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Sport: Die Anspruchsvollen

In 18 Tagen durch die Liga (15) – die Serie zum Fußball-Saisonstart / Heute: Hertha BSC

Die neue Saison der Fußball-Bundesliga beginnt am 9. August. Anhand von zehn Fragen stellen wir bis dahin alle 18 Vereine vor.

Wer hat das Sagen? Ein Satz sagt alles. „Je weniger etwas wissen, desto sicherer der Erfolg.“ Zu Hertha kam der Satz mit Dieter Hoeneß. Das war 1996. Seitdem ging es bergauf mit dem damaligen Zweitligisten. Hoeneß ist nie wirklich umstritten gewesen. Er war erst Vizepräsident, dann Manager. Heute lautet sein offizieller Titel: Sprecher der Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft auf Aktien. Anders gesagt: Hoeneß ist Herthas Kanzler. Frühere Präsidenten wie Zemaitat und Müller waren keine Gegner für Hoeneß, der wie kein anderer im Verein für fußballerischen Sachverstand steht. Dem Aufsichtsrat steht Rupert Scholz vor, Präsident ist Bernd Schiphorst. Mit ihnen stimmt sich Hoeneß maximal ab, aber was er nicht will, wird auch nicht gemacht. Hoeneß führt straff. Mitwisser gibt es wenige. Dieter Hoeneß sei unumstritten, aber er müsse aufpassen, dass er nicht alles an sich reiße, sagte neulich einer aus dem Aufsichtsrat.

Was ist das Besondere? Die Geschwindigkeit der Entwicklung ist anderswo nicht halb so hoch. Hertha spielt erst seit 1997 wieder in der Bundesliga. Seit vier Jahren in Folge ist Hertha in internationalen Wettbewerben vertreten. Das schafften sonst nur die Bayern und Leverkusen. Allerdings war es dreimal in Folge nur der Uefa-Cup. Auf Sicht zu wenig für den Verein, der sich mittelfristig als die neue Mitte des deutschen Fußballs sieht. Noch einmal nur Uefa-Cup hieße Stillstand. In Berlin bedeutet Stillstand Rückschritt. Und noch etwas: Es reicht nicht, nur Erfolg zu haben. Die Fans pfeifen selbst bei Siegen, wenn der Sieg nicht auch gut aussieht.

Was hat sich verbessert? Äußerlich nicht viel. Die Mannschaft blieb im Wesentlichen zusammen. Nur zwei Spieler, Deisler und Daei, verließen den Klub. Drei Spieler, der polnische Nationalspieler Bartosz Karwan, der deutsche U-21-Spieler Arne Friedrich sowie der brasilianische Weltmeister Luizao, kamen hinzu. Die personelle Grundordnung blieb bestehen. Das kann, muss aber nicht von Vorteil sein. Interessant wird sein, ob und wie und wann sich auswirkt, dass bei elf Spielern im Sommer 2003 die Verträge auslaufen. Auf eine eingespielte Elf wird Trainer Huub Stevens zu Saisonbeginn nicht zurückgreifen können. Stammspieler wie Beinlich, Rehmer und van Burik sind noch verletzt.

Wie sicher ist der Trainer? Eine interessante Frage. Geholt wurde Huub Stevens, weil ihm zugetraut wird, was seinem langjährigen Vorgänger Jürgen Röber nicht mehr zugetraut worden war. Unter Stevens gewann Schalke den Uefa-Cup und wurde zweimal in Folge DFB-Pokalsieger. Mit Stevens will Hertha den nächsten Schritt gehen: die Top drei in Deutschland und die Top 20 in Europa. Daran wird Stevens gemessen. Die Vorbereitung lief gewohnt gut. Wie schon unter Röber gewann Hertha unter Stevens den Ligapokal. In der vorigen Saison legte Hertha in der Bundesliga einen glatten Fehlstart hin: Rang 13 nach sieben Spielen. Hoeneß stärkt dem Trainer uneingeschränkt den Rücken. Stevens’ Vita stehe für Erfolg, garantieren könne sie den aber nicht. Jetzt sei die Mannschaft gefordert, neu zu denken. Sie müsse zeigen, dass sie titeltauglich ist.

