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Lennard Kämna bejubelt seinen ersten Etappensieg bei der Tour de France.

© Reuters

Deutscher Etappensieger bei der Tour de France: Lennard Kämna zieht die Freikarte ins Glück

Beim dritten Versuch hat es geklappt mit dem Etappensieg von Lennard Kämna bei der Tour de France. Doch der 24-Jährige Norddeutsche hat noch viel mehr vor.

Die Erleichterung brach sich auf dem Zielstrich Bahn. Lennard Kämna richtete in Villard-de-Lans erst seinen schmalen Oberkörper auf, breitete dann die Arme aus und stieß mit einer Faust in den Himmel. „Wir haben hier als Team so viel versucht, und es war nie das Glück auf unserer Seite. Heute aber hat alles gepasst“, meinte er und strahlte mit der Sonne über dem Alpenvorland um die Wette.

Seine Taktik ging diesmal auch deshalb auf, weil er genau wusste, wann er angreifen musste. „Ich wollte es nicht auf einen Sprint ankommen lassen, das war mir wichtig. Auf so einem Zwei-Kilometer-Berg, der nicht sehr steil ist, bin ich nicht der Stärkste. Meine Stärke ist, über die Kuppe Vollgas rüberzufahren. Dann ging es leicht bergab, da konnte ich sehr gut treten", erzählte er. Seinen schlanken Körper machte er dabei noch kleiner, bot wenig Luftwiderstand. In solch einer Position muss man erst einmal Kraft auf die Pedale bringen können. Kämna, ein Stilist auf dem Rad, kann das.

Mit seinem Etappensieg hat er einen neuen Status erreicht. Angedeutet hatte sich das schon früher. Auch bei der letzten Tour de France, seiner Debüt-Tour, kämpfte er in Fluchtgruppen in den Bergen um den Etappensieg, wurde Vierter und Sechster. Bei dieser Tour stieg er mit Platz zwei ein, musste sich im Zentralmassiv lediglich dem Kolumbianer Daniel Martinez geschlagen geben. Am Dienstag suchte er viel früher die Entscheidung. Das zeigt, wie steil seine Lernkurve ist.

Als eines der größten Talente des deutschen Radsports galt er schon länger. 2014 wurde er Juniorenweltmeister im Zeitfahren, ein Jahr später U-23-Weltmeister im Straßenrennen. Einen neuen Jan Ullrich sahen da schon viele in ihm. Im zarten Alter von 20 Jahren bekam er seinen ersten Profivertrag beim deutschen Rennstall Sunweb. Danach folgte eine Leistungsdelle. Die hatte auch mit Überdruss am Radsport zu tun. „Ich stand damals nicht zu hundert Prozent hinter meinem Sport“, blickte Kämna jetzt in der Stunde seines größten Triumphs auf diese Zeit zurück. Er ging damals zu einem Sportpsychologen. „Meinen Kopf resetten“ nannte Kämna das. Das gelang, auch weil ihm sein damaliges Team Sunweb die Zeit dafür gab.

Kämna hatte früher Zweifel, ob Radsport das Richtig für ihn ist

Jetzt bei Bora hansgrohe kommen zum klaren Kopf auch wieder die extrem starken Beine. Kämna, der als exzellenter Zeitfahrer begann, hat auch an Ausdauervermögen zugelegt, kann in den Bergen derzeit mit den besten 20 mithalten. Dass es nicht die besten zehn sind, liegt auch an den drei Stürzen, in die er zu Beginn der Tour verwickelt war.

In der ersten Woche hatte er da mehr mit sich selbst zu tun, konnte auch beim immer verzweifelter wirkenden Versuch, den angeschlagenen Kapitän Emanuel Buchmann zu unterstützen, nicht die erwartete und erhoffte Leistung abliefern. Kämna war da mit sich selbst unzufrieden. Er vertraute aber eben auch darauf, dass die Schmerzen einmal abklingen und die alte Form zurückkehren wird.

Auf seine weitere Zukunft angesprochen treten sowohl er als auch sein Team auf die Euphoriebremse. „Wir werden sehen, ob er ein Klassementfahrer wird für einwöchige oder dreiwöchige Rundfahrten. Vielleicht wird er auch ein guter Fahrer für die Ardennenklassiker. Wir werden ihn Schritt für Schritt entwickeln“, meinte Teamchef Ralph Denk.

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Kämna selbst sieht sich als potenziellen Klassementfahrer. „Ob es für drei Wochen reicht, werden wir in den nächsten Jahren sehen. Jetzt freue ich mich erst einmal darüber, dass ich auch aus Fluchtgruppen heraus auf Etappenjagd gehen kann“, sagte er. Wie schnell der Traum vom Podium zerbröseln kann, kann er aktuell beim vier Jahre älteren Emanuel Buchmann beobachten. Der letztjährige Tour-Vierte Buchmann konnte wegen seiner Sturzverletzungen nicht mit den Besten mithalten.

Kämna fährt gegenwärtig noch in einer anderen Kategorie – der eines möglichen zukünftigen Champions. Der seine Kräfte aktuell nicht über drei Wochen beweisen, sondern sie auf einzelne Tage konzentrieren kann. Diese Freikarte zum Ausreißen spielt er gegenwärtig aber perfekt aus.

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