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Nur dabei statt mittendrin? Fußball muss bezahlbar bleiben, fordern DFL und Fans. Firmen wie Viagogo, die am Kartenweiterverkauf verdienen, fallen dabei in Ungnade.

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DFL plant neue Ticketbörse: 1660 Euro für ein 1:6

Wegen der dauernden Kontroverse um Viagogo will die Deutsche Fußball-Liga eine eigene Ticketbörse aufbauen und damit den Schwarzhändlern das Handwerk legen. Doch wie soll das im Alltag funktionieren?

Es ist ein beliebtes Spiel: Fans suchen noch Tickets für ausverkaufte Spiele, gehen auf Viagogo.de und regen sich auf. Denn wer dort Karten kauft, zahlt kräftig drauf. Für Schalke 04 gegen Real Madrid am vergangenen Mittwoch zum Beispiel. Champions-League-Spitzenspiel, seit Wochen ausverkauft, aber bei Viagogo gab es am Tag davor noch Karten. Spitzenpreise: 454 Euro für die Nordkurve, Originalwert 25 Euro. 1400 Euro für einen Tribünenplatz, für den der Klub 77 Euro verlangt hatte.

Das zahlt kein Mensch, möchte man meinen. Vor Anpfiff waren die Tickets weg. Am Ende regen sich die Fans zwar auf, aber zahlen fast jeden Preis, auch in der Bundesliga. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) will das Geld aber offenbar gar nicht. „Fairness steht vor Gewinnmaximierung“, sagte DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig kürzlich dem „Handelsblatt“. Der Ligavorstand will eine eigene Ticketbörse aufbauen, auf der Fans Karten zu gemäßigten Preisen weiterverkaufen können. Bis zum Sommer will eine Projektgruppe mit Klubvertretern ein Modell entwickeln. Ziel ist die Bekämpfung des Schwarzmarktes und somit auch Viagogos. Doch kann Schwarzhändlern damit das Handwerk gelegt werden – und ist Viagogo überhaupt das Problem? Oder liegen die Ursachen für überteuerte Tickets nicht woanders?

Man könnte die Frage auch anders herum stellen: Warum verlangt Schalke nur 77 Euro für eine Karte, für die einige Menschen offenbar bereit sind 1400 Euro zu zahlen? Warum überlassen Fußballunternehmen eine Gewinnspanne von 1323 Euro den Schwarzhändlern?

Viagogo hat den Schwarzmarkt ins Internet geholt und mit Garantiestempeln versehen

Viagogo agiert in einer rechtlichen Grauzone, denn das Unternehmen tritt selbst nicht als Händler auf. „Es sind die Verkäufer, die Tickets einstellen und einen Preis festlegen“, sagt Unternehmenssprecher Steve Roest. „Unsere Rolle besteht darin, einen sicheren Marktplatz anzubieten und jede Transaktion zu garantieren.“ Damit hat das in der Schweiz ansässige Unternehmen seit 2007 den Schwarzmarkt aus dunklen Ecken ins Internet geholt und mit Garantiestempeln versehen. Es halten sich jedoch Vorwürfe, der Konzern kaufe selbst Kartenkontingente auf und treibe aktiv die Preise hoch. Viagogo bestreitet das. In jedem Fall kassiert das Unternehmen an den Zweitehandtickets kräftig mit: zehn Prozent vom Verkäufer, fünfzehn vom Käufer. Wer die Schalke-Karte wirklich für 1400 Euro kaufen möchte, der zahlt noch 210 Euro Buchungsgebühr und knapp 13 Euro Versandkosten drauf. Macht mit Mehrwertsteuer 1662,85 Euro. „Unsere Gebühren decken unsere Kosten“, sagt Roest. Und ohnehin: „Viagogo zu nutzen ist komplett freiwillig. Die Alternative ist, es auf Ebay zu versuchen, über Anzeigen, auf der Straße – oder man bleibt zu Hause.“

