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Sport: Die asiatische Offensive

Mehr als ein Marketing-Gag: Der Iraner Ali Karimi soll die Bayern vor allem sportlich voranbringen

Vor kurzem war Louca Moussa Baba zu Gast bei seinem früheren Arbeitgeber an der Säbener Straße. Der Mann aus dem Benin brachte es beim FC Bayern zu überschaubarem Ruhm, er kickte Ende der Achtziger einige Jahre für die Amateure, doch da man das in seiner Heimat nicht so genau nahm, wurde er dort als Spieler des berühmten Münchner Fußballklubs aufrichtig verehrt. Für die Strategen der FC Bayern AG war seine Popularität von geringem Nutzen, der westafrikanische Markt hat für sie nachgeordnete Priorität – ganz im Gegenteil zu jenem, auf dem der Mann ein Star ist, mit dem sich Baba unterhielt: Ali Karimi. Die beiden kennen sich gut, Baba war bis vor kurzem Karimis Kotrainer bei Al-Ahli Dubai.

Nachdem die Bayern die Verpflichtung des 87-maligen iranischen Nationalspielers bekannt gegeben haben, reifte schnell der Verdacht, der Transfer sei eine Marketing-Maßnahme und Karimis Position nicht die hinter den Spitzen, sondern die als Türöffner zum asiatischen Markt. Seitdem das fußballverrückte Asien im Kreise der großen europäischen Vereine als lukrativer Markt geschätzt wird, bemühen sich auch die Bayern, an dem fernöstlichen Geschäft angemessen zu partizipieren. Asiens Spieler des Jahres vom Mannschaftsfoto lächeln zu lassen, könnte durchaus einen Schub für die Popularität in Asien bedeuten. Doch das reicht den Verantwortlichen nicht. Ein sportlicher Mehrwert sei die entscheidende Bedingung für eine Verpflichtung, hat Manager Uli Hoeneß stets betont.

Hinter dem Deal steckt noch eine ganz andere Geschichte: die des begnadeten Fußballers Ali Karimi. Das Gehirn der iranischen Nationalmannschaft, das beim Länderspiel gegen Deutschland im Oktober eine Stunde lang Regie führte, verkörpert den wohl wertvollsten Beitrag, den der Iran zur Fußballkunst je geleistet hat. Wenn Trainer Felix Magath seine Spieler in diesen Tagen hin und wieder den Medizin- gegen einen normalen Ball eintauschen lässt, sticht seine Klasse hervor. In den vergangenen Jahren paarte sich mit dieser Kunstfertigkeit jedoch eine Vorliebe für Muße, weshalb es Karimi vorzog, sich seine Altersversorgung in Dubai zu sichern und Offerten aus La Coruña, Monaco oder Paris auszuschlagen.

Die Entscheidung für die Bayern war also eine zugunsten der eigenen Karriere, der vielleicht etwas verspätete, aber nicht zu späte Versuch, auch in Europa zu einer anerkannten Größe zu reifen. Warum er frühere Angebote ausgeschlagen habe und das der Bayern nicht? „Für einen Vertragsabschluss müssen alle Komponenten stimmen. Das war damals nicht gegeben, aber nach München bin ich mit ganzem Herzen gekommen“, lässt der 26-Jährige von seinem Begleiter übersetzen. Karimi spricht ein bisschen Englisch, Deutsch bisher nicht.

Leicht wird es nicht, sich in Bayerns Schweinsteiger-Deisler-Scholl-Zé-Roberto-Ballack-Mittelfeld durchzusetzen – zumal sich Karimi in Deutschlands höchster Spielklasse erst eingewöhnen muss. Im Vergleich zu der Orchideenliga im Fernen Osten geht es hierzulande um Welten schneller und körperbetonter zur Sache. Doch Bayerns Trainer Felix Magath ist ja dafür bekannt, dass er seine Spieler besonders unnachgiebig in ihre körperlichen Grenzbereiche drängt.

Die ersten Wochen der Zusammenarbeit haben beide als durchaus ersprießlich empfunden. Karimi sagt: „Es wird wahrscheinlich eine Zeit lang dauern, bis ich mich an den deutschen Fußball gewöhnt habe, aber ich habe in den ersten zwei Wochen alles mitgemacht. Im Moment bin ich ein bisschen müde, aber ich bin zuversichtlich, dass ich bis zum Saisonstart im Idealzustand bin.“ Magath sagt: „Er hat nicht so viel konditionelle und körperliche Substanz, die muss er erst aufbauen, das dauert eine Weile. Aber er hat alle Einheiten mitgemacht und sich nicht hängen lassen. Es ist noch schwer für ihn, das Tempo über 90 Minuten zu halten. Aber ich freue mich auf die Zeit, in der es soweit ist.“ Da er beidfüßig ist, könne er problemlos auf beiden Seiten spielen, „aber auch im Zentrum, weil er sehr viel Übersicht und Spielverständnis mitbringt“. Auf Dauer sei Karimi ohne Frage eine vollwertige Kraft.

Bei seinen Landsleuten Ali Daei und Vahid Hashemian erfüllte sich diese Hoffnung nicht, nach jeweils einem Jahr mussten beide die Bayern verlassen. Karimi ist eine andere Größenordnung, und die Bayern dürfen sich noch dazu beglückwünschen, einen recht risikoarmen Deal eingegangen zu sein. Der Iraner kostete keine Ablöse und begnügte sich mit einem Ein-Jahres-Vertrag plus Option.

Daniel Pontzen[München]

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