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Paul Pogba spielt bei Frankreichs Nationalmannschaft meist zu kompliziert.

© AFP

Deutschland - Frankreich: Paul Pogba - Hauptdarsteller mit Nebenrolle

Es sollte Paul Pogbas Turnier werden, doch bisher läuft die EM am Franzosen vorbei. Im Halbfinale sind die Erwartungen nun besonders hoch.

Während der Europameisterschaft stattete Yeo Pogba ihrem Sohn im Mannschaftsquartier der französischen Nationalmannschaft einen Besuch ab. Der genoss die Zeit mit Mama sichtlich, die beiden blödelten herum, es wurde viel gelacht. Paul Pogba war glücklich und gelöst in diesem Moment. So glücklich und gelöst wie seit Wochen nicht mehr.

Die EM ist bisher an ihm vorbeigelaufen, dabei sollte sie sein Turnier werden. Vor dem Halbfinale gegen Deutschland am Donnerstag redet Frankreich über Dimitri Payet, die Entdeckung der vergangenen Wochen, oder die Torjäger Antoine Griezmann und Oliver Giroud. Pogba spielt eher eine Nebenrolle.

Das ist ungewöhnliches Terrain für einen, der es zeit seines Lebens gewohnt ist, im Mittelpunkt zu stehen. Pogba, 23 Jahre alt und einer der talentiertesten Fußballspieler der Welt, gilt als großes Versprechen. Das allein zeigen die irrwitzigen Summen, die für seinen nahenden Vereinswechsel im Raum stehen. Angeblich bietet Manchester United mit Trainer José Mourinho 120 Millionen Euro für den Mittelfeldspieler von Juventus Turin. Auch Real Madrid und der FC Barcelona sind interessiert. Sollte Pogba tatsächlich für eine Summe dieser Größenordnung wechseln, wäre er der teuerste Fußballer der Geschichte. Und hätte ein Problem mehr.

Pogba verzettelt sich zu oft

Druck und hohe Erwartungshaltungen haben ihn bisher meistens gehemmt und vermutlich ist das auch der Grund, warum diese EM für seine Verhältnisse so mittelprächtig verläuft. Weil Frankreich von ihm erwartet, dass er die Mannschaft zum Titel führt. So wie es Michel Platini 1984 und Zinedine Zidane 1998 getan haben. Sie waren unumstrittene Führungspersönlichkeiten in ihren Mannschaften. Pogba ist das noch nicht und kann es auch gar nicht sein. „Ich kenne keinen französischen Spieler, der die Auswahl mit 23 angeführt hat“, sagte Arsene Wenger kürzlich. Der Trainer vom FC Arsenal findet: „In seinem Alter ist es normal, dass er noch nicht auf dem Niveau ist, das man von ihm erwartet.“

In all der Kritik schwingt auch immer Enttäuschung mit, dass Pogba noch nicht so dominiert wie etwa bei der Junioren-WM 2013. Mit der U 20 holte er den Titel und wurde anschließend als wertvollster Spieler des Turniers ausgezeichnet. Schon damals meldeten sich die finanzkräftigsten Klubs, der Spieler zog es aber vor, in Turin zu bleiben, wo er an der Seite von Andrea Pirlo zwar ein Fixpunkt war, das Spiel aber nicht allein zu verantworten hatte. Die vergangene Saison, die erste ohne Pirlo, zählte zu Pogbas schwächeren.

In der Nationalmannschaft ist die Situation ähnlich. Frankreich verfügt nicht mehr über eine Vielzahl an hochbegabten Mittelfeldspielern. Eher sind es unauffällige Rollenspieler, Arbeiter wie N’golo Kanté, Blaise Matuidi oder Moussa Sissoko. Pogba ist Frankreichs hellster Stern, nur bräuchte er zum Leuchten eine Sonne, die ihn anstrahlt.

Als offensivster der drei defensiven Mittelfeldspieler tat er sich schwer, das lag ihm nicht wirklich. Gegen Island durfte er wieder im Zentrum vor der Abwehr spielen und zeigte seine beste Leistung in den vergangenen drei Wochen. Ein Tor gelang ihm in dem Spiel, per Kopf. Wie er da so hochstieg zum Kopfball gegen die gewiss nicht kleinen Isländer, einer Naturgewalt gleich. Wer dieses Tor sah, der konnte Pogbas Fähigkeiten erahnen, diese Kombination aus purer Athletik, aus Kraft, Eleganz und Technik, gepaart mit Entschlossenheit.

Pogba und Deschamps sind nicht innig verbunden

Nur, und das ist Pogbas Problem, so entschlossen tritt er nicht immer auf. Mal reißt er das Spiel an sich, dann taucht er wieder völlig ab. Zwei, drei konstant gute Spiele in Folge sieht man von ihm selten. Zu oft verzettelt er sich in Nebensächlichkeiten. Spielt den Ball zu spät ab oder geht ins Dribbling, wenn eine andere Lösung angebrachter wäre. „Er müsste einfacher spielen, mitunter sieht das noch viel zu kompliziert aus“, sagt Eric Champel, Fachmann von der Zeitung „France Football“.

Einfach spielen ist auch das, was Nationaltrainer Didier Deschamps von Pogba verlangt. Und stößt damit nicht unbedingt auf offene Ohren. Die beiden pflegen keine innige Beziehung zueinander, aber auch keine schlechte. Deschamps ist niemand, der dem Starkult der Gegenwart huldigt, Pogbas Welt, die sich viel um Social-Media-Aktivitäten und extrovertierte Kleidung dreht, ist ihm fremd. Beim französischen Trainer steht der Teamgedanke über allem. Seine Prinzipien vertritt er rigoros. Weil Pogba zu spät und in unpassendem Schuhwerk zum Abendessen erschien, musste er im zweiten Gruppenspiel gegen Albanien zunächst zusehen. „Er ist noch jung und muss nicht nur auf dem Platz noch einiges lernen“, sagt Champel, der den Vorfall auch nicht überbewerten will. „Das war anschließend kein Thema mehr.“

Sollte Frankreich am Sonntag zum dritten Mal Europameister werden, wäre es ohnehin nur eine kleine Randgeschichte auf dem Weg zum Titel.

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