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Wenig Erbauliches: Laura Ludwig (links) und Margareta Kozuch schieden bei der Beachvolleyball-WM in Hamburg bereits früh aus.

© Axel Heimken/dpa

Deutsches Debakel bei der Beachvolleyball-WM: Volle Ränge, leere Augen

Die Aufmerksamkeit für die Beachvolleyball-WM ist groß – doch die deutschen Athleten erfüllen die hohen Erwartungen nicht: Nur ein Team steht im Achtelfinale.

Mitte des zweiten Satzes, als die Niederlage gegen die US-Amerikanerinnen Sara Hughes und Summer Ross nicht mehr abzuwenden war, musste Margareta Kozuch den Arzt konsultieren. Die Blockspielerin, die seit einem halben Jahr mit Olympiasiegerin Laura Ludwig ein Team bildet, nahm eine medizinische Auszeit, weil sie akute Atemprobleme hatte. Doch auch diese Pause half nichts, ebenso wenig wie die lautstarken Anfeuerungsrufe der Rekordkulisse von 10 000 Zuschauern im Stadion am Rothenbaum – das Aus war nicht aufzuhalten.

Die deutliche 0:2-Niederlage war der Tiefpunkt dessen, was über die deutschen Beachvolleyballer hereinbrach am vergangenen Mittwoch bei der Weltmeisterschaft in Hamburg. Bis dahin war es auch sportlich so gelaufen, wie es alle erhofft hatten. Doch innerhalb von wenigen Stunden schieden von den zehn deutschen Teams, die an den Start gegangen waren, sechs aus. Es war für die in den vergangenen Jahren so erfolgsverwöhnten Beachvolleyballer nicht weniger als ein Debakel.

Auch für die Zuschauer war es bitter, miterleben zu müssen, dass Teams wie Victoria Bieneck und Isabel Schneider oder auch Sandra Ittlinger und Chantal Laboureur bereits in der ersten K.-o.-Runde ausschieden, weil sie ihre Nerven nicht in den Griff bekamen. Oder wie Ludwig und Kozuch so bemitleidenswert unterlegen waren, dass wehmütige Erinnerungen an die Kombination Ludwig/Kira Walkenhorst wach wurden, die die internationale Konkurrenz bei ihrem Olympiasieg 2016 und ihrem WM-Gewinn 2017 nach Belieben beherrscht hatten. Die Nachfolgerin Kozuch, die als Spielführerin der Hallen-Nationalmannschaft, Champions-League-Siegerin und fünffache Volleyballerin des Jahres geglänzt hatte, wirkte dagegen weitgehend überfordert.

Julius Brink, Olympiasieger von 2012 in London, der das Geschehen in Hamburg als Fernsehexperte kommentiert, findet es „ernüchternd, diese Lähmung und diese Leere in den Augen zu erleben“. Der Ist-Zustand tut dem 36-Jährigen regelrecht weh, er spricht einerseits von einem „Desaster“, betont aber andererseits auch, dass die schwachen Auftritte für ihn „keine große Überraschung“ bedeuten. „Der Kontakt zur Weltspitze ist bei den Frauen derzeit einfach nicht da. Das haben schon die Ergebnisse vor der WM gezeigt. Einen Plan B oder C habe ich bei allen ausgeschiedenen deutschen Frauenteams nicht gesehen.“

Der Killerinstinkt fehlt

Dabei entfalten die Titelkämpfe vor heimischer Kulisse „eine ungeheure mediale Kraft“, wie Brink betont. Nie zuvor ist so umfangreich über eine Sportart berichtet worden, die außerhalb von Olympischen Spielen ein Nischendasein fristet. ARD, ZDF, Sport 1, der Streamingdienst Dazn und die Übertragung auf den Plattformen des Veranstalters – nie zuvor sind Bewegtbilder von Beachvolleyball in einem solchen Umfang in die Welt transportiert worden. Und das vor einer großen Kulisse im mit Sand befüllten Tennisstadion, die von allen Athleten gerühmt wird. „Das fühlt sich hier so sehr nach Wohnzimmer an, dass wir am liebsten noch lange hierbleiben würden, so gut gefällt es uns hier“, sagt Karla Borger, die sich jedoch mit Partnerin Julia Sude am Donnerstagabend den Brasilianerinnen Barbara und Fernanda mit 1:2 (21:10, 17:21, 11:15) geschlagen geben musste und damit auch als letztes deutsches Frauenteam aus dem Turnier ausschied. So bleibt mit Julius Thole und Clemens Wickler nur noch ein deutsches Team im Rennen: Den Hamburgern gelang durch ein 2:0 (22:20, 21:19) gegen Alexander Brouwer und Robert Meeuwsen aus den Niederlanden der Einzug ins Achtelfinale, während Nils Ehlers und Lars Flüggen sowie Yannick Harms und Philipp Arne Bergmann mit Niederlagen in ihren Spielen den Start der K.o.-Runde nicht überstanden.

Dass die deutschen Athleten diese Chance beim Heimspiel nicht besser nutzten, macht Niclas Hildebrand nachdenklich. Der Sportdirektor für Beachvolleyball im Deutschen Volleyball-Verband (DVV) hat mit seinem Arbeitgeber beim Bundesleistungszentrum in Hamburg hervorragende Strukturen für eine olympische Sportart geschaffen. Nun muss der 38-Jährige miterleben, dass vor allem die mentalen Defizite bei den Athleten gravierend sind. Hildebrand fragt sich, „wie wir es hinkriegen können, dass unsere Sportler den Killerinstinkt entwickeln, den du brauchst, wenn du in der Weltspitze mitspielen willst“.

Im Lager der deutschen Beachvolleyballer herrscht Ernüchterung, nun gelte es, „die brutal hohe Erwartungshaltung zu überdenken“, wie Hildebrand betont. Für die Olympischen Spiele im kommenden Sommer in Tokio hat der DVV bei den Frauen eine Medaille und einen fünften Platz als Zielvorgabe ausgegeben. „Davon“, sagt Hildebrand, „müssen wir uns lösen. Wir müssen wesentlich kleinere Brötchen backen.“

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