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Belebendes Element. Leroy Sané blieb torlos und brachte doch Schwung ins deutsche Spiel.

© FRANCK FIFE / AFP

Die Offensivschwäche hält an: Nationalmannschaft: 50 Schüsse für ein Tor

Leroy Sané, Timo Werner und Serge Gnabry bringen viel Schwung, die Probleme mit der Chancenauswertung beheben aber auch die jungen Offensivkräfte nicht.

Es ist unstrittig, dass Leroy Sané den Ball spielte. Er war sowohl anhand seiner Rückennummer als auch seiner Frisur zweifelsfrei zu erkennen. Der Weg des Balles, den Sané in die Mitte spielte, endete am Oberarm des französischen Verteidigers Presnel Kimpembe, und weil Toni Kroos den daraus resultierenden Elfmeter zum 1:0 verwandelte, wird niemand Sané die Beteiligung an diesem Treffer absprechen können. In den offiziellen Statistiken aber taucht sie nirgendwo auf. Für Sanés persönliche Bilanz wäre es besser gewesen, wenn er sich von Kimpembe im Strafraum hätte foulen lassen, dann wäre ihm ein Scorerpunkt zugeschrieben worden. So aber bleibt es für den 22-Jährigen bei einem Assist in nun 15 Länderspielen.

Sanés Beitrag zur großen Geschichte des deutschen Fußballs ist also halbwegs überschaubar, und trotzdem – oder gerade deswegen – ist er zuletzt mehr und mehr zum Heilsbringer aufgestiegen. Aus England erzählt man sich Heldengeschichten über den jungen Mann, der für Manchester City regelmäßig Tore schießt und vorbereitet. Inzwischen gibt es sogar eine Alternativversion der Weltmeisterschaft in Russland – mit Sané im Kader der Nationalmannschaft, was für die Deutschen natürlich ein deutlich besseres Ende zur Folge gehabt hätte. Mit harten Fakten belegen lässt sich diese Version noch nicht.

Leroy Sané hat auch bei der unglücklichen Niederlage gegen Frankreich weder ein Tor vorbereitet noch geschossen. Er hat im Gegenteil sogar eine gute Konterchance durch einen schlampigen Pass zunichte gemacht. Und trotzdem war er eine Bereicherung für das deutsche Spiel. „Er hat mir gut gefallen“, sagte Kapitän Manuel Neuer, „wie die anderen beiden Spieler, die vorn gespielt haben.“

Nur neun Tore in elf Spielen im Jahr 2018

Bundestrainer Joachim Löw hatte mit Sané, Timo Werner, 22, und Serge Gnabry, 23, drei Offensivspieler aufgeboten, die nicht nur jung, sondern auch auf flinken Füßen unterwegs sind. Der Plan funktionierte, die Franzosen wurden von der neuen Dynamik im deutschen Spiel und dem ungewohnten Drang in die Tiefe fast ein wenig überrumpelt. „Wir konnten ihnen schon weh tun“, sagte Neuer, „aber nicht genug.“

Auch in neuer Besetzung litt die Nationalmannschaft an einem alten Problem: Sie trifft das Tor nicht mehr. In den elf Spielen dieses Jahres sind ihr gerade mal neun Treffer gelungen; in sechs Pflichtspielen ging sie viermal leer aus, und von den lediglich drei Treffern fiel nur einer aus dem Spiel heraus. „Man muss an der einen oder anderen Stelle konkreter sein“, sagte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff, der sich früher als Stürmer dadurch ausgezeichnet hat, vor dem Tor sehr konkret zu sein.

Einen Bierhoff aber hat Löw nicht, und wenn man sich die Besetzung der U-Nationalmannschaften anschaut, wird er auch so schnell keinen bekommen. Also besetzte er den Sturm gegen die Franzosen mit drei Spielern, die eher mit Anlauf kommen, als im Strafraum auf Zuspiele zu warten. Trotzdem kamen die Deutschen zu guten Chancen. „Aber die Kaltschnäuzigkeit fehlt uns noch ein bisschen“, klagte Neuer.

Sie fehlt der Mannschaft seit Monaten. Schon bei der Weltmeisterschaft schoss keine andere Mannschaft in der Vorrunde so oft aufs Tor wie die Deutschen, und auch in den drei Spielen der Nations League gaben sie bereits 50 Torschüsse ab. 50 Schüsse für einen Treffer – durch den von Kroos gegen Frankreich verwandelten Elfmeter. Dass das nicht nur eine Frage des Alters und der Erfahrung ist, zeigt das Beispiel Thomas Müller, der am Dienstag lange auf der Bank blieb. In den vergangenen 14 Einsätzen für die Nationalmannschaft hat er genau ein Tor erzielt.

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