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Nils Petersen spricht bei einer Pressekonferenz am Sportzentrum Rungg.

© dpa

Deutsche Fußball-Nationalmannschaft: Das deutsche Bankgeheimnis Nils Petersen

Für den Freiburger Stürmer Nils Petersen hat Bundestrainer Joachim Löw die Rolle des Jokers mit Überraschungsmoment vorgesehen.

Timo Werner und Sandro Wagner haben einige Gemeinsamkeiten. Beide sind Stürmer, beide haben mit der deutschen Nationalmannschaft den Confed-Cup gewonnen, dazu fangen ihre Nachnamen mit W an und hören mit -ner auf. Vermutlich war das der Grund, warum Joachim Löw bei seinem ersten Auftritt in Eppan einmal Wagner sagte, als er Werner meinte. Eigentlich ist die Verwechslungsgefahr gering. Wagner ist ein wuchtiger Strafraumstürmer, Werner jemand, der mit Tempo in die Tiefe geht. Und, viel wichtiger: Werner ist einer von drei Angreifern in Löws vorläufigem Aufgebot für die Weltmeisterschaft in Russland. Wagner nicht.

Statt Sandro Wagner ist Nils Petersen dabei, dessen Nachname definitiv nicht mit W beginnt und der auch sonst ein ganz anderer Typ ist. Mit Mario Gomez, Timo Werner und eben Petersen hat Joachim Löw sein Ressort Sturm denkbar breit aufgestellt. „Jeder hat unterschiedliche Qualitäten“, sagt der Bundestrainer. Drei Feldspieler muss er noch aus dem Kader streichen. Dass es einen der drei Stürmer erwischt, ist möglich; wahrscheinlich ist es nicht – weil jeder über spezielle Fertigkeiten verfügt.

Nils Petersen, 29 Jahre, null A-Länderspiele, lobt Werner für dessen Schnelligkeit; er preist Gomez für dessen Erfahrung, seine Präsenz und seine Brechermentalität. Und er sagt von sich, dass auch er sich „gut zu positionieren weiß im Strafraum“. Besonders viele Chancen habe er zuletzt nicht gebraucht, „um auch mal ein Tor zu erzielen“. 15 waren es am Ende der Saison – so viele hat kein anderer Bundesligaspieler mit deutschem Pass geschafft. „Vielleicht kann ich das Überraschungsmoment sein, das nicht jeder kennt“, sagt der Stürmer des SC Freiburg.

Ein überraschender Moment war es schon, als sein Name im vorläufigen Aufgebot für die WM auftauchte. Petersen befand sich mit seinen Kollegen aus Freiburg auf Saisonabschlusstour und war „schon ein bisschen im Urlaubsfieber“, als er nach dem Mittagessen beim Blick auf sein Handy drei Anrufe in Abwesenheit bemerkte. Wie „aus dem Nichts“ sei die Einladung des Bundestrainers für ihn gekommen.

Dass Petersen nun in eine Reihe mit David Odonkor gestellt wird, mit der Mutter aller überraschend Nominierten gewissermaßen, liegt nahe – wird ihm aber nicht gerecht. „Es war keine Spontanentscheidung oder ein Geistesblitz von Jogi Löw“, sagt Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft. Petersen ist lange und eingehend begutachtet worden. Er kommt auf mehr als 250 Ligaspiele für Cottbus, Bayern, Bremen und Freiburg, war Torschützenkönig der Zweiten Liga, hat sich eine Saison lang bei den Bayern versuchen dürfen und 2016 in Rio die olympische Silbermedaille gewonnen.

„Man denkt immer, es hat ein Ende“, sagt Petersen über die bisherigen Höhepunkte seiner Karriere. Aber bisher ist es immer weitergegangen. Und dass nach Südtirol wirklich Schluss ist, ist keineswegs gesagt. Löw will in Eppan sehen, wie sich Petersen dem ungewohnten Niveau anpasst. „Ich traue ihm wirklich viel zu, weil er fußballerisch gut ist“, sagt der Bundestrainer. Petersen hat schon festgestellt, dass die Trainingsqualität bei der Nationalmannschaft höher ist als in Freiburg: „Du musst hier jeden Tag an die Grenze gehen, um nicht abzufallen.“ Trotzdem hegt er die Hoffnung, dass er auf diesem Niveau mitschwimmen kann. „Ich bin total heiß auf die kommenden Tage und Wochen.“

Petersen hat sein Repertoire in Freiburg noch einmal entscheidend erweitert. Früher war er ein klassischer Strafraumstürmer, der vor dem gegnerischen Tor auf den entscheidenden Moment gewartet hat. Inzwischen ist er deutlich umtriebiger. Zum Teil läuft Petersen 13 Kilometer in einem Spiel, was für einen Stürmer herausragend viel ist. So kann er für die Mannschaft selbst dann wichtig sein, wenn er nicht trifft. Und so hat er beim Sportclub den Sprung vom Joker zum Stammspieler geschafft.

Paradoxerweise hat ihm gerade sein Ruf als exzellenter Einwechselspieler den Platz in Löws Kader eingebracht. Petersen ist für die Rolle als Joker eingeplant. „Die Statistik lügt ja nicht“, sagt er. 20 Jokertore hat er erzielt, mehr als jeder andere Bundesligaspieler. Petersen kennt die Rolle, er kann sich damit anfreunden – weil er sich auf sie einlässt. „Ich bin ein Typ, der während des Spiels versucht, was aufzuschnappen, was mir helfen könnte, wenn ich eingewechselt werde“, erklärt Petersen. Man müsse geduldig bleiben, wissen, dass man trotzdem noch wichtig werden könne, „und nicht negativ damit umgehen, dass man nur auf der Bank sitzt“. Auf diese Weise kann die Geschichte für Nils Petersen tatsächlich noch richtig positiv ausgehen.

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