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Christopher Wittig (l.) und Nils Klems (r.) versuchen dem Engländer Douglas Reed im ersten Freundschaftsspiel der deutschen Futsal-Nationalmannschaft im Oktober den Ball abzunehmen.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Deutsche Futsal-Nationalmannschaft: Entwicklungsland in der EM-Quali

Die noch junge deutsche Futsal-Auswahl steht vor ihren ersten Pflichtspielen. Für die meisten Nationalspieler ist die Hallenfußball-Variante aber nicht mehr als ein Hobby.

Lennart Hartmann ist immer noch der jüngste Bundesliga-Spieler in der Vereinsgeschichte von Hertha BSC. Er ist aber auch ein gutes Beispiel dafür, wie der Traum von der großen Karriere aufgrund von Verletzungen und unglücklichen Entscheidungen zerplatzen kann. Und jetzt lässt sich an Hartmann trefflich erklären, wo der deutsche Futsal in seiner noch jungen Entwicklung steht.

Hartmann, 25 Jahre alt, gehört zu den besten deutschen Spielern in der von der Fifa offiziell anerkannten Hallenfußballvariante. Eigentlich ist er fester Bestandteil der im vergangenen Jahr gegründeten Nationalmannschaft. Im ersten Freundschaftsspiel der deutschen Auswahl im Oktober erzielte er gegen England (5:3) sogar ein Tor. Wenn das Team am Donnerstag in Lettland gegen Armenien (15.30 Uhr, live auf Sport1) erstmals in eine Qualifikation für ein großes Turnier startet, ist Hartmann aber nur Zuschauer. „Lennart war bei den letzten Lehrgängen nicht dabei und steht nicht im 14-Mann-Kader für die EM-Quali“, sagt Futsal-Bundestrainer Paul Schomann. Hartmanns Abwesenheit hat jedoch nicht mit seinen Leistungen zu tun. Futsal hat für den Ex-Profi schlicht keine Priorität. „Ich habe momentan einfach keine Zeit“, sagt Hartmann. Der Berliner studiert an der Freien Universität Jura. Zudem spielt er für die VSG Altglienicke in der Fußball-Oberliga. Dass das Spiel in der Halle, selbst als Nationalspieler und Deutscher Vizemeister mit dem FC Liria, da nur an dritter Stelle kommt, sagt einiges aus über den Stellenwert von Futsal in Deutschland.

Deutschland ist ein Futsal-Entwicklungsland

„Futsal macht mir sehr viel Spaß, unter den jetzigen Bedingungen kann es aber nicht mehr als ein Hobby sein“, sagt Hartmann. „Das sind die Schwierigkeiten, mit denen wir es in dieser frühen Phase der Entwicklung zu tun haben“, ergänzt Schomann. Geld gibt es im Futsal kaum und auch die Trainings- und Wettkampfbedingungen sind von Professionalität weit entfernt. Die meisten Teams trainieren höchstens einmal die Woche. Fast alle Nationalspieler sind parallel im Fußball aktiv.

„Die Strukturen fehlen in vielen Bereichen noch“, bemängelt Schomann. Eine hochklassige Liga mit regelmäßigen Wettkämpfen sowie futsal-spezifisches Training seien unerlässlich für die Weiterentwicklung. Denn anders als im Fußball ist Deutschland im Futsal ein Entwicklungsland. Auf der iberischen Halbinsel, aber auch in Italien und Russland gibt es Profiligen. „Mittelfristiges Ziel muss es sein, dass wir in drei bis fünf Jahren einen Pool an reinen Futsal-Spielern haben“, sagt Schomann. Einfach wird das nicht, denn noch mangelt es an den elementarsten Dingen, an Trainern oder an Hallenzeiten.

Ob in dem vom Nationaltrainer angedachten Zeitraum viele Futsaler dem Fußball den Rücken kehren? „Als Sport gefällt mir Futsal mittlerweile besser“, sagt Hartmann. Er schätzt das enge Spielfeld, die vielen Ballaktionen und das hohe Tempo in der Halle. Doch wenn sich die Termine überschneiden, entscheiden sich viele Spieler immer noch für Fußball – weil es dort selbst in Amateurligen schon Geld zu verdienen gibt.

"Das Warten auf die Nationalmannschaft hat sich gelohnt"

Ganz anders sind die Prioritäten bei Durim Elezi verteilt. Der Berliner steht für die EM-Qualifikation im deutschen Kader und spielt schon seit zehn Jahren in der Halle. „Futsal kommt für mich an erster Stelle“, sagt Elezi. Zwar ist er mit seiner starken Technik auch ein gefragter Fußballer, Futsal-Termine gehen aber vor. „Wenn ich zu einem Fußball-Verein gehe, ist das meine Bedingung“, sagt Elezi. Die Entwicklung in Deutschland sieht er positiv, auch wenn der Abstand zu den traditionellen Futsal-Nationen noch groß ist. „Wir haben so lange auf eine Nationalmannschaft warten müssen“, sagt Elezi, „doch es hat sich gelohnt.“

In den Qualifikationsspielen rechnen sich sowohl Elezi als auch Nationaltrainer Schomann Chancen aus – auch wenn Deutschland nicht favorisiert in die Spiele gegen Armenien, Lettland (Freitag, 18.30 Uhr) und Estland (Sonntag, 13 Uhr) geht. Dass die EM-Qualifikation live im Fernsehen übertragen wird, ist ein weiterer Mosaikstein in der Entwicklung, die die Verbände unter anderem durch die Austragung von Hallenturnieren im Jugendbereich nach Futsal-Regeln in Gang setzen wollen. „Es dauert eine Generation, bis man den Effekt der Maßnahmen richtig sieht“, sagt Schomann. Schaden würden gute Ergebnisse des DFB-Teams aber sicher nicht.

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