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Sport: Die Bestrafung

Witali Klitschko rächt seinen Bruder und schlägt Corrie Sanders eindrucksvoll – jetzt ist er der wahre Champion im Schwergewicht

Los Angeles. Der große Bruder ist eben auch der stärkere. Weil Witali Klitschko kein Kinn aus Glas, sondern aus Granit hat, steckte er all die krachenden Hiebe mit der linken Hand von Corrie Sanders weg, die vor 13 Monaten Wladimir viermal zu Boden gestreckt hatten. In einer archaischen Ringschlacht, die selbst Lennox Lewis („Ich bin jetzt ein Fan“) unter den 17 000 begeisterten Zuschauern im Staples Center von Los Angeles von seinem Stuhl riss, zermürbte Witali mit stechenden linken und harten rechten Geraden den zähen Rechtsausleger aus Südafrika. Nach 2:46 Minuten der achten Runde war Corrie Sanders stehend k. o. und Witali Klitschko mit 32 Jahren der wahre Weltmeister im Schwergewicht, WBC-Champion und Nachfolger von Lennox Lewis.

Nach einem Schlaghagel mit abschließendem rechten Volltreffer taumelte der schwer angeschlagene, aber tapfere Sanders rücklings in die Seile. Ringrichter Jon Schorle warf sich schützend vor den Wehrlosen und beendete das Gemetzel. Über seinen Manager Vernon Smith ließ Sanders später ausrichten, er sei dankbar für den Abbruch. Sanders, schwer gezeichnet auf der linken Gesichtshälfte, wurde mit gebrochener Nase und geplatztem Trommelfell ins Krankenhaus gebracht.

Witali Klitschko hatte zwar kein Feuerwerk der Boxkunst abgebrannt, aber er habe sich „durchgebissen“, wie sein stets kritischer Trainer Fritz Sdunek nach seinem 75. WM-Kampf anerkannte. „Denn es hat zwei-, dreimal richtig gekracht.“ Vor allem in der ersten Runde, als Klitschko in einen linken Konter lief, dessen Wucht jeden anderen umgehauen hätte. Ihm knickten nur kurz die Knie ein. Es war ihm eine Warnung: „Wie durch einen Computer habe ich umgeschaltet, denn noch so ein Fehler hätte das Ende sein können.“ Sanders gab immer wieder den Anschein, als sei er total erschöpft, um dann urplötzlich zu explodieren. „Er wollte mich austricksen“, sagte Klitschko. Doch längst hatte er den Gegner auf beweglichen Beinen, mit reaktionsschnellen Meidbewegungen und seiner dominierenden Linken unter Kontrolle. Ende der fünften Runde taumelte der Südafrikaner am Seil entlang in seine Ecke. 230:51 gelandete Treffer – so die Statistik – belegen Klitschkos Überlegenheit. Manager Klaus-Peter Kohl atmete tief durch: „Nachdem mir zweimal kurz das Herz stehen blieb, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen.“

Herz und Härte zeichneten den Koloss aus Kiew aus, der Kraft wie ein Herkules, starke Nerven und einen Willen besitzt, der Berge versetzt. „Wenn auch ich verloren hätte, wäre das ein Desaster für die Klitschkos geworden“, sagte Witali nachdenklich. Die Familienehre war wiederhergestellt. Auf der Pressekonferenz legte er den WBC-Gürtel auf den Tisch und vermachte eine Hälfte seinem Bruder: „Wir verlieren zusammen und siegen zusammen.“ Dem jüngeren Bruder war zwei Wochen nach dem K. o. gegen Lamon Brewster die Erleichterung anzusehen. „Ich bin überglücklich und wahnsinnig stolz auf meinen Bruder. Denn mit meiner Niederlage habe ich seine Aufgabe leider sehr erschwert.“ Wladimirs amerikanische Anwälte haben unterdessen in einem Brief an die WBO wegen der mysteriösen Umstände des Knockouts um eine sofortige Revanche gegen Brewster gebeten.

Lennox Lewis gratulierte seinem Nachfolger in der Kabine. „Die Versuchung zurückzukommen, ist immer da“, sagte der Ex-Champion und deutete damit ein mögliches Comeback an. 25 Millionen Dollar seien im Gespräch. Da steigt der Reiz natürlich. Mit Klitschkos Triumph hat zwar die neue Ära des Schwergewichts begonnen, doch eine Konfrontation mit der alten wäre das Interessanteste, was das sonst ausgedünnte Schwergewicht zu bieten hätte.

Witali hat Amerika erobert, allein und nicht im Doppelpack mit dem Bruder. Klitschko-Lewis II könnte die Dimension eines Jahrhundertkampfes erreichen. „Mein großer Wunsch ist, noch einmal gegen Lewis zu kämpfen“, sagte Witali Klitschko. Muss ja nicht gleich sein. Denn: „Meinen nächsten Kampf möchte ich nach den Olympischen Spielen in Deutschland machen.“

Hartmut Scherzer

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