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Rekordnationalspieler Lothar Matthäus (l) und der einstige Bundestrainer Berti Vogts.

© Oliver Berg/dpa

Deutsche Nationalmannschaft: Die dilettantische Bundestrainer-Suche des DFB

Wenn der Deutsche Fußball-Bund auf Trainersuche war, gestaltete sich das häufig peinlich. Ein kleiner Rückblick vor der Entscheidung Joachim Löws.

Der Legende nach gibt es in Deutschland ungefähr 80 Millionen Bundestrainer. Man darf diese Zahl ruhig für leicht übertrieben halten, auch wenn es eine Menge Leute gibt, die es immer besser zu wissen glauben als der eine, der das Amt tatsächlich ausübt. Natürlich würden sie es besser machen, wenn man sie nur ließe. Davon war auch der E-Jugend-Trainer des TSV Brunnthal überzeugt, der vom Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zum Bundestrainer befördert worden war. Er hatte sogar schon angefangen, ein schönes Konzept zu schreiben, wie er die Nationalmannschaft zu neuem Glanz führen würde. Dummerweise rief der DFB-Präsident 17 Stunden später noch einmal an, um dem E-Jugend-Trainer des TSV Brunnthal mitzuteilen, dass er leider doch nicht Bundestrainer werde könne.

Die Geschichte hat sich wirklich so zugetragen. Im Spätsommer 1998 war das. Der DFB-Präsident hieß Egidius Braun, er war auch wirklich am Telefon und nicht etwa ein Stimmenimitator. Die E-Jugend des TSV Brunnthal wurde von Paul Breitner trainiert, und nachdem sich Braun auf der Suche nach einem Nachfolger für Berti Vogts ein paar prominente Absagen eingefangen hatte, war er auf die Idee gekommen, den vielleicht schärfsten Kritiker der herrschenden Zustände in die Verantwortung zu nehmen. Breitner fand die Idee wohl durchaus charmant, prophezeite Braun allerdings schon beim ersten Telefonat, „dass er mich nicht durchbringen würde beim Präsidium, weil zu viele Leute dort vor mir Angst haben“. Am Ende entschied sich der DFB für den 61 Jahre alten Erich Ribbeck. Vor dem musste niemand Angst haben.

Zwanzig Jahre später droht der DFB in eine ähnliche Situation zu geraten. Bundestrainer Joachim Löw soll im Laufe dieser Woche seine Entscheidung bekannt geben, ob er sich noch für den Richtigen hält. Der Deutsche Fußball-Bund und vor allem dessen Präsident Reinhard Grindel haben dem 58-Jährigen bereits eine Blankovollmacht ausgestellt und eine schnelle Zusage angemahnt. Das kann man naiv und unprofessionell finden, wird jedoch zumindest ein bisschen verständlicher, wenn man sich anschaut, wie sich der DFB in der Vergangenheit präsentiert hat, wenn er kurzfristig einen neuen Bundestrainer brauchte. Das war oft ziemlich peinlich.

"Episode mit beispiellosem Unterhaltungswert“

Nicht nur 1998, aber da ganz besonders. Nach dem Viertelfinalaus bei der WM hatte der Bundestrainer noch weitermachen dürfen, nach zwei unbefriedigenden Testspielen gegen Malta (2:1) und Rumänien (1:1) aber erklärte Vogts seinen Rücktritt. Über den möglichen Nachfolger waren sich Braun und die Öffentlichkeit ausnahmsweise einig. Jupp Heynckes, der vier Monate zuvor mit Real Madrid die Champions League gewonnen hatte, sollte den Posten übernehmen. Braun empfing Heynckes bei sich zu Hause in Aachen, alles schien sich in Wohlgefallen aufzulösen, doch dann sagte der Wunschkandidat mit Rücksicht auf seine Frau ab. Es folgte, wie der „Spiegel“ damals schrieb, „eine Episode mit beispiellosem Unterhaltungswert“, in deren Verlauf nicht nur Paul Breitner neuer Bundestrainer werden sollte, sondern auch Uli Stielike, der letztlich aber lediglich den Assistenten für den überforderten Erich Ribbeck geben durfte.

Zwei Jahre später, nach dem Vorrundenaus bei der Europameisterschaft, fiel die Suche nach Ribbecks Nachfolger kaum weniger irrlichternd aus. Wunschkandidat war Ottmar Hitzfeld, doch den wollte der FC Bayern München nicht freigeben. So kam es zum Gipfeltreffen des deutschen Fußballs mit Vertretern des DFB, der Bayern und von Bayer Leverkusen auf neutralem Terrain in Köln. Man verständigte sich auf Leverkusens Trainer Christoph Daum als neuen Bundestrainer – allerdings erst nach Ablauf der neuen Saison. Gesucht wurde also ein Mann für den Übergang, „und plötzlich haben mich alle angeschaut“, hat Rudi Völler einmal erzählt. Völler, 40 Jahre alt und Bayers Sportdirektor, hatte noch nie als Trainer gearbeitet, nicht einmal eine Lizenz. Dank Daums Drogengeschichte blieb er vier Jahre Teamchef, mit dem Einzug ins WM-Finale 2002 als Höhe- und dem Scheitern in der Vorrunde bei der EM 2004 als Tiefpunkt.

Völler brauchte keine Bedenkzeit

Anders als Löw in diesen Tagen brauchte Völler im Sommer 2004 keine Bedenkzeit. Noch in der Nacht nach dem letzten Gruppenspiel traf er eine Entscheidung, am nächsten Morgen gab er seinen Rücktritt vor der Presse bekannt – und stürzte den DFB damit zwei Jahre vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land in eine existenzielle Krise. Anders als im Sommer 2000 war der Wunschkandidat Hitzfeld diesmal zwar verfügbar und Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder sicher, ihn für den Job des Bundestrainers zu gewinnen. Doch Hitzfeld sagte ab, genau wie Otto Rehhagel, der sich den Griechen verpflichtet fühlte, die er in Portugal überraschend zum EM-Titel geführt hatte.

Der DFB richtete eine Trainerfindungskommission ein, die dank eines Hinweises von Berti Vogts schließlich Jürgen Klinsmann fand. Als dessen Assistent kam auch Joachim Löw zum DFB, von dem Reinhard Grindel jetzt inständig hofft, dass er sich zum Weitermachen entschließt. Wenn man weiß, dass Mayer-Vorfelder auch wegen der dilettantischen Bundestrainersuche im Sommer 2004 seine Macht einbüßte und letztlich seinen Posten verlor, kann man das sogar ein bisschen verstehen.

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