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Beste Arbeitsbedingungen. Nicht nur die A-Nationalmannschaft von Frankreich bereitet sich stets in Clairefontaine vor (großes Bild).

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DFB-Leistungszentrum: Eine Elite-Uni für Fußballer

Auch in Deutschland soll ein zentrales Leistungszentrum entstehen, um die Fähigkeiten der Nationalspieler weiterzuentwickeln. Vorbilder sind England und Frankreich.

Joachim Löw spitzt den Mund, überlegt kurz und sagt dann im Tonfall der Anerkennung: „Die Holländer können immer Talente nachschieben.“ Der Bundestrainer ist gerade bei seinem Lieblingsthema, der technischen und taktischen Bildung und Prägung junger Fußballer. Und darin sei das Nachbarland schon ein Vorreiter. „Die holländischen Fußballer werden von klein auf nach der gleichen Systematik ausgebildet. Das ist in den vergangenen 30 Jahren an Beständigkeit kaum zu überbieten.“ Löw denkt noch einmal kurz nach, dann sagt er: „Auch wir haben davon gelernt.“

In das Duell mit der Ukraine in Kiew vor wenigen Tagen hat Löw quasi eine U-23-Mannschaft geschickt, der Altersdurchschnitt seines Teams lag bei 22,7 Jahren. Ron-Robert Zieler, der 22 Jahre alte Torwart von Hannover 96, war der 50. Spieler, dem Löw in seiner gut fünfjährigen Amtszeit zum Debüt in der Nationalmannschaft verholfen hat. Löw drückt auf stete personelle Verjüngung. Die deutsche Mannschaft wird immer jünger, und das, obgleich die Grundanforderungen an die Spieler steigen. „In unserer Ausbildung gab es vor zehn Jahren einen Einschnitt. Sie ist jetzt auf Technik ausgerichtet, denn Technik ist die Grundvoraussetzung, um erfolgreich Fußball spielen zu können. Wer keine Technik hat, kann kein Tempo gehen“, sagt Löw.

Während Löws Mannschaft gegen Vizeweltmeister Holland das Länderspieljahr 2011 abschloss, werkelt Oliver Bierhoff im Hintergrund an einem Projekt, das weit in die Zukunft ragt. Der Manager der Nationalmannschaft plant ein zentrales Leistungszentrum für die deutsche Fußball-Elite. 30 bis 40 Millionen Euro sollten investiert werden. Doch es gibt auch noch Vorbehalte.

Der Plan einer Art Elite-Uni für die deutschen Auswahlspieler hat eigentlich einen Bart. Schon der vor zwanzig Jahren verstorbene Präsident des Deutschen-Fußball-Bundes (DFB) Hermann Neuberger dachte auf diesem Thema herum, doch so konkret wie jetzt waren die Entwürfe nie. Ein solches Leistungszentrum soll mehrere Fußballplätze umfassen, einen großen Fitnesskomplex, ein Reha-Zentrum sowie Laufstrecke und Medieneinrichtungen. Bierhoff sieht in der „Konzentration der Kräfte“ einen „immensen Gewinn“ für den DFB, wie er sagt.

Die besten deutschen Talente findet man verstreut, zum Beispiel in der Sportschule Wedau. Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff möchte das ändern. Fotos: AFP, dpa, FVN
Die besten deutschen Talente findet man verstreut, zum Beispiel in der Sportschule Wedau. Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff möchte das ändern. Fotos: AFP, dpa, FVN

© FVN

Vom deutschen Fußball-Kaiser sind Bierhoffs Pläne abgesegnet. Franz Beckenbauer sprach sich jüngst für ein Leistungszentrum aus. „Der Hauptteil der Ausbildung wird weiter in den Vereinen stattfinden, aber der DFB kann viel mehr tun, wenn er ein eigenes Zentrum hat: nicht nur für die Nationalspieler, sondern für seine Talente, seine Schiedsrichter oder etwa im Bereich Management mit einem Lehrstuhl. Ich plädiere für ein solches Zentrum.“

Doch es gibt auch Widerstände. Vor allem aus jenen Landesverbänden, die eigene, bestehende Sportschulen betreiben, die schon jetzt nicht ausgelastet sind. Tatsächlich werden diese Sportschulen nur sehr selten von Löws Auswahl genutzt. Zuletzt war dies der Fall Anfang Februar dieses Jahres. Für das Länderspiel gegen Italien bezog die deutsche Auswahl das „SportCentrum Kamen Kaiserau“ bei Dortmund. Im Prinzip ist alles da, was Bierhoff vorschwebt. Drei Rasenplätze, ein großer Medizintrakt, Massageräume (mit Unterwassermassage), Krafträume sowie ein Hallenbad mit Sauna. Bei der WM 2006 wohnten hier die Spanier.

Bierhoff weiß um die Bedenken, hält aber den Zeitpunkt für gekommen, um das Projekt offensiv anzugehen. Die Nationalmannschaft verdient einen großen Teil der Einnahmen des Verbandes, sie ist die Premium-Marke, sie ist beliebt und bewundert. In Zusammenarbeit mit der TU München wurden in den zurückliegenden Wochen Modelle entwickelt, er denke „an einen Campus nach Vorbild von kleinen Elite-Universitäten“, sagte Bierhoff, nachdem er die Entwürfe jüngst der DFB-Spitze vorgestellt hatte.

