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Sport: Diagnose Länderspiel

Die Bundesliga wehrt sich gegen Oliver Kahns Vorwürfe

Stuttgart. Am Tag davor wirkte Rudi Völler so ratlos wie lange nicht mehr. „Ich werde schon elf Mann finden, die ich aufstellen kann“, sagte der Teamchef der deutschen Nationalmannschaft, als er gefragt wurde, wen er denn aufstellen würde im Spiel gegen Italien. Natürlich hat Völler elf Spieler gefunden, nur sind es eben nicht die, die es hätten sein sollen. Auf acht Stammkräfte musste der Teamchef verzichten, darunter auf fast das komplette Mittelfeld (Ballack, Frings, Hamann). Die Absagenflut hatte weder mit dem Gegner noch mit Völler zu tun. Vielmehr scheint es in Deutschland wieder in Mode gekommen zu sein, sich gegen die Nationalmannschaft aufzulehnen. Prominente Vereinsvertreter hatten vor dem Spiel Kritik an Völler geübt, weil er ihrer Meinung nach Spieler nominierte, die es im Interesse der Klubs zu schonen galt – den Münchner Ballack zwickt es in der Wade, den Berliner Friedrich im Bauch.

Die Branche reagierte schnell. Für Herthas Trainer Huub Stevens sind die Länderspiele in der Saison nicht das Problem, „sondern die generelle Terminplanung der Nationalmannschaft“. Nach dem letzten Bundesligaspiel der vergangenen Saison mussten die Nationalspieler noch zwei EM–Qualifikationsspiele bestreiten. Bis zum Trainingsauftakt der Vereine blieben so drei Wochen, „viel zu wenig für die Regeneration“, sagt Stevens. Nur deshalb befinde sich Friedrich immer noch im Aufbautraining, „der ist einfach nicht fit, der hat uns in der Vorbereitung über drei Wochen gefehlt“. Bei Ballack ist es ähnlich. Der fehlte nicht nur gegen Italien, er fehlte auch den Bayern gegen Bochum. „Wer soll also gemeint sein?“, fragt Stevens. „Etwa Torsten Frings? Soll der etwa mit einem Kreuzbandriss auflaufen?“

Auch Michael Ballack wehrt sich gegen die Vorwürfe seines Kollegen: „Er hat ja keinen Einblick, wie verletzt ein Spieler wirklich ist. Wenn er einen bestimmten Spieler meint, muss er ihn nennen.“ Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hält die Kritik des Nationaltorhüters ebenfalls für überzogen. „Das Verhältnis des DFB zu den Klubs war nie unaufgeregter als heute. Die Kommunikation funktioniert“, sagte er der „Welt“.

Und doch erinnert manches in diesen Tagen an die Zeit des Teamchefs Erich Ribbeck. Damals überboten sich die Spieler gegenseitig mit Absagen. Der Gipfel war im Juli 1999 beim Konföderationen-Cup in Mexiko erreicht. Die Bundesligisten steckten in der Vorbereitungsphase und verständigten sich mit dem Verband auf eine Quotenlösung: Spitzenklubs wie Bayern, Dortmund oder Leverkusen mussten nur drei Spieler abstellen. Dafür kamen Spieler wie Ronald Maul (Bielefeld) und Heiko Gerber (Stuttgart) zu Länderspielehren.

Seit jenen Tagen liegt die Schamgrenze jedenfalls weitaus niedriger. „Es kann nicht mehr sein, dass Spieler absagen, wenn der kleine Zeh am linken Fuß schmerzt“, hatte Kahn am Dienstag moniert. Dieser Satz hat Huub Stevens zu einer Replik herausgefordert: „Ich kann mich daran erinnern, dass auch Kahn mal fehlte.“

Das ist gar nicht so lange her. Es war am 30. April dieses Jahres, als Deutschland in Bremen gegen Serbien/Montenegro spielte. 13 Nationalspieler waren verletzt oder gaben dieses zumindest vor. Kahn klagte damals über Schmerzen am Ellenbogen. Eine Rolle spielte dabei auch, dass dieses Länderspiel im April stattfand, in der wichtigsten Saisonphase. Da geht niemand gern das Verletzungsrisiko ein. Der DFB hat nun für den 28. April 2004 in seinem offiziellen Kalender ein Freundschaftsländerspiel geplant. „Gegner noch offen“, steht da geschrieben. Mal sehen, wer dann alles für Deutschland spielen wird.

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