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Visionen schaffen Fakten. Joachim Löw doziert über seine fußballerischen Vorstellungen, Kapitän Bastian Schweinsteiger (re.) lauscht gebannt.

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Deutschland vor dem Spiel gegen Australien: Fortschritt durch Dreierkette

Bundestrainer Joachim Löw will offenbar das System der Nationalelf umstellen – das Spiel gegen Australien könnte der erste Test sein. Eine mögliche taktische Änderung wird dabei besonders diskutiert...

Die Ökobilanz des Deutschen Fußball-Bundes dürfte zuletzt nicht allzu gut ausgefallen sein. In den vergangenen Wochen hatte der Verband eine ausgedehnte Reisetätigkeit zu verantworten, weil Bundestrainer Joachim Löw seine Agenten rund um den Globus geschickt hat. Immer auf der Suche nach dem perfekten Fußball. Dabei muss man manchmal gar nicht bis nach Südamerika fliegen, um an relevante Informationen zu gelangen. Zum Thema Dreierkette zum Beispiel hätte Löw auch Oliver Bierhoff einvernehmen können.

Der Manager der Nationalmannschaft hat dieser Tage über eine prägende Erfahrung aus seiner Zeit als Spieler in Udine berichtet. In einem Auswärtsspiel bei Juventus Turin sah einer seiner Mitspieler schon nach drei Minuten die Rote Karte. Der Trainer stellte daraufhin in der Abwehr um von Vierer- auf Dreierkette – und am Ende gewann Udine mit einem Mann weniger und noch dazu auf fremdem Platz mit 3:0. Aber so einfach, wie es sich anhört – einen Abwehrspieler opfern, um im Mittelfeld Überzahl zu schaffen –, so einfach ist es eben nicht. „Man braucht Zeit, um das im Training einzustudieren“, sagt Bierhoff. Und das sei für eine Nationalmannschaft, die nur sporadisch zusammentrifft, nun mal schwierig.

Löw: "Stillstand darf es nicht geben"

Seitdem Joachim Löw angekündigt hat, dass er die Nationalmannschaft neu erfinden und daher einiges ausprobieren wolle, rätselt die Öffentlichkeit, was genau er gemeint haben könnte. Inzwischen herrscht weitgehende Einigkeit, dass Löw vor allem über die Einführung der Dreierkette nachdenkt. Es ist noch nicht lange her, da galt diese Variante als schrecklich veraltet, inzwischen ist sie mehr als rehabilitiert. Bei der Weltmeisterschaft in Brasilien zogen vier Mannschaften in die K.-o.-Runde ein, die mit Dreierkette verteidigten. Vier Jahre zuvor bei der WM in Südafrika war es nur eine (Chile).

„Nur Veränderungen bringen Fortschritte“, sagt Löw. „Stillstand darf es nicht geben, sonst geht es wieder nach unten.“ Völlig neu ist diese Haltung bei ihm nicht, die Bereitschaft zur Innovation war in Löws Arbeit immer zu erkennen. Selbst die Dreierkette hat der Bundestrainer schon ausprobiert – wenn auch mit mäßigem Erfolg. Im November 2011 schickte er seine Mannschaft gegen die Ukraine völlig unvermittelt mit drei Verteidigern aufs Feld. „Er wollte uns mal auf die Probe stellen, uns ein bisschen testen“, hat Holger Badstuber damals erzählt. „Vor dem Spiel hat er sogar noch einmal erwähnt, dass wir das nicht im Training geübt haben.“

Das Rätsel um die Dreierkette

Holger Badstuber wird auch heute im Testspiel gegen Australien (20.30 Uhr, live im ZDF) in der Abwehr auflaufen. Der Münchner soll ebenso in der Startelf stehen wie der zweite Rückkehrer Ilkay Gündogan von Borussia Dortmund. Ob Badstuber aber Teil einer Dreier- oder Viererkette sein wird, wollte Joachim Löw am Dienstag noch nicht verraten. Vermutlich wird der Bundestrainer nach einer einzigen Trainingseinheit eher auf das bewährte System zurückgreifen, zumal er auf Manuel Neuer verzichten muss. Der Torhüter wird wegen einer Schleimbeutelentzündung im Knie geschont, soll am Sonntag, im EM-Qualifikationsspiel in Georgien, allerdings wieder auflaufen.

„Es ist wichtig, immer wieder neue Sachen auszuprobieren und zu sehen, ob man den Gegner überraschen kann“, sagt Mittelfeldspieler Ilkay Gündogan. „Daher finde ich die Idee mit der Dreierkette gar nicht so schlecht.“ Löw wird in den nächsten Monaten wohl nach dem Prinzip Versuch und Irrtum verfahren, um festzustellen, welche Maßnahmen taugen und welche nicht. „Den ganz fertigen Masterplan gibt es im Moment nicht“, sagt er. Selbstzweck sind die Experimente für den Bundestrainer nicht, er hält sie schlicht für notwendig. Denn je besser sich die Gegner auf den Weltmeister und sein Spiel einstellen, desto flexibler und damit unberechenbarer muss die Nationalmannschaft werden. „Wir brauchen Lösungen nach vorne“, sagt Löw.

Die Dreierkette könnte Teil dieser Lösungen sein – wenn man sie so offensiv interpretiert, wie es die Chilenen tun. „Chile spielt dieses System überragend“, sagt der Bundestrainer. In Italien hingegen ist die Dreierkette eher in ihrer defensiven Ausgestaltung zu sehen, mit drei echten Innenverteidigern, die starr ihre Positionen halten. Das ist nicht das, was Joachim Löw vorschwebt, allein die taktische Flexibilität der Italiener hat er schon immer bewundert. „Wenn bei denen der Trainer drei Finger hebt, stellen sie schnell auf Dreierkette um“, hat er einmal erzählt. „Wenn er vier Finger zeigt, spielen sie wieder Viererkette. Von einem auf den anderen Moment. Ohne Probleme.“ Den Deutschen ist diese Zeichensprache noch längst nicht geläufig.

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