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Sport: Die Angst vorm Torwart beim Elfmeter

Der AC Mailand gewinnt das italienische Champions-League-Finale gegen Juventus Turin – und feiert einen Brasilianer

Manchester. Nur ungern hatten die Engländer den AC Mailand und Juventus Turin eingeladen, in Old Trafford die italienische Meisterschaft auszuspielen. Nicht nur, weil sie eigentlich mit ihren Helden von Manchester United im Finale der Champions League gerechnet hatten, sondern vor allem, weil in England der klassische catenaccio, der Defensiv-Riegel so verpönt ist wie sonst nirgendwo. So fühlten die Tifosi von Juve und Milan sich und ihren Fußball von Anfang an nicht richtig gewürdigt. Daran änderte sich auch nichts, als Milan nach 120 torlosen Minuten im Elfmeterschießen 3:2 gesiegt hatte.

Mit Unbehagen schlichen die Italiener von den Pokal-Partys zu den Zeitungsständen, ahnend, dass das 0:0 als Nahrung für die Kritik catenaccio dienen würde. Die Tifosi hatten ihrerseits Hochgeschwindigkeits-Fußball gesehen und immerhin 18 Eckbälle. Tore aber gab es nicht, einmal abgesehen von einem Abseitstreffer von Andrej Schewtschenko, dem der gute Schiedsrichter Markus Merk aus Kaiserslautern zu Recht die Anerkennung versagte.

„Es sah sehr hässlich aus in Old Trafford", befand der Daily Mirror. Andere waren um mehr Höflichkeit bemüht in ihrer Wertung: „Die Italiener stellen den Kopf vor Schönheit“, befand die Times, klärte aber gleich auf, dass ein Kopf nicht nur etwas sei, mit dem man einen langen, hohen Ball auf die Tribüne befördert. Wer sah, wie Paolo Maldini und Alessandro Nesta in Milans Parade-Abwehr fast jeden noch so harten Ball mit nur einem Kontakt kontrollierten, der ahnt, was gemeint ist.

Die italienischen Blätter hatten andere Themen: Die „goldenen Hände von Dida“ (Il Piccolo di Trieste) und natürlich Andrej Schewtschenko, der „das Tor seines Lebens schoss“ (Corriere dello Sport). Torhüter Dida hielt nach 120 torlosen Minuten gleich drei Elfmeter im Elfmeterschießen, das der Ukrainer Schewtschenko schließlich mit dem Sieg bringenden Treffer beendete. Silvio Berlusconi, in Personalunion Italiens Staatspräsident und Chef des AC Mailand, eilte in die Kabine und gratulierte Mannschaft und Trainer: „Ihr ward bravissimi.“

Der italienische Meister Juventus, vor zwei Wochen nach dem glanzvollen 3:1-Sieg im Halbfinale gegen Real Madrid noch in ganz Europa gefeiert, wurde dafür bestraft, dass er das Spiel nicht gestalten, sondern nur verwalten wollte. Trainer Marcello Lippi klagte vor allem über die Art und Weise, wie seine Mannschaft sich im Elfmeterschießen in ihr Schicksal gefügt hatte. „Vier, fünf Spieler wollten einfach nicht schießen", jammerte Lippi.

Auf Mailänder Seite sah das nicht viel anders aus. „Es blieben nur noch fünf Mann übrig, da musste sogar ich schießen", gestand der Holländer Clarence Seedorf. Auch er vergab seinen Elfmeter und feierte doch einen ganz besonderen Triumph: Seedorf ist der einzige Spieler, der mit nunmehr drei Mannschaften (Ajax Amsterdam, Real Madrid und nun Milan) die Champions League gewonnen hat.

Ähnlich Beachtliches kann Milans Trainer Carlo Ancelotti von sich behaupten. Er ist neben seinen Kollegen Muñoz, Trapattoni und Cruyff nun einer von nur vier Fußballern, die die Champions League als Spieler und Trainer gewonnen haben. Die Reihe der Jubilare komplettierte Milans Capitano Paulo Maldini, der 40 Jahre nach seinem Vater Cesare und 14 Jahre nach seinem ersten Triumph mit fast 35 Jahren seinen viertem Sieg in der Champions League feierte.

Dank la dolce difesa, der süßen Lust am Verteidigen.

Jens Friesendorf

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