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DFB-Pokal: Neckarelz gegen Bayern: Pokalknacker in der Semmel

Es ist das Highlight der 88-jährigen Vereinsgeschichte: Wie das Erstrundenlos FC Bayern den kleinen Verein SpVgg Neckarelz verändert hat.

Die Pokalknacker ist seit geraumer Zeit in der Metzgerei Alfred Sauer ein Verkaufsschlager. Das Würstchen in der Semmel, das in der Martin-Luther-Straße von Neckarelz dem Nordbadener mundet, steht exemplarisch für den Hype, den die Auslosung zur ersten Hauptrunde im DFB-Pokal ausgelöst hat. Der Verbandsligist SpVgg Neckarelz hat mit dem FC Bayern München das ganz große Los gezogen. Mit einem Schlag ist Neckarelz berühmt geworden, nun weiß man, dass es im Grenzgebiet von Odenwald und Kraichgau liegt, dem Neckar-Odenwald-Kreis zugehörig. Der 6500-Einwohner-Ort wurde 1975 im Zuge der Eingemeindung der Kreisstadt Mosbach zugeschlagen – gegen den Willen der Einwohner.

Dort, wo das Flüsschen Elz in den Neckar mündet, sei seit der Pokal-Auslosung nichts mehr so wie es einmal war, sagt Peter Hogen, seit acht Jahren Trainer des Sechstligisten. Der 48-Jährige muss es wissen; er wohnt nur einen Steinwurf weg von der idyllisch in die hügelige Landschaft eingebetteten Sportanlage mit zwei Rasenplätzen und einem Kunstrasen und arbeitet an einer Diakonie in Mosbach, die sich um psychisch Kranke und Langzeitarbeitslose kümmert. „Ich weiß, was im Leben wirklich wichtig ist“, sagt er.

Doch dem Highlight der 88-jährigen Vereinsgeschichte kann sich auch der A-Lizenzinhaber nicht entziehen. Er hat seine Spieler ins Trainingslager geschickt, er will mutig und nach vorne spielen. „Wir wollen eine gute Visitenkarte unserer Arbeit abgeben“, sagt er. Wer glaubt, das Münchner Starensemble treffe auf eine bessere Kirmestruppe, irrt. Im badischen Pokal haben die Neckarelzer die Traditionsklubs VfR und Waldhof Mannheim, im Endspiel dann den Drittligisten SV Sandhausen bezwungen. „Wir steigern uns mit jedem Gegner“ , sagt Torjäger Bogdan Müller, ein 21 Jahre alter Russland-Deutscher. Er durfte die paar Hundert Euro Fahrtkostenentschädigung wie alle Spieler damit aufbessern, dass er mit einer dreistelligen Zahl der begehrten Pokal-Eintrittskarten dealen durfte.

Die Fäden für die Organisation laufen bei Matthias Piringer zusammen, der gemeinsam mit seinem Schwager eine Tankstelle betreibt und eigentlich im Nebenberuf die Fußballabteilung leitet. Seit vier Wochen ist das ein Fulltime-Job. „Mehr als vier Stunden schlafe ich nicht mehr“, sagt Piringer. Meist um zwei, drei Uhr in der Nacht verschickt er die letzte E-Mail. Piringer hat auch deshalb so viel Arbeit, weil aufgrund der DFB-Auflagen von vornherein ausschied, die Pokalpartie auf dem eigenen Platz auszutragen.

Hilfe kam aus Hoffenheim. Nun spielt Neckarelz in der Arena Sinsheim, dort wo kurioserweise sechs Tage später die Bayern zum Bundesliga-Start bei der TSG Hoffenheim gastieren. Deren Geschäftsführer Jochen A. Rotthaus schnürte ein Rundum-Sorglos-Paket. Stadionorganisation, Sicherheitspersonal, VIP- und Medienbetreuung, um alles kümmert er sich gegen ein geringes Entgelt. „Ohne die Unterstützung von Dietmar Hopp hätten wir das alles gar nicht auf die Reihe bekommen“, sagt Thomas Ulmer, Vereinspräsident, Allgemeinmediziner und CDU-Abgeordneter im EU-Parlament.

Der 52 Jahre alte Strippenzieher ist weit mehr als zwei Zentner schwer und erinnert nicht nur figürlich an den Manager Reiner Calmund. Der Doc, wie ihn alle nennen, schafft Sponsoren ran, vermittelt Ausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplätze. Vollprofitum schließt der Allesmacher aus, „damit produzieren wir nur spätere Hartz-IV-Empfänger“. Aus der netten Pokal-Einnahme, bestenfalls eine Viertelmillion Euro, sollen Rücklagen gebildet und keine Exoten aus Brasilien gekauft werden, betont Ulmer. Er sitzt seit 25 Jahren neben dem Trainer der ersten Mannschaft auf der Bank. Selbstredend auch am Sonntag, 17.30 Uhr, gegen die Bayern. Ulmer trägt gerne schwarze Kleidung und einen rosa Schlips, auf dem rote Marienkäfer prangen. Ob das als Glücksbringer ausreicht, um als Pokalknacker in die Geschichte einzugehen?

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