zum Hauptinhalt
Dimitrij Ovtcharov (links) und Timo Boll bei der Ursachenforschung nach dem 0:3 gegen China.

© dapd

Deutsche Tischtennis-Männer: Finalniederlage als Motivation für Olympia

Nach dem 0:3 im WM-Finale gegen China blicken die deutschen Tischtennisspieler voraus: Bei den Olympischen Spielen im Sommer in London will das Team den Chinesen möglichst noch näher kommen.

Als Trostpreis bekam Timo Boll von einer jungen Dame einen chinesischen Glückskeks geschenkt. Boll setzte seine Tasche ab, brach den Keks auf, und als er die Botschaft darin vorlas, fing er an zu lachen: „Sie können große Fortschritte machen. Wenn sie hart arbeiten.“ Für Boll und die anderen deutschen Tischtennisspieler war das genau die richtige Losung, sie hatten das Weltmeisterschaftsfinale in Dortmund gerade 0:3 gegen China verloren, das Gleiche soll ihnen in knapp vier Monaten bei den Olympischen Spielen in London nicht noch einmal passieren. Große Fortschritte in kurzer Zeit durch harte Arbeit, so könnte es klappen. „Wir haben durch diese Niederlage größte Motivation bekommen, uns weiter ranzuarbeiten“, sagte Boll. „Uns bleiben jetzt Hoffnung und Ehrgeiz.“

Eine Panne ganz am Ende des Turniers zeigte, wie es gerade aussieht im Tischtennis. Bei der Siegerehrung der Frauen lief die chinesische Hymne einmal, zweimal, dreimal hintereinander. Erst beim dritten Ansatz merkten die Veranstalter, dass sich Chinas Melodie wiederholte. Der Erfolg ist gerade bei den chinesischen Männern zur Endlosschleife geworden, zum sechsten Mal haben sie am Sonntag den WM-Titel in Serie gewonnen. Und das obwohl Jörg Roßkopf und Liu Guoliang, der deutsche und der chinesische Männertrainer, von der besten deutschen Mannschaft sprachen, die es je gegeben habe.

Es war auch vielleicht die beste Mannschaft, aber nicht der beste Timo Boll. In seinem Einzel gegen Weltmeister Zhang Jike spielte Boll zwar aggressiv und risikofreudig wie selten oder nie zuvor. Doch er hätte noch mehr Sicherheit gebraucht, um ein paar Punkte mehr zu machen. „Das liegt dann auch an den fehlenden Trainingseinheiten“, sagte der 31-Jährige. Wegen Krankheiten und Verletzungen hatte Boll seit Monaten keine längere Phase mit härteren Einheiten absolvieren können. „Ich will bis Olympia jetzt richtig Gas geben“, sagte Boll, stockte und korrigierte sich, „aber auch nicht zu viel, denn da liegt für mich die Gefahr.“ Den Weg, um die Übermacht China zu besiegen, scheinen Boll und Bundestrainer Roßkopf zu kennen, auch wenn sie sich dafür bei einer anderen Sportart bedienen müssen.

„Wir müssen den Spagat schaffen zwischen Anstrengung und Lockerheit“, sagte Roßkopf. Das war ihnen zuletzt nicht gelungen, denn bei diesem Spagat hatte sich Boll verletzt. Im vergangenen Jahr hatte er wieder zwei Monate in China zum Trainieren und Spielen verbracht. Angeschlagen kehrte er aus China zurück und kam nicht mehr richtig in Tritt. Mental wirkte er frisch in Dortmund. „Ich war nicht so überspielt wie sonst manchmal“, sagte er. Sonst hätte er sich wohl nach einem 0:2-Satzrückstand nicht mehr in den fünften Entscheidungssatz gekämpft, doch es fehlte noch etwas. „Man muss sich immer erst wieder an die Schlaghärte der Chinesen gewöhnen und akklimatisieren“, sagte Boll. Er und seine Mitspieler seien es nicht gewohnt, dass ihnen der Ball mit so viel Druck und Tempo entgegenfliegt. „Das ist das Geheimnis des chinesischen Spiels. Die kennen das jeden Tag aus dem Training.“

Mit Dimitrij Ovtcharov verfügt die deutsche Mannschaft inzwischen über einen zweiten Spieler aus den Top Ten der Weltrangliste, von allen Deutschen spielte er das beste Turnier – bis zum Finale. Da klemmte seine sonst so starke Rückhand gegen den Weltranglistenersten Ma Long und er verspielte eine hohe Führung. „Ich wollte zu schnell den Punktgewinn“, sagte Ovtcharov und seufzte anschließend nur noch: „Schade“. Boll hat dafür mit der Erfahrung aus mehreren entscheidenden Spielen gegen Chinesen einen Ratschlag für seine Teamkollegen. „Wir müssen noch einen Tick ruhiger werden in diesen Spielen. Aber das Gefühl dafür bekommt man nur in solchen Situationen, deshalb ist diese Erfahrung Gold wert.“ An dieses Endspiel wollen sie sich also noch mindestens so lange erinnern, bis ihnen auf der anderen Seite des Tisches wieder die Chinesen gegenüberstehen.

Zur Startseite