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Nie ganz kaltzustellen. Boateng (r.) und Hummels wollen Lewandowski (l.) möglichst nicht so enteilen lassen.

© Imago/Eibner

Deutschland - Polen: Wie stoppt man Robert Lewandowski?

Jérôme Boateng kennt Robert Lewandowski aus dem Verein. Vermutlich zusammen mit Mats Hummels soll er Polens Angreifer am Donnerstag bestmöglich aus dem Spiel nehmen.

Jérôme Boateng blickt durch seine schwarz-goldene Brille über die Köpfe der Journalisten hinweg in die Tiefe des Raumes. In diesem Fall sind es vielleicht 16 oder 18 Meter Raum, so viele Ecken wie seine Brille hat. Genau ist das nicht zu erkennen, weil die Ecken leicht gerundet sind. Boateng hat sie selbst designt.

Vor ein paar Wochen hat der 27 Jahre alte Nationalspieler und Weltmeister seine Kollektion in Berlin vorgestellt. Da er sich sehr für Mode interessiere, lag dieser Schritt nahe. Sechs Modelle umfasst sie, je eine für eine ihm besonders wichtige Stadt. Für Berlin, Hamburg, Manchester und München spielt oder hat er gespielt. New York ist New York und in Rio wurde er Weltmeister.

Ein Duell? Oder ein Dreikampf?

Jérôme Boateng schaut also in die Ferne, vielleicht auch, weil ihm die naheliegendste aller Fragen gestellt wird. Und weil diese auch noch recht abschweifend eingeleitet wird, suchen seine Augen das Weite.

Wie stoppt man Robert Lewandowski?

Es ist nicht so, dass er diese Frage nicht mag und wohl auch deren Beantwortung so leicht nicht ist. Vielmehr scheint, als sei ihm diese Frage zuletzt vielleicht zu oft gestellt worden. Am Donnerstag spielt bei der EM Deutschland gegen Polen und für die breite Öffentlichkeit wird daraus das Duell Boateng gegen Lewandowski.

Jérôme Boateng schätzt es nicht sonderlich, dass dieses Spiel auf dieses Duell reduziert werde. Polen sei nicht nur Robert Lewandowski ist einer der Sätze, aus denen sich das herleiten lässt. Außerdem habe es diesen Zweikampf schon so oft gegeben. Aber nichts ist im Fußball aktueller als das Duell von morgen, wenn sich beide Nationen in St. Denis mal wieder gegenüberstehen.

„Ein ganz schlechter Spieler, ganz einfach zu lösen.“

Es ist eben das Duell zweier Teamkollegen vom FC Bayern München, die auf ihren jeweiligen Positionen zu den Besten gehören, die der Weltfußball zu bieten hat. Auf der einen Seite der deutsche Innenverteidiger Boateng, der in der zurückliegenden Bundesligasaison mit einer Quote von 72 Prozent gewonnener Zweikämpfe den absoluten Bestwert erreichte. Auf der anderen Seite Polens gleichaltriger Wunderstürmer Lewandowski, der mit 30 erzielten Bundesligatoren seinen persönlichen Bestwert aufstellte und Torschützenkönig wurde.

„Ein ganz schlechter Spieler, ganz einfach zu lösen.“ Das hat Jérôme Boateng noch vor einigen Tagen mit einem Augenzwinkern erzählt. Bis zum brisanten EM-Spiel, in dem es nach den Auftakterfolgen beider Mannschaften schon um den Gruppensieg geht, war es noch etwas hin. Boateng war in Plauderlaune. Er erzählte, dass dieses für viele so besondere Duell das für ihn Gewöhnlichste ist. „Ich habe den Zweikampf in München an jedem Trainingstag in der Woche“, erzählte Boateng. „Ich weiß, wie er funktioniert, aber ganz kaltstellen lässt Robert sich nie.“

Man kennt sich in- und auswendig

Auch Robert Lewandowski ist erst gestern wieder von den polnischen Reportern auf dieses Duell angesprochen worden. Auf die Frage, ob es nicht von Vorteil sei, dass er sowohl Boateng gut kenne als auch dessen erwartbaren Partner Mats Hummels, mit dem er früher lange in Dortmund spielte, antwortete Lewandowski: „Ja, aber das Problem ist, dass sie mich eben auch kennen.“

Was soll er auch anderes sagen?

Man kennt sich halt in- und auswendig, aus Spielen mit- und gegeneinander. Mit den Bayern hat Lewandowski eben das deutsche Pokalfinale gegen Hummels Dortmunder gewonnen. Beim Finale 2012, als Lewandowski noch an der Seite von Hummels für Schwarz-Gelb spielte, schenkte er den Bayern um Boateng drei Tore ein beim sagenhaften 5:2.

Zuletzt kam es in der EM-Qualifikation zu diesem Duell. Das Hinspiel in Warschau gewannen die Polen 2:0, ohne dass Lewandowski traf. Das Rückspiel entschieden die Deutschen mit 3:1 für sich, obwohl Lewandowski traf. Insgesamt erzielte der Pole 13 Tore in den zehn Qualifikationsspielen. Kein anderer Stürmer traf öfter.

„Es ist einfach geil, gegen Robert zu spielen"

„Im Endeffekt ist es das erste Ziel, als Mannschaft so zu spielen, dass Robert nicht in die Situationen kommt, in denen er gefährlich ist.“ Das hat Mats Hummels erzählt, als er vor ein paar Tagen nicht davon ausgehen konnte, gegen Polen auflaufen zu können. Der Muskelfaserriss ist aber inzwischen ausgeheilt, gut möglich, dass er Shkodran Mustafi verdrängen wird.

Große Lust verspüre Hummels schon. „Es ist einfach geil, gegen Robert zu spielen, weil er alles hat“, hat Hummels erzählt, der nach der EM zum FC Bayern wechselt. Lewandowski besitze das „Komplettpaket“ eines Stürmers. „Er ist einer der besten Ballhalter auf der Neun, die ich kenne, weil er einfach unglaublich stabil ist, unglaublich kräftig und seinen Körper einsetzen kann. Es ist eine große Herausforderung.“

Auch Boateng spricht mit hoher Achtung von Lewandowski. Wenn dieser erst mal den Ball an seinen Füßen habe, sei es wahnsinnig schwer, ihn zu stoppen. Oder wie es Hummels ausdrückte: „Es wird darauf ankommen, ihn am besten gar nicht sich drehen zu lassen, damit er nicht mit dem Blick auf dich und auf die Abwehrreihe zuläuft.“

Ein Abnutzungskampf steht bevor

Jérôme Boateng jedenfalls freut sich auf das Spiel gegen Polen und seinen Vereinskollegen Lewandowski. Er denkt, dass es auf einen Abnutzungskampf hinauslaufe. „Natürlich wollen wir Robert aus dem Spiel nehmen“, sagt Boateng. Aber nicht nur wegen seiner Torgefährlichkeit, sondern, „weil er auch viel Einfluss auf seine Mannschaft hat“.

Noch einmal rückt Jérôme Boateng seine Brille zurecht. Irgendwo in der Tiefe des Raumes werde er auf Lewandowski schon treffen. Jeder von ihnen werde versuchen, für sein Land das Beste zu geben. „Danach werden wir uns die Hand geben – und fertig ist.“

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