Zu Hause bleiben wollen die Fans aber nicht und gehen lieber auf die Barrikaden. Sie gründeten Initiativen wie „ViaNOgo“ und protestieren mit Plakaten. Auch gegen die Scheinheiligkeit: Erst drohen Klubs Fans, die im Internet Tickets verkauften, rechtliche Schritte an. Dann schließen Vereine Sponsorenverträge mit einem professionellen Anbieter. Schalke etwa sollte 1,2 Millionen Euro pro Jahr von Viagogo erhalten und dafür 300 Tickets pro Heimspiel abtreten. Für Vereine, deren Stadion meist ausverkauft ist, eine charmante Möglichkeit, die Einnahmen zu erhöhen, ohne dass sich die Empörung direkt gegen den Klub richtet. An den überhöhten Preisen auf Viagogo kassierten einige Klubs offenbar mit. Nach Fanprotesten kündigte Schalke im Juli den Vertrag mit Viagogo und liegt nun im Rechtsstreit mit dem Internetportal. „Wir müssen Viagogo aus unseren Stadien vertreiben!“, fordert ViaNOgo-Gründer Michael Eckl. Die Hoffnung der Fans richtet sich nun auf die Pläne der DFL. „Wenn die Ticketbörse gut organisiert ist, kann sie helfen Viagogo zu bekämpfen“, sagt Marc Quambusch von „Kein Zwanni für nen Steher!“, einer weiteren Initiative, die Fußballtickets zu Kinopreisen fordert.

"Die Quellen des Schwarzmarktes müssen trockengelegt werden"

Schalker Fans protestieren gegen Viagogo
Schalker Fans protestieren gegen Viagogo

© imago

Die Wunschliste an eine DFL-Ticketbörse ist lang. „Die Plattform muss fair und transparent sein und nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt“, fordert Fanaktivist Quambusch. „Die Quellen des Schwarzmarktes müssen trockengelegt werden.“ Michael Eckl von ViaNOgo will, dass Käufer und Verkäufer jeweils maximal 2,5 Prozent Gebühren zahlen. Doch kann ein derart moralisches Ticketportal wirklich alle Quellen des Schwarzmarktes trocken legen? „Unserer Erfahrung nach bevorzugen die Leute, Tickets auf dem freien Markt zu kaufen oder zu verkaufen, wo der Preis den Marktwert reflektiert“, sagt Viagogo-Sprecher Roest. Sprich: Wer seine Karte mit Gewinn weiterverkaufen möchte oder auf den letzten Drücker um jeden Preis ein Ticket will, der geht auch weiterhin zu Viagogo.

Wer schnell alle Plätze ausverkauft, der hat nicht den optimalen Preis verlangt

Eine Lösung hat Stefan Chatrath parat. „Die Vereine sollten sich trauen, Auktionen für Tickets durchzuführen“, rät der Professor für Sportmarketing. „Dort sind viele Entscheider konservativ und freuen sich, wenn das Stadion schnell ausverkauft ist“, sagt Chatrath, bei ihm hingegen „schrillen da die Alarmglocken“. Denn ob bei Fluggesellschaften oder Fußballvereinen: Wer schnell alle Plätze ausverkauft, der hat nicht den optimalen Preis verlangt. Er könne verstehen, dass Vereine Stehplatztickets günstig halten, für die Stimmung im Stadion. Doch kämpfen fast alle Vereine mit „No Show“-Raten: mit Ticketinhabern, die nicht auftauchen. Beim Spiel des HSV gegen Schalke Ende Januar sollen angeblich über 10 000 Zuschauer nicht zum Abstiegskampf bei Schmuddelwetter erschienen sein. Das kostet die Vereine Geld, das Besucher sonst an der Würstchenbude oder im Fanshop lassen.

Um das zu bekämpfen, braucht es keine Ticketbörse, sondern einfach besseren Service. „Die Fans sollten ihre Tageskarten einfach stornieren, dann kann der Verein sie wieder in den Verkauf bringen“, sagt Chatrath. Bei den wenigsten Klubs geht das bisher. Auf einer Ticketbörse sollten nur Dauerkarteninhaber Einzelspiele anbieten können, zu denen sie nicht erscheinen wollen. Und zwar per Auktion. „Nur so wird die reale Zahlungsbereitschaft der Zuschauer abgeschöpft und dem Schwarzmarkt die Grundlage genommen“, sagt Chatrath. Das Höchstgebot könnten die Vereine selbst festlegen. Aber würden hohe Summen nicht wieder Proteste hervorrufen? „Die Vereine müssen es nur richtig erklären: So bleibt das Geld beim Klub und landet nicht bei Dritten.“

Dritten wie Viagogo. Das Unternehmen ist trotz der Abkehr der Bundesliga nicht besorgt um seine Wachstumsraten, die in Deutschland dreistellig sein sollen. „Wir sind nicht auf Partnerschaften angewiesen, um einen sicheren Marktplatz anzubieten“, sagt Viagogo- Sprecher Roest. Aber vielleicht kommt es ja zu einer neuen Kooperation: Die DFL will nicht technischer Betreiber der Ticketbörse sein. Da böte sich ein Partner mit Erfahrung und Know-How an. „Potenziellen Partnerschaften stehen wir grundsätzlich offen gegenüber“, antwortet der Viagogo-Sprecher nur.

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