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Zurückhaltung durch Erfolg: Nach seinem überzeugenden Auftritt gegen Portugal schlägt Mats Hummels leise Töne an.

© dapd

DFB-Verteidiger Hummels: Der Innenminister

Der sonst so forsche Mats Hummels geht nach seinem starken Spiel unerwartet in die Defensive. Und gibt sich unbedeutender, als er im Moment ist.

Es hätte wirklich eine grandiose Nacht werden können für Mats Hummels. Der Dortmunder Innenverteidiger, der für den Geschmack der meisten Beobachter etwas überraschend in die Startformation der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zum EM-Auftakt gegen Portugal gerutscht war, hatte wiederum für den Geschmack der meisten Zuschauer ein überragendes Spiel abgeliefert. Nur als er dann die enge Passage durchschritt, die nach den Spielen die Profis von den Reportern trennt und er der gefragteste Spieler war, machte er das, was er eigentlich nicht so gut kann. Er schwieg.

Hinter Mats Hummels liegt eine grandiose Bundesligasaison als nationaler Doublegewinner, die den 23-Jährigen als besten Innenverteidiger ausweist. Und er ist in den gut dreieinhalb Wochen, in denen sich die deutsche Nationalmannschaft auf das Turnier in Polen und der Ukraine vorbereitet hat, zu einer Art Außenminister der Dortmunder Fraktion geworden. Hummels, der es bis zum Turnierauftakt auf immerhin 14 Einsätze im Team Löw gebracht hat, waren als einzigem aus der Meistermannschaft reelle Einsatzchancen unterstellt worden. Weshalb er ganz gern mal das Wort erhob und – zwar unaufgeregt und durchaus anständig – Ansprüche formulierte.

Tatsächlich überstanden zwei der fünf Dortmunder den Cut des Bundestrainers nicht, als dieser aus dem vorläufigen einen endgültigen EM-Kader formierte. Und natürlich bildeten sieben der acht Bayern-Spieler trotz der Niederlagenserie gegen Dortmund und der traumatischen Nacht im Champions-League-Finale das Gerüst der deutschen EM-Elf. Als sich dann auch der lange Zeit verletzte Per Mertesacker, turniererprobt und Mitglied des Mannschaftsrates, von Tag zu Tag in ansteigender Form präsentierte, sprach nicht mehr ganz so viel für den Einsatz von Hummels.

Was für eine Wende: Joachim Löw zog Hummels Mertesacker vor, und der Dortmunder, dem ein Nachrichtenmagazin neulich lediglich die Klasse für nationale Ligaspiele unterstellte, überzeugte in seinem ersten großen Turnierspiel vollends. Und dann schwieg er. „Ich hatte kein großes Bedürfnis, mich zu äußern“, sagte er am Morgen nach dem Spiel in Lemberg. Um vier Uhr morgens hatte er sich nach den aufregenden Ereignissen wieder beruhigt und „ganz gut“ in den Schlaf gefunden. Ein paar Stunden später erklärte er sich recht aufgeräumt und ausführlich. Das allerdings in größter Bescheidenheit. Nein, einen Stammplatz habe er nicht sicher, es sei „einfach nur schön, dass es mir gelungen ist, meinen Teil zum Sieg beigetragen zu haben“. Und außerdem: Spieler sollten doch sagen können, was sie dächten. So lautete seine leise Kritik daran, dass man ihm seine zum Teil forschen Auftritte zuvor ein bisschen vorgeworfen hatte.

Am Tag nach dem für die Deutschen so wichtigen Auftaktsieg hatte aber auch Hummels die Balance zwischen offensiver und defensiver Rede gefunden. Er gab zu, nervöser als sonst gewesen zu sein. Ja, nach dem vergeigten EM-Testspiel gegen die Schweiz (3:5) habe der Bundestrainer auch ihn kritisiert. Aber, gute und schlechte Spiele gebe es für jeden Spieler auf der Welt, „es war nichts, was mich tief erschüttert hatte“.

Und so spielte Mats Hummels. Er war der beste Mann auf dem Platz, auch wenn sich für diesen Titel, der bei einem Turnier nach jedem Spiel ausgesprochen wird, die Offiziellen der Uefa Hummels’ Mitspieler Mesut Özil ausgeguckt hatten. Hummels war nervlich stabil, immer wachsam, überzeugend im Stellungsspiel und robust am Gegner. Zudem lief so ziemlich jeder Spielaufbau über ihn. Das heißt, der Dortmunder entschied darüber, über welche Seite das Aufbauspiel der deutschen Elf initiiert wurde, ob schnell und vertikal, oder doch eher erst einmal auf Nummer sicher etwas in die Breite gespielt wurde. „Mats kam mit Rückenwind aus der Meisterschaft, mit guten Leistungen und vor allem mit Spielpraxis“, sagte Löw. Der Bundestrainer habe sich auch deswegen gegen Mertesacker entschieden, da dieser „einige Monate ohne Wettkampf“ gewesen ist. Löw wollte kein Risiko eingehen, zudem beschied er Hummels, die Mannschaft toll mitgezogen zu haben.

„Das ist eine neue Situation für mich“, sagte Mertesacker. Der Bundestrainer habe ihm seine Entscheidung bereits am Freitag mitgeteilt. „Zu den Details möchte ich jetzt nichts sagen.“ Hummels habe seine Sache vorzüglich gemacht. Der Bundestrainer habe nunmal „super viele Optionen“. Die Mannschaft, die gegen Portugal gewonnen hat, habe erst einmal gute Argumente, sagte der Mann vom FC Arsenal.

Mats Hummels gab sich da längst nicht so sicher. Nach einem Spiel solle man nicht zu viele Schlüsse ziehen. Es könne die Geschichte einer Mannschaft, die gewonnen hat, geschrieben werden, nicht die einer Person, sagte er. Wenn er sich da mal nicht getäuscht hat.

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