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Am Anfang verkannt. In Österreich traute man Marcel Koller wenig zu. Foto: dpa

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Deutschlands Gegner in der WM-Qualifikation: Österreich: Wie die Schweizer

Ein Schweizer? Was soll der uns schon beibringen in Sachen Fußball? Dachten die Österreicher, als Marcel Koller Nationaltrainer wurde. Mittlerweile betreibt Koller aktive Nachbarschaftshilfe - und wird durchaus gemocht.

Marcel Koller überlässt nichts dem Zufall. Vor zwei Wochen hat sich der 52-Jährige Nationaltrainer Österreichs ein komplettes Bundesligawochenende gegönnt. Er hat die Spiele Dortmund gegen Bremen, München gegen Nürnberg und Augsburg gegen Stuttgart live im Stadion erlebt. Man könnte auch sagen, Koller ist mit typisch schweizerischer Genauigkeit an die Sache gegangen. Dabei brauchte es einige Zeit, ehe auch die österreichischen Fußballfans diese Eigenart als Qualität schätzen lernten. Als Koller am 1. November 2011 das Amt in Österreich übernahm, wurde das im Nachbarland nicht gerade als Coup gefeiert. Es hieß: Was soll uns denn ein Schweizer im Fußball beibringen?

Eine ganze Menge, wie sich zeigt. Inzwischen hat Koller die Zweifel weitgehend zerstreut. Der österreichischen Mannschaft ist mal wieder alles zuzutrauen, und das ist ausnahmslos positiv gemeint. Zwar ist Kollers Mannschaft mit einer 1:2-Niederlage gegen Deutschland in die laufende WM-Qualifikation gestartet, dem folgte ein trübes 0:0 in Kasachstan, aber nach sehr guten Auftritten in Irland (2:2) und vor allem dem 2:1 über Schweden im Juni besitzt Österreich vitale Aussichten auf eine WM-Teilnahme. „Sie werden dementsprechend hoch motiviert gegen uns auftreten“, sagt Deutschlands Bundestrainer Joachim Löw.

Die Duelle beider Nachbarn umweht seit Jahrzehnten eine hohe Brisanz. Dabei konnte Österreich seit 1978, seit der WM in Argentinien also, kein einziges Pflichtspiel gegen die Deutschen gewinnen. Im vorigen September beim 1:2 war es dicht davor, mindestens ein Unentschieden zu holen. Marko Arnautovic hatte kurz vor dem Abpfiff den Ausgleich auf dem Fuß – und traf nicht.

Jogi Löw über Österreich: "Unter Marcel Koller ist die Nationalmannschaft taktisch gereift"

Löw schreibt seinem beinahe gleichaltrigen Kollegen das größte Verdienst zu. Unter dem Schweizer seien die Österreicher „taktisch gereift“. Sie könnten gutes Pressing spielen, seien gut im Umschaltspiel nach vorn und besäßen schnelle und torgefährliche Offensivkräfte. „Sie werden mutig und angriffslustig ins Spiel gehen“, glaubt daher Löw. Marcel Koller dagegen mochte in München nicht so viel verraten über seine Taktik. Zwar gebe es kaum noch Geheimnisse über den deutschen Fußball, aber einen kleinen Überraschungseffekt wolle er schon noch für sich in Anspruch nehmen.

„Wir müssen individuell sehr wachsam sein“, sagt Löw. Er weiß noch zu gut, wie schwer sich seine Mannschaft vor wenigen Monaten in Wien tat. Österreich sei mittlerweile ein ernst zu nehmender Gegner. „Sie spielen sehr schweizerisch“, findet Löw. Der Schweizer Fußball ist in Sachen Ausbildung extrem modern und seit Jahren auf dem Vormarsch, insbesondere bei den U-Mannschaften. „Diese Mannschaften zeichnen eine gute Ordnung und Organisation aus“, sagt Löw.

Bis vor zehn Jahren hat Joachim Löw selbst noch in Österreich als Trainer gearbeitet. Zwischen 2001 und 2004 beim FC Innsbruck Tirol und Austria Wien. Damals hätten die Großklubs der Liga vorzugsweise auf Ausländer gesetzt. Das ist nun anders. Der österreichische Verband hat einiges in die Nachwuchsausbildung investiert. Gleich neun Spieler aus dem aktuellen Kader Kollers spielen derzeit in Deutschland, sieben in der Ersten Liga. „Das hat es so noch nie gegeben“, sagt Löw.

Auch wenn Spieler wie Christian Fuchs, Emanuel Pogatetz oder Sebastian Prödl ihre Form erst wieder finden müssen, sind sie an guten Tagen in der Lage, richtig gut und erfolgreich Fußball zu spielen. Wie sagt Koller: „Wir fahren nicht nach München, um die Punkte einfach wegzuschenken.“

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