zum Hauptinhalt
Keiner fliegt schöner Arjen Robben führt eine Art choreografierte Improvisation auf.

© Imago

Die besten Schauspieler im Fußball: And the Oscar goes to ... Arjen Robben

Tatort-Kommissar Christian Ulmen hat für uns die besten und schlechtesten Schauspieler unter den Fußballern ausgewählt. Hier sind seine acht Oscars.

Schauspielen gehört zum Fußball. Aber wer windet sich am besten, wer macht die schönsten Schwalben? Tatort-Kommissar Christian Ulmen vergibt unsere Fußball-Awards.

Bester Hauptdarsteller: Arjen Robben

Auch im Fußball gilt: Manchmal ist die Realität unglaubwürdiger als die Inszenierung. Selbst wenn du wirklich gefoult wurdest, reicht es nicht, einfach umzukippen. Du musst das theatralisch verstärken, damit der Schiedsrichter es auch wahrnimmt. Im Theater heißt es: Du musst für den spielen, der in der letzten Reihe sitzt. Deutlich sprechen, jede Geste groß machen. Arjen Robben ist ein Meister dieses Schauspiels. Matthias Sammer nennt ihn zwar einen ehrlichen Profi. Aber wie definiert man Ehrlichkeit, wenn man für Uli Hoeneß arbeitet?

Eine Schwalbe ist eigentlich improvisiertes Schauspiel, da muss man in Sekundenbruchteilen entscheiden. Es ist schon hohe Kunst, das mit einer inneren Logik stimmig abzubilden. Robben macht das genial, indem er eine Art choreografierte Improvisation durchführt. Er legt es oft darauf an, in den Gegenspieler hineinzulaufen, damit der ihn berührt, deswegen ist er auf die Situation vorbereitet.

Es gibt zwei Komponenten, um Stunts im Film glaubwürdig werden zu lassen. Einmal das Spiel des Schmerzes, der Ausdruck von Pein. Wie Robben das Gesicht verzieht, ist schauspielerisch famos. Das sieht zwar immer gleich aus, aber man kann damit durchkommen. Robert de Niro spielt letztlich auch alles gleich.

Christian Ulmen,40, spielte unter anderem in Kinofilmen "Herr Lehmann". Derzeit ist er im "Tatort" als Kommissar Lessing zu sehen.
Christian Ulmen,40, spielte unter anderem in Kinofilmen "Herr Lehmann". Derzeit ist er im "Tatort" als Kommissar Lessing zu sehen.

© Imago/Lumma Foto

Das andere ist die Technik. Wann falle ich wie? Der Ablauf an sich stimmt bei Robben, da ist alles aus einem Guss, er reißt meist die Knie und die Arme nach oben, um zu verdeutlichen, dass er gefoult wurde. Aber er hat manchmal Probleme mit dem Timing und ist zu spät dran. Dann erkennen wir sein Spiel, weil wir sehen, es gab nicht wirklich einen Anlass. Beim Film würde man sagen: Das lösen wir im Schnitt. Hier würde ich sagen: Das lösen wir durch Training.

Bester Nebendarsteller: Miroslav Klose

Seine Eitelkeit ist die Bescheidenheit: Miroslav Klose.
Seine Eitelkeit ist die Bescheidenheit: Miroslav Klose.

© Imago

Wenn du auf einer Bühne oder in der Arena stehst, ist es praktisch unmöglich, du selbst zu sein. Das ist ein so künstlicher Rahmen, du musst in diesem Moment etwas herstellen. Jeder legt sich dafür etwas zurecht, und sei es unterbewusst. Kevin-Prince Boateng macht den Ghetto-Rapper, und Miroslav Klose spielt dann den netten Miro. Das ist nicht zwangsläufig authentisch, es ist ein Spiel, Koketterie. Klose ist nicht blöd, er wird irgendwann gemerkt haben, dass das ankommt. Seine Eitelkeit ist die Bescheidenheit. Das ist seine Rolle, die hat er kultiviert – und er spielt sie gut.

Ehrlichster Schauspieler: David Luiz

Ihr seht ja, dass ich schummle: David Luiz.
Ihr seht ja, dass ich schummle: David Luiz.

© Imago

Es gibt diese Szene: David Luiz liegt an der Eckfahne, windet sich, mit dem Rücken zum Schiri – und grinst in die Kamera. Das Lachen spielt mit der vierten Ebene, wie Woody Allen, wenn er in die Kamera spricht. Mit den Fans geht Luiz so das stille Einverständnis ein: Ihr seht’s ja eh, dass ich schummle – also guckt mal, wie toll ich die Schwalbe mache. So wird der Zuschauer zum Verbündeten – und ihn will man ja auch nicht verarschen, nur den Schiedsrichter. Wenn er pfeift, hast du alles richtig gemacht, auch wenn das Stadion buht. Das Ziel ist der Freistoß und nicht der Applaus.

