zwischen ihm und dem mächtigen DFB-Vize Rainer Koch geben. Es wird spannend sein zu beobachten, ob es Keller gelingen würde, den reichen Profivereinen im Kampf um die Verteilung der Fernsehgelder mehr Zugeständnisse abzuringen als es bei seinen Vorgängern der Fall war. In Sachen sozialer Kompetenz hätte Keller gegenüber Reinhard Grindel allerdings einen riesigen Vorsprung. Während letzterer nie die Aura eines mit der Welt des Fußballs fremdelnden Technokraten loswurde, kann Keller mit Uli Hoeneß genauso auf Augenhöhe sprechen wie mit dem Trainer eines Kreisligisten aus dem Kaiserstuhl.

Auch Fragen der gesellschaftlichen Verantwortung dürften bei ihm in besseren Händen sein als zuletzt. Keller ist in vielerlei Hinsicht erzkonservativ und wittert schon bei braven DGB-Gewerkschaften klassenkämpferische Umtriebe. Doch er ist ohne Zweifel ein überzeugter Europäer, der eindringlich und glaubwürdig vor den Gefahren von Nationalismus und Intoleranz warnen kann. Schon allein deshalb, weil ihm Frankreich, Italien und die Schweiz näher sind als Schleswig-Holstein oder Berlin. Zumindest kulinarisch.

Philipp Winterhalter

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