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Sport: Deutsche Flagge, buntes Team

Die erste deutsche Yacht für den America’s Cup ist auf Segler aus dem Ausland angewiesen

Sein Traum geht in Erfüllung, aber Jochen Schümann wird ihn nicht selbst erleben, sondern nur beobachten. Der erfolgreichste deutsche Segler hatte sich immer ein deutsches Boot beim America’s Cup gewünscht, und am 16. Juni startet erstmals bei einer America’s-Cup-Schauregatta vor Valencia eine Yacht unter deutscher Flagge. Fernziel: 2007 im Kampf um die begehrteste Silberkanne des Segelsports dabei zu sein. Schümann selbst gehört jedoch nicht zum Team. Der dreifache Olympiasieger bleibt Sportdirektor der Cup-Verteidiger vom Schweizer Team Alinghi. Die deutsche Premiere verfolgt er als Konkurrent.

Mit Gunnar Bahr ist aber immerhin einer von Schümanns ehemaligen Vorschotern im Einsatz. Der Silbermedaillen-Gewinner der Olympischen Spiele von Sydney zählt zu jener kleinen Gruppe deutscher Spitzensegler, die auf Anhieb eine Chance erhalten, an Bord zu gehen. Der 30 Jahre alte Berliner Bahr sagt: „Mein Traum wäre es, irgendwann das Großsegel oder den Spinnaker zu trimmen, doch zunächst werden ich einfach auf der Position eingesetzt, auf der ich dem Team am besten helfen kann.“

Sein vielseitiger Hintergrund macht ihn zu einem begehrten Teammitglied. Der blonde Segler aus Schümanns Yachtclub Berlin-Grünau am Müggelsee ist auch für die Technik-Abteilung des United Internet Team Germany eine Bereicherung. Bahr hatte sich gerade selbstständig gemacht mit einem Unternehmen, das Bauteile aus Kohlefaser herstellt. Sein Fachwissen kann er gut einbringen: Die zwischen 24 und 26 Meter langen Hightech-Rennyachten bestehen zum größten Teil aus Kohlefaser. Jesper Bank, dänischer Skipper der ersten deutschen America’s-Cup-Herausforderung in der 154-jährigen Geschichte des Wettbewerbs, sucht Männer wie Bahr für seine Crew. Der 46 Jahre alte Doppel-Olympiasieger hat für die Auswahl der Teammitglieder gemeinsam mit Sportdirektor Andreas John genaue Kriterien festgelegt: Körperliche Maße und die physische Verfassung spielen eine wichtige Rolle, ebenso der seglerische Hintergrund. „Dazu ist uns wichtig, dass der Beruf, den die meisten Segler ja haben, ergänzende Leistung bietet.“

4:0 für Gunnar Bahr. Der Diplom-Betriebswirt bringt mit 1,85 Meter Größe und an die 90 Kilogramm Gewicht die richtige Statur für einen kraftvollen Segler mit. Seine Erfolge an der Seite Schümanns sprechen ebenso für ihn wie sein technisches Know-how. Ähnlich gute Voraussetzungen bringen der Kieler Nico Jeschonnek und der Hamburger Mathias Paschen mit. Auch sie verstärken vor Valencia die internationale Crew an Bord der deutschen Yacht.

Mehr als 200 Bewerbungen haben John und Bank in den vergangenen Monaten durchgearbeitet. Internationale, aber auch viele deutsche. Dass zunächst aber nicht einmal die Hälfte der Crew einen deutschen Pass hat, ist nicht verwunderlich. Es mangelt hierzulande an erfahrenen Seglern. Weil dem deutschen Segelsport über Jahrzehnte ein Vorzeigeprojekt auf höchstem Niveau fehlte, kann die dadurch entstandene Lücke nur langsam geschlossen werden. „In den letzten Jahren hat die deutsche Hochseeszene einen Niedergang erlebt“, sagt Jeschonnek, bislang Bootsmann von Deutschlands größter Rennyacht UCA, „doch jetzt wird es sicher aufwärts gehen.“ Ein America’s-Cup-Projekt erscheint vielen als Karrierechance in einer Sportart, von der sich die meisten bislang nicht vorstellen konnten, Geld zu verdienen. Auch der erfahrenste deutsche Big-Boat-Trimmer Mathias Paschen sagt: „Wir haben lange auf dieses Signal gewartet, jetzt ist es da.“

Mit Spannung werden die ersten Starts der Yacht bei den so genannten Louis Vuitton Acts vier und fünf vom 16. Juni an vor Valencia erwartet. Die Technik-Mannschaft hatte nur vier Wochen Zeit, eine in Italien gekaufte alte Yacht umzubauen und dem Regelwerk anzupassen. Jesper Bank und sein zunächst 35 Mann starkes Team müssten einen Blitzstart hinlegen, um Favoriten wie Alinghi oder BMW Oracle Racing gefährlich zu werden. Doch vielleicht gelingt es, manchem kleineren Konkurrenten einen Achtungserfolg abzutrotzen. Es wäre ein guter Anfang.

Sina Steinmann[Hamburg]

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