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Original schlägt Kopie. Spaniens Xavi lässt die Deutschen um Jerome Boateng (l.) und Bastian Schweinsteiger einfach stehen.

© AFP

Deutschland - Spanien: Am Ende fehlt der Mut zur Größe

Sie wollten spielen wie die Spanier. Doch Bastian Schweinsteiger und die deutsche Elf scheitern an der Angst, das eigene Vorbild zu übertrumpfen

Als das Unvermeidliche vollendet war, standen sich Bastian Schweinsteiger und Andres Iniesta noch einmal auf dem Rasen von Durban gegenüber. Die beiden Spielgestalter unterhielten sich kurz, dann zogen sie ihre Trikots aus und tauschten sie miteinander. Als er vom Platz schlich, wischte sich Schweinsteiger mit dem roten Dress der Sieger die erste Enttäuschung aus dem Gesicht. Die erste, wohl bemerkt. Die eigentliche, über das Verpassen des WM-Finales, die kroch erst nach und nach in ihm hoch.

Fast alle deutschen Spieler sind danach auf Bastian Schweinsteiger zugekommen, doch der 25 Jahre alte Münchner wollte sich nicht trösten lassen. Er sollte der emotionale Leader sein, der Motor und das Herz der Mannschaft, wie es Löw vorgegeben hatte. Und er war es auch, bis hierhin, bis zum letzten Spiel vor dem Finale. Aber genau in diesem vielleicht wichtigsten Spiel konnte er das Versprechen nicht halten. Er nicht, und auch seine Mitspieler nicht. Die ganze Mannschaft hatte nichts mehr zuzusetzen, sie spielte irgendwie antriebslos, herzlos und emotionslos.

Schweinsteiger hat eine starke Saison gespielt und stand mit Bayern im Finale der Champions League. Bei der WM hat er bewiesen, dass er einer der Weltbesten sein kann auf dieser so bedeutenden, zentralen Position. Und doch hat am Ende etwas gefehlt. "Man ist verärgert, wenn man kurz vor dem Finale steht und dann nicht so spielt, wie man es vorhatte. Spanien hat das beste Team der Welt, das hat man heute gesehen", sagte er.

Er hätte auch sagen können: Das Original ist immer noch besser als die Kopie. Das junge deutsche Team, das gerne so wäre wie das spanische, ist ihrem Vorbild in den letzten Wochen zwar verdammt nah gekommen, und ist doch noch nicht so weit. Als es zum Duell mit dem Original kam, war der Respekt zu groß und das eigene Zutrauen zu gering.

Joachim Löw wollte die Enttäuschung darüber etwas zerstreuen. Der Bundestrainer sagte, dass seine Mannschaft „ein tolles Turnier“ gespielt habe, und dass die Spaniern schon drei, vier Jahre lang zusammenspielten, „wir dagegen erst sechs oder sieben Wochen“. Man ist noch nicht am Ziel, oder wie Löws Trainerkollege, Hans-Dieter Flick, es sagte: „Diese Entwicklung muss weitergehen.“ Man habe kompakt stehen, die Passwege zustellen und den Gegner zu Fehlern zwingen wollen, sagte er am Tag danach. Und genauso war es ja auch gekommen, nur eben andersherum. Die Spanier machten das, was die Löw-Elf vorhatte. Wenn man es positiv ausdrücken will, dann wirkte vieles am Unterfangen der Deutschen so, als habe man Angst davor, besser zu sein als das Original.

"Wir sind oft dem Ball hinterher gelaufen. Wir haben es nicht zu 100 Prozent geschafft, taktisch so gut zu spielen wie in den zwei Partien zuvor", sagte Schweinsteiger und dachte wehmütig an die großen Siege über England und Argentinien. "Natürlich hat unsere Mannschaft eine große Zukunft, aber wir haben heute gesehen, was eine Top-Mannschaft ist. Da müssen wir noch ganz schön arbeiten."

Auch Löw musste hinterher einräumen, dass sein Team nie ganz die Hemmungen hatte ablegen können. Und so kam es, dass seine Elf ein wenig so spielte wie ein Juniorenteam, das es zu Beginn der WM-Vorbereitung ja irgendwie auch gewesen ist. Dabei hätte das nicht sein müssen. In den fünf Turnierspielen zuvor hatte diese Mannschaft 13 Treffer erzielt. Den Spaniern, die gleich ihr erstes Gruppenspiel verloren hatten, reichten sieben Tore zum Finaleinzug.

Vor allem aber war die deutsche Elf dem Druck nicht gewachsen, den die Spanier aus einem dominanten Mittelfeld heraus entfachten. Sie fiel unter Druck in alte Muster zurück und spielte quer stat steil, reagierte statt zu agieren. „Uns hat schon ein wenig der Mut gefehlt“, sagte Miroslav Klose.

Fehlte am Ende auch nur Thomas Müller? Vermutlich hätte sein Mitwirken nicht viel geändert. Schon eher, wenn ein jeder ein bisschen mehr dieser Müllerschen Momente in sich gehabt hätte, das Instinktive, das Draufgängerische – schlicht das Temperament. So musste der 20-Jährige vom Tribünensessel mit ansehen, was nur schwer zu ertragen war. „Das ist die größte Kacke, die passieren kann, wenn man da oben sitzt und nichts tun kann.“ Derbe, aber ehrliche Worte, Müller eben. Die übereifrigen Ordner, die ihn nach Schlusspfiff nicht aufs Spielfeld zu den trauernden Kollegen lassen wollten, hatten auch nicht zur Verbesserung seiner Laune beigetragen.

Gegen Spanien hat es nicht gereicht, noch nicht. "Aber wir haben die Möglichkeiten, auch dahin zu kommen", sagte anderntags Philipp Lahm. Der Kapitän war es, der sich vehement für eine Fortsetzung der Arbeit Joachim Löws aussprach. "Jeder weiß, was wir von ihm halten. Diese Mannschaft braucht einen guten Trainer, und er ist ein guter Trainer."

Der Angesprochene war unterdessen schon wieder bei der Arbeit. „Ich muss versuchen, die Mannschaft wieder etwas aufzurichten“, sagte Löw. Und Kollege Flick ergänzte: "Wichtig wird sein, dass man das kleine Finale gewinnt." In diesem Spiel um Platz drei muss Deutschland vielleicht ohne Miroslav Klose auskommen, der Probleme mit der Wirbelsäule hat. Auch wenn es nun nicht mehr der Weltpokal sein wird, mit ganz leeren Händen will man nicht nach Hause. Schweinsteiger hat zumindest das rote, spanische Trikot im Gepäck, mit der Enttäuschung des ersten Moments. Die andere Trophäe muss noch warten.

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