zum Hauptinhalt

Sport: Deutschland gegen Amerika

Die Bundesliga hebt die Ausländerbeschränkung auf. Was bedeutet das für den Basketball?

Berlin - Jan Pommer hat genug von „den Tricksereien“. Bis zur abgelaufenen Saison hätten in der Basketball-Bundesliga viele US-Amerikaner „durch ihren irischen Schäferhund mit Zweitpass gespielt und galten so als EU-Staatsbürger“, sagt der Geschäftsführer der Basketball Bundesliga (BBL). Ein Schäferhund reichte zwar nicht ganz, wohl aber die entsprechenden Vorfahren. Die Spieler nahmen keinen der zwei Plätze für Nicht-Europäer ein – was im Basketball quasi gleichzusetzen ist mit US-Amerikanern – , und die Teams konnten auf Umwegen mehr Profis aus der Basketballnation USA einsetzen. Künftig dürfen die Amerikaner wieder Amerikaner sein, mit Saisonbeginn fällt die Ausländerbeschränkung ganz.

Was das für den deutschen Basketball bedeutet, darüber streiten sich derzeit die Beteiligten. Die deutsche Nationalmannschaft hat mit einem Team EM-Silber gewonnen, in dem nur ein Spieler jünger war als 26, die meisten Leistungsträger werden nach Olympia 2008 in Peking zurücktreten. Potenzielle Nachfolger sind rar.

„Die Liga will sich weltoffen darstellen, Qualität soll sich durchsetzen“, sagt Pommer. „Aber wir wollten auch ein Zeichen setzen für die Deutschen und den Nachwuchs.“ Bislang gab es keine Quote für Deutsche, doch nun verpflichten sich die Bundesligisten, in dieser Saison mindestens zwei Deutsche im Kader zu haben, von denen einer zumindest auf der Bank sitzen muss. Verstößt der Klub gegen diese Regel, muss er 7500 Euro Strafe zahlen, selbst wenn der Spieler verletzt war. Damit sollen die Klubs dazu gebracht werden, sich nicht auf die vorgeschriebene Mindestzahl zu beschränken, die sich bis 2009/2010 auf vier Deutsche pro Team und Spiel erhöht. Die Entscheidung der BBL folgte auf die Abschaffung der Ausländerbeschränkung in Europaliga und Uleb-Cup im Frühjahr 2005.

Dennoch nimmt Deutschland mit der völligen Öffnung der Liga eine Sonderrolle ein. In den anderen europäischen Ligen wie etwa Spanien oder Italien gibt es höhere Quoten für einheimische Spieler beziehungsweise eine Ausländerbegrenzung. „Es ist eine enttäuschende Regelung, dass in der BBL jetzt nur ein Deutscher auf der Bank sitzen muss“, sagt der deutsche EM-Zweite Stephen Arigbabu von Alba Berlin, „das ist schlecht für den Nachwuchs. Was kommt nach Peking 2008?“ Vier Deutsche sollten schon jetzt verpflichtend sein, nicht erst in vier Jahren. Sechs Deutsche sollten es werden, das fordert auch Bundestrainer Dirk Bauermann. Zwölf Nationalspieler haben nun die Spielerinitiative „Spin“ gegründet und wollen sich für die Belange von Nationalspielern, Bundesligaprofis und speziell des Nachwuchses einsetzen. Durch die radikale Öffnung des Spielermarktes seien „drei Viertel der Nationalspieler entweder arbeitslos oder gezwungen, im Ausland zu spielen“. Von den Vizeeuropameistern spielen mit Arigbabu, Demond Greene (Berlin) und Pascal Roller (Frankfurt) nur drei in der Bundesliga. Dazu kommt der bei der EM verletzte Stefano Garris. Marko Pesic und Robert Maras sind auf Klubsuche. Allerdings: Die meisten Nationalspieler sind schon vor Jahren ins Ausland gegangen, weil sie dort wesentlich lukrativere Verträge bekamen. Der deutsche Spielmacher Mithat Demirel hat Alba Berlin nach der vergangenen Saison nicht verlassen, weil Alba ihn nicht mehr wollte, sondern weil er mit dem Angebot nicht zufrieden war.

Viele Amerikaner, die vom College kommen und die BBL als Einstieg in den europäischen Markt sehen, sind schlicht billiger als deutsche Stars und besser als deutscher Nachwuchs. Jan Rathjen, Geschäftsführer von Aufsteiger Bremerhaven, gibt zu: „Das ist eine wirtschaftliche Frage. Um wettbewerbsfähig zu sein, haben wir Amerikaner geholt.“ Leverkusen hat in den letzten Jahren auf die Jugend gesetzt – und nach Platz 13 in der Vorsaison nun vier Amerikaner verpflichtet.

„Es gibt aber keine Ausländerschwemme“, sagt BBL-Geschäftsführer Jan Pommer. Der Anteil der Deutschen liege weiterhin bei 35 Prozent. Pommer rechnet damit, dass künftig 20 bis 30 US-Amerikaner mehr in den 16 Teams spielen werden, dafür aber weniger Serben oder Kroaten. Kaum ein Bundesligist hat nur die vorgeschriebenen zwei Deutschen im Kader. In Berlin sind es fünf – und nur drei Amerikaner. Bei Vizemeister Frankfurt stehen acht Deutsche im Aufgebot, davon sind fünf Jahrgang 1985 und jünger. Entscheidend ist, ob die Deutschen Einsatzzeit bekommen – oder nur zur Quotenerfüllung auf der Bank sitzen.

Für Alba Berlins Vizepräsident Marco Baldi („von der Qualität der Spieler wird das die beste Bundesligasaison aller Zeiten“) ist wichtig, „dass wir die Zahl der Basketball spielenden Jugendlichen vergrößern und den Talenten gute Angebote machen, so dass sie bei der Stange bleiben“. Und sich für eine Ausbildung in Deutschland entscheiden statt dem Lockruf des Geldes zu folgen und früh ins Ausland zu wechseln. So mussten die Berliner, die seit Jahren in Kooperation mit TuS Lichterfelde intensive Nachwuchsarbeit betreiben, große Talente wie Misan Nikagbatse und Jan Jagla ziehen lassen, die nicht bei Alba auf der Bank sitzen wollten. Die Nationalspieler wollen nun Patenschaften für Nachwuchsspieler übernehmen. Eine U-18-Bundesliga soll ab 2006 Talente an BBL und Zweite Liga heranführen, in der nach wie vor eine Ausländerbeschränkung gilt. Nun muss die Jugend sich durchsetzen, wie Leverkusens Abteilungsleiter Otto Reintjes sagt: „Durch ausländische Konkurrenz wird der Nachwuchs angestachelt. Wir brauchen keine Weicheier.“

Helen Ruwald

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false