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Sport: DFB Pokal: Nach oben offen

Die Unterschiede zwischen Schalkern und Unionern, zwischen Siegern und Verlierern, wären wohl nur mit detektivischem Eifer zu ergründen gewesen. Zum Nachspiel nach dem Finale trugen die Akteure beider Mannschaften hellgraue Anzüge.

Die Unterschiede zwischen Schalkern und Unionern, zwischen Siegern und Verlierern, wären wohl nur mit detektivischem Eifer zu ergründen gewesen. Zum Nachspiel nach dem Finale trugen die Akteure beider Mannschaften hellgraue Anzüge. Ob die Schalker den nobleren Designer beauftragt hatten, hätte allenfalls ein Blick auf das Etikett an der Sakko-Innentasche klären können. Mit bloßem Auge jedenfalls waren keine Qualitätsunterschiede zu entdecken. Vielleicht handelte es sich sogar um identische Fabrikate. Franz Kremer, der legendäre Patron des 1. FC Köln, hat das schon Anfang der 60er Jahre so gehalten. Die weißen Trikots für seine Spieler ließ er beim selben Schneider fertigen wie Real Madrid, der größte aller Fußballklubs.

Zum Thema Online Spezial: Der Weg in die Zweite Liga TED: Hat Union eine Chance, den DFB-Pokal zu gewinnen? Wahrscheinlich war das mit den grauen Anzügen nur ein modischer Zufall, doch dass der 1. FC Union aus Köpenick hohe Ziele hat, ist kein Geheimnis. Der Aufstieg in die Zweite Liga ist geschafft, und das Pokalfinale war für den Verein, der nicht immer nur schöne Geschichten geschrieben hat, ein wunderbares Erlebnis - der erwarteten Niederlage gegen die Schalker zum Trotz. Am Ende feierten die Rotweißen auf den Rängen ebenso wie die blauweißen Sieger.

Den Spielern fiel das etwas schwerer als ihren Anhängern. "Wenn man im Finale steht und nicht gewinnt, ist man immer enttäuscht", sagte Libero Jens Tschiedel. Auch wenn der Gegner Schalke 04 heißt und eigentlich als übermächtig gilt. Für Unions Präsident Heiner Bertram war seine Mannschaft dem neuen Pokalsieger sogar ein "phasenweise gleichwertiger Gegner" gewesen. Jörg Böhme, der das Spiel für seine Mannschaft gewonnen hatte, sagte mit dem Großmut des Matchwinners: "Sie haben uns alles abverlangt und einen sensationell guten Fußball gespielt." Doch Unions Kapitän Steffen Menze musste eingestehen: "Die Schalker waren einfach etwas abgezockter." Das ist eben der Unterschied zwischen einem Regionalligisten und dem verhinderten Deutschen Meister. "Der muss auch da sein", sagte Jens Tschiedel. Aber der Unterschied soll kleiner werden.

Schalkes Trainer Huub Stevens bezeichnete den Finalgegner schon jetzt als "einen sehr guten Zweitligaverein". Doch für Union ist die derzeitige Phase nur eine Zwischenetappe. Präsident Heiner Bertram sah sein erstes Ziel erreicht, Union als sympathischen Verein in ganz Deutschland bekannt zu machen. 73 011 Zuschauer verfolgten den Auftritt des Klubs aus dem Osten der Stadt im Stadion des Ortsrivalen Hertha BSC, 7,84 Millionen sahen das Spiel am Fernseher. So kann es weitergehen. Nur der Schalker Tomasz Hajto empfand das Selbstbewusstsein der Unioner schon fast als unangebracht. "Die haben viel zu viel gequatscht und gedacht, die sind schon Weltmeister", sagte er. "Die müssen erst mal gucken, dass sie in der Zweiten Liga bleiben."

Aber genau das wollen die Unioner gar nicht. "Wir wollen unbedingt in die Erste Liga", sagte Trainer Georgi Wassilew. Michael Kölmel, der Geldgeber und finanzielle Retter des Vereins, sieht das ähnlich, "aber man darf nicht hetzen". Kölmel hat bereits einigen Langmut mit dem einstigen Skandalverein bewiesen, und zwischendurch, so gab er am Finalabend zu, habe er selbst gezweifelt, ob die Millionen seiner Firma Sportwelt in Köpenick wirklich gut angelegt waren. Jetzt plädiert Kölmel dafür, den Weg der Solidität weiter zu beschreiten: "Ein erfahrener Manager sollte verpflichtet werden, der die richtigen Kontakte in der Fußballszene hat." Allerdings ist Kölmel mit Trainer Wassilew einig, dass nun nicht wie wild neue Spieler geholt werden sollen und für die Aufstiegshelden nur die Bank bleibt. "Wir haben mit dieser Truppe das Zeug, erstklassig zu werden", sagte Wassilew.

Für Kölmel ist Unions Potenzial "nach oben offen". Die Strukturen in Berlin seien noch nicht so fest gefügt wie in Hamburg oder München. "Die Stadt verträgt, nein, braucht zwei Bundesligisten", sagte auch Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen. Für Union war das Finale ein erster Test vor erstklassiger Kulisse. Allerdings fand Jens Tschiedel es ein wenig enttäuschend, dass bei dem Spiel einer Berliner Mannschaft in Berlin "50 000 Blauweiße da sind. Heute hatten wir ein Auswärtsspiel."

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