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Perfekte Hinhaltetaktik. Georg Grozer (9) und Max Günthör (15) blocken gegen Kubas Wilfredo Leon. Ein Sieg am Sonntag gegen Tschechien reicht Deutschland, um sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.

© dpa

Deutsche Volleyballer: Per Achterbahn nach London

Die deutschen Volleyballer besiegen Kuba in der Olympiaqualifikation nach dramatischem Spiel 3:2 und haben damit das Ticket nach London fast sicher.

Kuba ist ein Land, das nun wirklich nicht mit monetären Reichtümern gesegnet ist. Die im Volleyball üblichen Scouts können sie sich auf der Karibikinsel nicht leisten, und als die angeforderten Videos im Land eintrafen, „waren wir schon auf dem Weg nach Deutschland“, berichtete Orlando Samuels Blackwood. Und so wollte der kubanische Trainer am Premierentag der Olympia-Qualifikation in der Berliner Max-Schmeling-Halle den ersten Satz der Deutschen gegen Außenseiter Indien begutachten, „um eine Strategie zu entwickeln“. Die Mühe hätte er sich getrost sparen können, denn Bundestrainer Vital Heynen ließ seine Stammbesetzung am Freitag auf der Bank, um sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Einen Tag später, bei der Begegnung gegen den Vizeweltmeister von 2010 brachte der Belgier dann seine stärkste Formation.

Das war auch nötig in einem denkwürdigen Spiel, das wie eine Achterbahnfahrt verlief. Zwei Sätze gewannen die Deutschen, die Kubaner kamen zurück und holten sich die Durchgänge drei und vier, im fünften Satz wehrten die Gastgeber drei Matchbälle ab, um ihrerseits den dritten zu verwandeln. In Zahlen ausgedrückt, sah das Kunstwerk so aus: 3:2 (25:21, 25:17, 21:25, 17:25, 20:18). Während die Kubaner ihre Trauer nicht zurückhalten konnten, fielen die deutschen Spieler jubelnd übereinander her, während 4550 Zuschauer in der Max-Schmeling-Hall kollektiv ausrasteten. „Wahnsinn“, sagte Marcus Popp, „wir haben heute vor allem deshalb gewonnen, weil alle bis zum letzten Ball hinter uns gestanden haben.“ Und sein Kollege Marcus Böhme betonte, „die Kulisse war heute der winzige Unterschied, der am Ende den Ausschlag gibt. Und der unbedingte Wille, es zu machen.“ Vital Heynen fand einen anderen Ansatz: „Als es eng wurde, haben wir die Ruhe bewahrt“, sagte der Bundestrainer, „das war entscheidend“. Kapitän Björn Andrae sprach vom „wichtigsten Sieg seit Jahren“.

Wer dabei war, wird diese Partie so schnell nicht vergessen. Das deutsche Team zeigte in den ersten beiden Sätzen eine unglaublich präsente Vorstellung. So stark hat man diese Mannschaft seit vielen Jahren nicht gesehen. „Da haben wir am obersten Limit gespielt“, sagte Böhme, „viel besser geht es nicht.“ Vor allem Georg Grozer begeisterte mit seiner Angriffswucht. Gegen die Aufschläge von „Hammer Schorsch junior“ fanden die Kubaner kein Mittel, am Ende hatte der überragende Akteur auf dem Feld 35 Punkte gesammelt. Als Grozer Mitte des zweiten Satzes einen Gegner mit einem Service abschoss, steigerte sich der Lärmpegel in ungekannte Bereiche.

Die Leistung des Diagonalangreifers ist nicht hoch genug zu bewerten, nach dem Spiel berichtete Grozer, er habe wegen einer Lebensmittelvergiftung fast eine Woche lang kaum trainieren können. Das ist wohl auch ein schlüssiger Erklärungsansatz dafür, dass Deutschlands bester Spieler in den Sätzen drei und vier nicht mehr so durchschlagskräftig agierte. Kuba kam, die sprunggewaltigen Athleten zeigten nun, dass auch sie zu außergewöhnlichen Leistungen fähig sind. Im Tiebreak begegneten sich die beiden Kontrahenten erstmals auf Augenhöhe, der entscheidende Durchgang war nichts für schwache Nerven. Den dritten Matchball verwandelte Georg Grozer – wer sonst?

Die Fahrkarte für London ist allerdings noch nicht gelöst. Am Sonntag um 17 Uhr steht der finale Schritt gegen Tschechien auf der Agenda, Deutschland muss auch dieses Spiel gewinnen, um den Traum von Olympia zu realisieren. „Es ist noch nichts in trockenen Tüchern“, sagt Marcus Böhme: „Wir müssen jetzt erst einmal runter kommen, gut schlafen und morgen wieder Gas geben.“

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