Den Plan gab es schon vor 20 Jahren

Bierhoff schwebt ein Begegnungszentrum des Hochleistungsfußballs vor, für alle Nationalmannschaften, also auch die U-Mannschaften, sowie für die Ausbildung der Bundesligatrainer und Schiedsrichter. „Wir erhoffen uns durch diesen Campus einen noch größeren Austausch zwischen allen DFB-Teams“, sagt Bierhoff. Der Plan sei es, dass ein solcher Komplex an über 200 Tagen im Jahr ausgelastet ist.

Als Standorte sind Frankfurt am Main, Köln, Unterhaching bei München und Duisburg-Wedau in der engeren Auswahl. In Frankfurt hat der DFB seinen Sitz, in Duisburg gibt es bereits die Sportschule Wedau, die ausgebaut und erweiterte werden könnte. Wie zu hören ist, gilt Duisburg DFB-intern als Favorit. Während die Finanzierung für den reichen Verband nicht das Problem sein sollte, müssen die 21 Landesverbände überzeugt werden. Denn ein solcher Elite-Campus wäre die größtmögliche Konkurrenz zu bestehenden Sportschulen wie beispielsweise in Barsinghausen, Kaiserau, Oberhaching oder Grünberg.

Langsam spüre er die Unterstützung aus der DFB-Zentrale, sagt Bierhoff. Zudem sieht er gute Chancen, einige Sponsoren für das Projekt zu gewinnen, die die Finanzierung erleichtern würden. Im April 2012 soll ein konkreter Entwurf stehen. Eine Umsetzung vor 2013 sei allerdings unrealistisch, heißt es.

„Wir würden Maßstäbe setzen“, sagte Bierhoff nach seiner jüngsten Offensive in der DFB-Zentrale. Bierhoffs Vorstellungen sind für interessant befunden worden. Neben ihm gehören auch Löw, Sportdirektor Matthias Sammer und DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach zu einem Sport-Kompetenzgremium des Verbandes. Diese Herren zählten vor drei Jahren auch zu einer Delegation, die sich das französische Trainings- und Verbandszentrum in Clairefontaine, 50 Kilometer südöstlich von Paris gelegen, angeschaut hat. In dem Anfang 1998 eingeweihten Campus hat sich Frankreichs Nationalteam auf die WM im eigenen Land vorbereitet, die das Gastgeberland vor 13 Jahren auch gewann. Und noch heute bereitet sich Frankreichs Elitemannschaft dort auf ihre Länderspiele vor.

Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff hat seine eigenen Vorstellungen zur Nachwuchsarbeit.
Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff hat seine eigenen Vorstellungen zur Nachwuchsarbeit.

© dpa

Man habe damals wertvolle Eindrücke gesammelt, heißt es. Offensichtlich auch die Kollegen aus England, bei denen gerade eines solches Verbandszentrum neu eingeweiht wurde. Allerdings sind beide Verbände eher zentralistisch ausgerichtet. Die meisten Länderspiele der Franzosen und Engländer finden in der jeweiligen Hauptstadt statt, im Stade de France von Paris respektive im Londoner Wembley-Stadion.

Die Politik des DFB hingegen ist es, die ganze Republik mit einzubeziehen. Das bedeutet, dass die Nationalelf durch das Land zieht und ihre Länderspiele verteilt in Städten mit Stadien mit einer Mindestkapazität von 40 000 Plätzen durchführt. Im Regelfall entfällt auf jede dieser Städte alle drei Jahre ein Spiel der Nationalmannschaft mit lukrativen Einnahmen aus Ticketverkauf und in der Hospitality. Da kommen schnell mal 400 000 Euro zusammen. Niemand möchte sich so etwas wegnehmen lassen.

Bislang reist der Tross zu den Länderspielen quer durch die Republik, dabei können die modernen City-Hotels, die der DFB vorzugsweise ansteuert, längst nicht die Bedürfnisse erfüllen. Es sind Bedürfnisse, die sich aus den Ansprüchen der Leistungssportler ergeben. Die Mannschaft von Löw ist inzwischen umgeben von modernster Technologie etwa für die Leistungsdiagnostik. „Die Konzentration der Kräfte wäre ein immenser Gewinn für die DFB-Arbeit“, sagt Bierhoff.

Man dürfe in der Entwicklung nicht stehen bleiben, die sportliche Qualität müsse auch künftig gesichert werden. Der Nationalmannschafts-Manager verweist auf die Bundesliga-Klubs, die in den vergangenen Jahren rund 500 Millionen Euro in ihre Leistungszentren gesteckt hätten. Rund 20 Spieler aus dem erweiterten Kader der Nationalmannschaft kommen aus solchen Eliteschulen. „Es zeigt, dass solch eine Einrichtung großartige Vorteile bietet“, sagt Bierhoff.

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