Wie passen die Neuen? Der junge Friedrich überzeugte am ehesten. Der Verteidiger muss sich noch an das hohe Tempo in der Bundesliga gewöhnen, zeigte aber gute Ansätze. Karwan, der für die rechte Seite geholt wurde, traut sich momentan zu wenig zu. Der Pole ist beiderseits des Spielfeldrandes sehr zurückhaltend. Über Luizao lässt sich zurzeit nur sagen, dass er von der Physis her näher dem WM-Urlaub denn der Startelf am Freitag in Dortmund ist. Der brasilianische Abwehrspieler Nené, der seit Wochen bei Hertha vorspielt und noch nicht überzeugen konnte, wird heute im Vorbereitungsspiel beim PSV Eindhoven noch einmal getestet.

Welche Taktik wird verfolgt? Stevens hat eine einfache Formel für seine Elf: Ein Torwart plus fünf defensive Spieler plus fünf offensive Spieler. Zwei Systeme schweben ihm vor: ein 3-5-2- und ein 4-4-2-System. Vor einer Dreier-Abwehrkette würden zwei defensive Mittelfeldspieler agieren, vor einer Viererkette nur einer. Die Außenbahnen werden offensiv besetzt. Im Idealfall sollte die Stammelf so aussehen: Kiraly - Rehmer, van Burik, Simunic - Karwan, Dardai, Marcelinho, Beinlich, Goor - Alves, Preetz.

Wer sind die Stars? Bisher war der einzige Star Marcelinho. Momentan ist es noch der neue Trainer. Luizao könnte es werden, oder doch wieder Marcelinho. Sonst ist keiner in Sicht, der dazu taugt. Wenn gar nichts geht, ist Dieter Hoeneß da.

Wie wird der Mangel verwaltet? Die ganze Liga jammert über die Kirch-Krise. Die ganze Liga? Im Osten der Republik gibt es einen Verein, der gute Laune verbreitet. „Mir ist viel zu wenig über die Chancen geredet worden“, sagt Dieter Hoeneß. Ohne den Zusammenbruch der Finanzen in der Fußballwelt hätte Hertha einen Spieler der Güteklasse Luizao niemals verpflichten können. „Vor einem Jahr waren alle Spieler unverkäuflich“, sagt Hoeneß. Die aktuellen Lücken im Etat – zu den 20 Millionen Euro Verbindlichkeiten – werden nach dem Motto gestopft: Kleinvieh macht auch Mist. Der Verein hat neue Sponsoren akquiriert, das Merchandising-Geschäft intensiviert, den Kartenverkauf angekurbelt und so weiter und so fort. All das deckt fast die Ausfälle, die durch den neuen Fernsehvertrag entstanden sind. Die Spieler jedenfalls können beruhigt sein. „Ein Eingriff in bestehende Verträge ist nicht notwendig“, sagt Manager Hoeneß.

Was gibt das Stadion her? Immer noch nicht das, was sich Herthas Vereinsführung erhofft, aber die Zukunft wird irgendwann himmelblau sein – wie vielleicht auch die Tartanbahn im dann komplett umgebauten Olympiastadion. Bis dahin müssen die meisten der 55 000 Zuschauer mit dem Komfort einer Baustelle vorlieb nehmen. Immerhin sind die ersten sieben Logen mit insgesamt 70 Plätzen fertig und vermietet. Jede kostet 10 000 Euro und bietet den entsprechenden Luxus. 30 weitere Anfragen mussten mangels Masse abschlägig beschieden werden. Wenn der Umbau des Stadions fertig ist, stehen 1200 Logenplätze zur Verfügung.

Wie sind die Fans? Anspruchsvoll. Oder besser: zu anspruchsvoll. Der Berliner Fan vergisst offensichtlich noch ein bisschen schneller als andere Fans, wie es früher war. Früher ist bei Hertha erst fünf Jahre her und hieß: sportliches Mittelmaß, chaotische Führung, Trainerentlassungen in Serie. Das ist vorbei, und doch scheinen manche Anhänger erst dann zufrieden zu sein, wenn Hertha endlich die Champions League gewonnen hat. Am besten in dieser Saison. Als der Klub im vorigen Jahr nur im Uefa-Cup spielte, verkaufte Hertha kaum mehr Dauerkarten als der 1. FC Köln. In diesem Jahr sind es schon 23 000. „Wir sind überzeugt davon, dass wir die 25 knacken werden“, sagt Dieter Hoeneß. Das wäre dann ein neuer Rekord.M. Rosentritt/S. Hermanns

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