Bestes Method Acting: Thomas Müller

Bleibt immer in der Situation so wie hier im-WM-Spiel gegen Portugal: Thomas Müller.
Bleibt immer in der Situation so wie hier im-WM-Spiel gegen Portugal: Thomas Müller.

© Imago

Thomas Müller ist ein natürlicher Entertainer. Er hat etwas Bayerisches, Volkstümliches, dem glaubt man sogar die Milchwerbung. Das kann man nicht lernen. Er macht keine klassischen Schwalben wie Robben, er nimmt nur die Sachen an, die real passieren, und übertreibt sie. Das ist der schmale Grat zwischen Erfinden und Verstärken. So hat er bei der WM 2014 auch die Rote Karte für Portugals Pepe provoziert. Die ursprüngliche Situation, als Pepe ihn im Gesicht berührt, wäre kein Rot gewesen. Da übertreibt Müller. Als Pepe ihm dann die Stirn bietet, verlässt Müller die Schauspielerei und gibt seinem realen Ärger Platz. Er steht auf und schimpft. Das Aufregen ist das Substitut fürs Fallenlassen – nicht gespielt und deshalb extrem glaubwürdig.

Müller macht selten den größten Fehler: zum Schiedsrichter gucken, um sich Feedback zu holen. Du musst weiterspielen, in der Situation bleiben und hoffen, dass es irgendwann geglaubt wird. Es ist ja nicht zu Ende, wenn du am Boden liegst. Danach geht’s weiter: Schmerzschrei, aufstehen, humpeln.

So etwas rein aus der Fantasie heraus zu spielen, ist wahnsinnig schwer. Aber die Spieler haben ja Schmerzerfahrung aus wahren Fouls, die müssen sie in diesen Momenten nur reaktivieren. Das ist klassisches Method Acting, das habe ich früher in der Schule auch gemacht. Da habe ich mir die fiktiven Bauchschmerzen so stark vorgestellt, bis ich sie real spürte. Und dann bin ich zum Lehrer gegangen.

Bester Statist: Cristiano Ronaldo

Macht die Arbeit eines Models aus dem Katalog: Cristiano Ronaldo
Macht die Arbeit eines Models aus dem Katalog: Cristiano Ronaldo

© Imago

Cristiano Ronaldo hat eine gewisse Statuenhaftigkeit. Er spielt keine Rolle, sondern macht eher die Arbeit eines Models aus dem Otto-Katalog. Es geht um einen Look, darum, frisch, schön, attraktiv auszusehen. Die eigene Eitelkeit steht ihm permanent im Weg. Man hat das Gefühl, dass er sich ständig von außen dabei beobachtet, wie er jetzt wohl wirkt. Noch über dem Ziel eines Champions-League-Siegs steht bei ihm, dabei auch gut auszusehen.

Ronaldo hat große Angst davor, die Kontrolle über sein Wirken zu verlieren. In der Öffentlichkeit will er jegliche Emotion verbergen, ob positiv oder negativ. Das kann eine Form von Schüchternheit sein. So einer kann dann aber nicht schauspielen. Dazu musst du loslassen, es muss dir scheißegal sein, wie du gerade aussiehst. Ronaldo könnte man beim Film nur hinten als Statist ans Set stellen.

Bei einer Schwalbe hätte er Angst, dass seine Frisur verrutscht

Nur ganz selten bröckelt diese Fassade. Bei der Verkündung zum Weltfußballer entgleiten ihm Jahr für Jahr ganz kurz vor der Bekanntgabe die Gesichtszüge, weil er aufgeregt ist. Das kaschiert er dann immer, indem er so tut, als würde es am Auge jucken. Da bekommt er Angst, eine intime Regung zu zeigen und von Emotionen übermannt zu werden. Selbst sein Lächeln nach dem Sieg will er nicht mit uns teilen, da dreht er sich weg und lächelt für sich. Nicht einmal seinen Sohn lässt er in der Öffentlichkeit an sich heran. Er behandelt ihn auf der Bühne so sachlich, als hätte er gerade ein Friedensabkommen mit einem Politiker geschlossen.

Wenn Ronaldo spielt, spielt er fürchterlich. Er kann nicht mal eine Schwalbe machen, weil er Angst hat, dass dann die Frisur verrutscht. Er baut das nicht auf wie Robben, er stürzt nicht schön, sondern fällt ruckartig aus dem Nichts heraus. Das wirkt hasenfüßig, ballerinenhaft, unnatürlich. Außerdem lässt er sich nie komplett auf das Spiel ein. Er guckt währenddessen schon zum Schiedsrichter, ob er ihm auch das glaubt. Den Schmerz kann er auch nicht darstellen, seine Mimik ist zu künstlich. Seine Wut darüber, dass er das nicht kann und er einen Freistoß nicht kriegt, ist deutlich glaubwürdiger.

