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Sport: Die Agenda 2024

Der DFB verliert Spieler, hat aber eine neue Vision.

Nürnberg - Gerhard Mayer-Vorfelder kam ein bisschen zu spät, aber er kam. Von einer Hostess wurde der Ehrenpräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zum letzten freien Platz auf dem Podium geleitet. Lennart Johannsson, noch ein paar Jahre älter, saß schon da. Der frühere Präsident der Uefa, inzwischen 84 Jahre alt, ist nicht mehr gut zu Fuß. Aber der DFB-Bundestag ist für den Schweden so etwas wie ein Pflichttermin. Johannsson hatte sich vor allem auf das Wiedersehen mit Egidius Braun gefreut. Der frühere DFB-Präsident, so berichtete der heutige Amtsinhaber Wolfgang Niersbach, hatte sein Erscheinen fest zugesagt, musste dann kurzfristig aber absagen. Die Nachricht dahinter verstanden wohl die meisten der rund 250 Delegierten in Nürnberg: Denn es gibt da eben auch einen früheren Präsidenten, der keinen großen Wert mehr auf die Nähe zum DFB legt.

Vor anderthalb Jahren hat Theo Zwanziger sein Amt als DFB-Präsident aufgegeben. Er hat den Verband in seiner Amtszeit entscheidend geprägt und die großen gesellschaftlichen Themen auf die Agenda gesetzt. Doch gerade gemessen an seiner früheren Bedeutung ist es erstaunlich, wie sehr Zwanziger beim DFB inzwischen zur Unperson geworden ist. Speziell an der Basis, als deren Vertreter sich Zwanziger immer verstanden hat, ist das Unverständnis groß. Offiziell äußern will sich niemand über den Mann, der den deutschen Fußball immerhin noch in der Exekutive des Weltverbandes Fifa vertritt; inoffiziell heißt es: Da sei jemand dabei, sein Lebenswerk zu zerstören.

Gerade weil Zwanziger dem Amt so viel Profil verliehen hat, wurde sein Nachfolger Niersbach anfangs kritisch beäugt. Der neue DFB-Präsident gilt eher als Pragmatiker des Fußballs. Und in den ersten 18 Monate im Amt ist er diesem Ruf durchaus gerecht geworden. Immer noch aber stellen manche die Frage: Wofür steht Niersbach eigentlich? Seine 40 Minuten lange Rede vor den Delegierten hat in dieser Hinsicht wenig neue Erkenntnisse gebracht. Der Beitrag des Präsidenten ist eher Rechenschaftsbericht denn Grundsatzrede. Er reicht von der F-Jugend bis zur Champions League, vom Mädchenfußball bis zur WM 2022 in Katar („sehr belastend für den ganzen Fußball“).

Niersbach, der als Pressesprecher der Nationalmannschaft beim DFB angefangen hat, positioniert sich in Nürnberg auch als Mann der Basis. Wenn er „die große Bewegung unseres Amateurfußballs“ hervorhebt, wirkt das fast schon einschmeichelnd. Der Amateurfußball sei „eine Wertschöpfung, die eine bessere Wertschätzung verdient“, fordert Niersbach. Das Thema ist für den Verband durchaus essenziell. Der DFB verkündet zwar Jahr für Jahr neue Rekorde bei den Mitgliederzahlen, doch die sind vor allem auf den Zuwachs bei den Profivereinen zurückzuführen. Aktive Fußballer kommen nicht hinzu. In der Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen hat der DFB sogar 4000 Mannschaften verloren.

Es ist für den Verband ein Zukunftsthema, genauso wie die Bewerbung für die Europameisterschaft 2024, die Niersbach in Nürnberg verkündet hat. Elf Jahre sind es bis dahin noch, trotzdem sei es richtig, den Hut jetzt schon in den Ring zu werfen, sagt der DFB-Präsident: um allen Konkurrenten frühzeitig zu signalisieren, dass sie mit einem nicht ganz so schwachen Bewerber zu rechnen hätten. Die EM 2024 ist jetzt so etwas wie das Meta-Thema für Niersbachs erste ordentliche Amtszeit als Präsident. „Das ist kein PR-Gag, das ist unsere klare Vision“, sagt er. Es ist eine Vision für den gesamten deutschen Fußball, und wenn sie Erfolg hätte, wäre die EM 2024 auch so etwas wie ein Denkmal für Niersbach und seine Präsidentschaft.

Als seine Wiederwahl ansteht, gehen die Stimmkarten in die Höhe. Unmittelbar danach setzt der Applaus ein. Gegenstimmen, Enthaltungen? Die Gegenprobe wird gar nicht erst angestellt. Wolfgang Niersbach sagt: „Es ist schön, das Gefühl der Rückendeckung zu haben.“ Stefan Hermanns

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