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Sport: Die Aura des Weltmeisters

Luizaos Einwechslung weckt Herthas Fans und beschert ihnen noch ein 1:1 gegen Stuttgart

Von Michael Rosentritt

Berlin. Als das Spiel niemand mehr mitansehen mochte, griff Huub Stevens zum letzten Mittel. Wie zur Besänftigung der 50 000 Besucher im Berliner Olympiastadion, die 70 Minuten der Schwüle und dem müden Kick auf dem Rasen getrotzt hatten, warf der Trainer von Hertha BSC den Brasilianer Luizao ins Spiel. Und tatsächlich, für einen Moment herrschte eine Atmosphäre, als reiche allein die Anwesenheit des Stürmers aus dem Land des Weltmeisters, um das Berliner Spiel entscheidend zu inspirieren. Reichte natürlich nicht. Denn was die Zuschauer in den verbleibenden 20 Minuten sahen, das war nur unwesentlich besser als das, was sich in der ersten Halbzeit gegen den VfB Stuttgart zugetragen hatte und von dem Stevens später sagte: „Wir haben die erste Halbzeit total verschlafen.“

Die Hereinnahme des großen Hoffnungsträgers hatte zumindest die Besucher geweckt. Es wurde freundlich geklatscht auf den Rängen, bis keiner mehr wusste, warum eigentlich. Luizao, der über den Sommer ausgelassen den Gewinn des WM-Titels gefeiert hatte und seit vier Wochen in Berlin um seine Fitness ringt, brachte es gegen Stuttgart auf sechs Ballkontakte. Drei seiner fünf Zweikämpfe gewann er. Und er passte einmal passabel auf Arne Friedrich quer, der darauf, fünf Minuten vor Schluss, zum 1:1-Endstand traf. Stevens, der sich nur ungern zu einer Einzelkritik hinreißen lässt, übte sich nach dem Spiel in Diplomatie: „Luizao hat das geleistet, was er momentan kann. Jeder hat gesehen, dass er noch ein wenig von seiner Topform entfernt ist.“

Überhaupt war die komplette Berliner Mannschaft ein wenig entfernt von dem, was allgemein erwartet wird und was wohl auch Spieler, Trainer und Manager selbst erwarten. „Wir können die Meisterschaft nicht herbeireden“, sagte Dieter Hoeneß. „Da muss mehr kommen, schon um den dritten Platz zu erreichen.“ Niemand werde jetzt in Panik verfallen, „aber die Defizite werden wir klar ansprechen“.

Huub Stevens machte nach dem Spiel den Eindruck, als fühlte er sich beleidigt von der Leistung seiner Mannschaft. „Ich hatte sie schon am Donnerstag gewarnt. Viele wirkten abgelenkt. Manche müssen begreifen, dass sie Leistung nicht in den Zeitungen bringen sollen, sondern am Sonnabend auf dem Fußballplatz.“ Zu den Ablenkungen der Woche gehörten unter anderem auch die Berufungen einzelner Spieler in ihre jeweiligen Nationalmannschaften. Betroffen davon ist auch Arne Friedrich, der zum deutschen Kader für das Spiel am Mittwoch in Bulgarien zählt, und das nach gerade zwei Bundesligaspielen. „Er hat das Tor getroffen, aber auch er hat nicht so gespielt, wie ich mir das vorstelle“, sagte Stevens. Friedrich war nicht böse, dass er schon am Sonntag zur Nationalmannschaft reisen musste. Denn heute, am Montag, will Stevens noch einmal auf das Spiel vom Sonnabend zu sprechen kommen: „Diese erste Halbzeit werde ich nicht vergessen. Ich will am Montag hören, was die Spieler dazu zu sagen haben.“

Luizao ist ebenfalls in der komfortablen Situation, dass er sich dazu nicht äußern muss. Der 26-Jährige begab sich direkt nach dem Spiel auf den Weg nach Brasilien. Am Mittwoch spielt Brasilien in Fortaleza gegen Paraguay. „Das ist natürlich schön für den Jungen, die Ehrungen und das erste Spiel nach der WM. Aber wir haben ihn hier vier Wochen lang körperlich aufgebaut, und diese Reise wirft ihn wieder zurück“, sagte Stevens. Deswegen erörterte der Trainer mit Luizao auch einmal kurz die Möglichkeit einer Absage, verwarf diesen Gedanken aber wieder. „Es ist legitim, dass er da hingeht.“ Neben Friedrich und Luizao werden sechs weitere Stammspieler anderweitig beschäftigt sein. Hertha spielt am Sonntag auf Schalke, wo Stevens sechs Jahre lang Trainer war. Schon wegen dieser Konstellation wird Stevens darauf bedacht sein, dass Hertha BSC sich in dieser Partie anders präsentiert als am Samstag gegen Stuttgart. Die Mannschaft wird es zu hören bekommen. Pech für die Spieler, die hier bleiben müssen.

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