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Deutsche Schwimmer: Weiche Knie auf dem Startblock

Der Deutsche Schwimmsport steht wieder einmal vor sportlichen Trümmern. Auch weil die Athleten der Weltklasse aus dem Weg gehen und ihnen deshalb die Härte für Olympia fehlt.

Markus Deibler twitterte sofort die gute Nachricht: Er rückte gestern ins Finale über 200 Meter Lagen. Eigentlich war er ausgeschieden als Neunter im Halbfinale, aber der Südafrikaner Chad le Clos verzichtete auf seinen Finalplatz. Und obwohl Deibler am Donnerstagabend nur Achter wurde, hübschte dieser Glücksfall die bisher miese Bilanz der deutschen Schwimmer im Aquatic Centre auf. Zwei Medaillen im Beckenschwimmen sind die Vorgabe des Deutschen Olympischen Sportbunds. Null Medaillen ist der Wert, den die Deutschen gerade anpeilen.

Britta Steffen fällt als Medaillenhoffnung wohl endgültig aus. „Ich fühle mich stark. Ich habe so hart trainiert wie noch nie in meinem Leben. Ich habe gekämpft wie eine Wildsau.“ Wie ein Symbol von Kraft und Stärke stand sie nach dem Halbfinale über 100 Meter Freistil da. Nur hatte die kämpfende Wildsau leider das Finale verpasst. Es fehlte die Kraft, um auch nur annähernd an die Zeit zu kommen, die sie bei den deutschen Meisterschaften erreicht hatte.

Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) steht also wieder vor sportlichen Trümmern. In Peking 2008 hatte es wenigstens noch zweimal Gold durch Steffen gegeben. Und jetzt? Serienweise schlugen die deutschen Athleten langsamer an als bei den Meisterschaften in Berlin.

„Der internationale Schwimmsport hat unheimlich an Niveau gewonnen. Wir haben Mühe, in der gleichen Schrittlänge mitzuhalten“, stöhnte DSV-Sportdirektor Lutz Buschkow. Stellt sich die Frage nach den Ursachen. Bis jetzt kommt von den Verbandsexperten das große Schulterzucken. Die Rahmenbedingungen scheiden als Ursache aus. Die Normen wurden aufgeweicht. Erstmals gab es zwei Qualifikationschancen, in Berlin und bei der EM. Der Zeitraum zwischen Titelkämpfen und Olympia wurde so gelegt, wie die Trainer das wollten. Sogar die eher karge Unterkunft im Olympischen Dorf wurde simuliert. Beim Abschlusstrainingslager in Hamburg nächtigten die deutschen Spitzenschwimmer in einem nüchternen Sporthotel. Im Training erzielte Britta Steffen sogar ausgezeichnete Zeiten, ihr Trainer Norbert Warnatzsch hatte ja alles protokolliert. Und bei den deutschen Meisterschaften überraschten viele Protagonisten mit sehr starken Zeiten.

Warum also das Fiasko von London? Die Psyche, darauf reduziert sich wieder vieles. Fehlende Wettkampfhärte, weiche Knie auf dem Startblock, wenn Weltstars neben einem stehen. Einer wie Marco Koch stellt im Training exzellente Zeiten auf, sie sind so stark, dass sein Coach Dirk Lange, der frühere Bundestrainer, ganz begeistert davon erzählt. Aber in großen Wettkämpfen, da versagt Koch in der Regel. Gut, im deutschen Team stehen viele Neulinge, aber auch die Routiniers schwimmen ihren Bestzeiten hinterher.

Noch immer gehen viele deutsche Schwimmer Meetings der Weltklasse aus dem Weg. Wenn der kompromisslos harte Trainer Jörg Hoffmann in Potsdam ein Trainingslager mit internationalen Weltklasseathleten organisiert und dazu deutsche Athleten einlädt, kassiert er Absagen mit fadenscheinigen Begründungen.

Bei Britta Steffen ist bekannt, wie sehr die Psyche eine Rolle spielt. Nun fällt sie ins andere Extrem und gibt sich demonstrativ gelassen. Da ist auch Show dabei, sie hat ganz bestimmt Wettkampfspannung. Nur ist die Frage, wie sehr jemand auf sein Rennen fokussiert ist, der, wie Steffen bei ihrem Halbfinalrennen über 100 Meter Freistil, zu den Zuschauerrängen grüßt wie ein verlegenes Schulmädchen.

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