Schlechtester Schauspieler: Timo Werner

Lief weiter, anstatt sich fallen zu lassen und blieb dadurch privat: Timo Werner.
Lief weiter, anstatt sich fallen zu lassen und blieb dadurch privat: Timo Werner.

© Imago

Gegen Hertha wurde Stuttgarts Timo Werner im Strafraum gefoult. Er ist weitergelaufen, vielleicht wollte er das Tor selbst schießen. Aber er hätte sich fallen lassen müssen, dann hätte es einen Elfer gegeben. So ist das Foul nicht gesehen worden – ein Beleg dafür, dass es notwendig ist zu spielen. Der Moment, auch wenn er im Kleinen stattfand, muss für den Schiedsrichter darstellerisch vergrößert werden. Da gibt es viele Nuancen, du kannst es fein und klein oder ganz groß zeigen. Werner aber hat schlicht gar nicht gespielt. Unter Schauspielern würde man sagen: Er ist privat geblieben. Es gibt mit Sicherheit Menschen, die sich nicht zum Schauspielen eignen. Bei Timo Werner würde ich es erstmal mit Nachhilfeunterricht versuchen.

Bestes Naturtalent: Jürgen Klopp

Allein mit sich und seiner Emotion: Jürgen Klopp verkündet in Dortmund seinen Abschied.
Allein mit sich und seiner Emotion: Jürgen Klopp verkündet in Dortmund seinen Abschied.

© Imago

In der Showbranche bauen die meisten eine Kunstfigur auf. Es gibt nur ganz wenige Beispiele von Authentizität, die auf der Bühne funktionieren. Ich habe mal gesehen, wie Thomas Gottschalk ins Flugzeug kam. Genau so wie bei „Wetten, dass...?“: Arme breit, nicken, „Servus, N’abend“. Der ist einfach immer so, er hat kein Lampenfieber, weil er ein kommunikativer Mensch ist und keine Rolle spielt. Ähnlich ist es bei Jürgen Klopp. Er ist das Gegenteil von Ronaldo, er guckt sich nie von außen an. Klopp ist allein mit sich und seiner Emotion. Als Schauspieler ist das perfekt, wenn man alles um sich herum vergisst und erst aufwacht, wenn die Kamera ausgeht. Aber das kriegt man nur selten hin.

Klopp ist so gesteuert von seinen Emotionen, dass er bei keiner Inszenierung mitmachen kann. Nehmen wir die Abschieds-Pressekonferenz bei Borussia Dortmund. Wenn er keinen Bock mehr auf Dortmund gehabt hätte, hätte er ein bisschen rumgeheult und versucht, das schnell hinter sich zu bringen, um nicht Gefahr zu laufen, enttarnt zu werden. Die Sache aber dauerte eine halbe Stunde, das hätte man nur spielen können, wenn man ein virtuoser, brillanter Schauspieler wäre. Aber auch jemand, der keine Erfahrung mit Schauspielerei hat, spürt, dass das bei Klopp echt ist. Das nimmt man unterbewusst wahr. Und deswegen ist Jürgen Klopp auch so beliebt.

Schwächstes Ensemble: Eintracht Braunschweig

Die anderen schießen Elfmeter und sie schauen nur zu: Eintracht Braunschweig.
Die anderen schießen Elfmeter und sie schauen nur zu: Eintracht Braunschweig.

© Imago

Bei einem Elfmeter gehört die Reklamation des gesamten Teams als Grundrauschen dazu. Wenn das nicht passiert, fehlt die passende Atmosphäre, das richtige Setting für den Schiedsrichter. In diesem Ensemblespiel müssen alle mitimprovisieren, die glaubwürdige Reklamation ist Pflicht. Da gibt es durchaus Klassenunterschiede. Im DFB-Pokalspiel hat der VfB Stuttgart einen Elfmeter gekriegt, Eintracht Braunschweig einen viel klareren nicht – auch weil sie statt reklamiert eher resigniert haben. Einer ist sogar gleich zur Ecke durchgelaufen. Das hat wahrscheinlich mit Erfahrung und dem Level der Professionalität zu tun. Unterbewusst setzt sich sicher irgendwann fest, dass geschlossene Reklamation sich auf lange Sicht doch auszahlt, und wenn sie nur den Respekt des Schiedsrichters vor der Mannschaft erhöht, damit der sie doch mal begünstigt. Die Bayern sind auch deswegen so stark, weil sie dieses Ensemblespiel perfekt beherrschen.

Aufgezeichnet von Christian Hönicke und Kilian Klaus.

Christian Ulmen

Zur Startseite