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Jung und ganz oben. Kugelstoßer David Storl verteidigte seinen WM-Titel.

© AFP

Die Bilanz von Moskau: Schritt zurück nach vorn

Das junge deutsche Team schlägt sich gut bei der Leichtathletik-WM in Moskau und weckt Hoffnungen für die Zukunft. Eine Bilanz.

Der Blick in den Medaillenspiegel ist bei den Funktionären des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) seit Jahren verpönt – weil er das reale Bild nicht wiedergebe, wie es heißt. Lieber richten sie ihr Augenmerk auf die Nationenwertung, in welcher die Platzierungen von eins bis acht eingehen. Doch trotz der besonders punkteträchtigen sieben Medaillen (viermal Gold, zweimal Silber, einmal Bronze) liegt Deutschland unter den 210 angetretenen Ländern bei dieser Weltmeisterschaft auf Rang sechs – eine kleine Verschlechterung um einen Platz im Vergleich zu den vorangegangenen drei Weltmeisterschaften.

Mit dem kleinen Rückschritt kann der Verband gut leben. „Wir fahren mehr als zufrieden nach Hause“, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop. Er glaubt, dass die Läufer, Springer und Werfer den Spagat zwischen Neuausrichtung und Erfolgsstreben in der offiziell als „Übergangsjahr“ deklarierten nacholympischen Saison geschafft haben. Auch Cheftrainer Idriss Gonschinska sah die Mission Moskau erfüllt: Zum einen „im Sinne der Neuformierung der Nationalmannschaft vieles eingeleitet zu haben“ und andererseits „uns unter den besten Nationen zu finden“.

Der DLV hatte vom 66-köpfigen Team mit dem Durchschnittsalter von nur 25,1 Jahren nicht harte Medaillen in einer bestimmten Stückzahl, sondern weiche Ergebnisse in Form von Erfahrungswerten eingefordert. „Die Zielstellung war, junge Athleten zu integrieren. Das ist uns gelungen“, sagte Gonschinska. Es ist ein Wechsel auf die Zukunft. Gonschinska stellte fest: „Die Erfahrung, die man bei so einem Großereignis machen kann, kann man im Training nicht imitieren. In drei, vier Jahren können wir davon profitieren.“ Also bei Olympia 2016 in Rio und der WM 2017 in London. „Das Niveau und Potenzial kann noch höher werden. Das ist die Mannschaft der Zukunft“, sagte Prokop.

„Bemerkenswert“ – mit diesem Attribut bewertete Gonschinska immer wieder die Auftritte der deutschen Athleten, allen voran der Weltmeister. Zu Kugelstoßer David Storl sagt er: „Wie er sich souverän verhalten hat, nachdem sein Versuch ungültig gegeben wurde, das ist bemerkenswert in dem Alter. Wenn ein so junger Athlet den Titel verteidigt, ist das bemerkenswert.“ Zu Diskuswerfer Robert Harting sagt er: „Dreimal hintereinander Weltmeister, das ist auch bemerkenswert.“ Zu Stabhochspringer Raphael Holzdeppe sagt er: „Wenn der Höhenflieger der Saison, der Dominator mit dem Stab geschlagen wird, dann ist das bemerkenswert.“ Mit „Dominator“ meinte Gonschinska Renaud Lavillenie, den französischen Olympiasieger.

Die fünfte Medaille bei Großereignissen hintereinander von Stabhochspringer Björn Otto, diesmal Bronze, das Silber im Kugelstoßen von Christina Schwanitz, das „fast märchenhafte Comeback“ von Zehnkampf-Silbermedaillengewinner Michael Schrader ordnete Cheftrainer Gonschinska als „genauso bemerkenswert“ ein. Am Sonntag kam dann noch die Goldmedaille von Christina Obergföll im Speerwerfen hinzu (siehe Text links) Sportdirektor Thomas Kurschilgen sagt in seiner Bilanz: „Die Neuformierung der Nationalmannschaft ist erfolgreich eingeleitet, junge Athleten haben wichtige Erfahrungen sammeln können. Das ist eine gute Ausgangslage auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Rio 2016.“

Dass rund 80 Prozent der deutschen Athleten ihre Bestform erreichten oder das persönliche Jahreshoch gar überboten, ist ein erfreulicher Wert für den DLV. In 15 von 47 Disziplinen waren deutsche Athleten wegen Chancenlosigkeit allerdings nicht einmal am Start. Die angetretenen Läufer waren mit ganz wenigen Ausnahmen gemessen am Weltniveau zu schwach. Von 41 Athleten, die in Vorkämpfen antraten, scheiterten 19 in Runde eins. Allerdings hatte der Deutsche Leichtathletik-Verband etlichen Talenten durch die Nominierung eine Chance zum Lernen gegeben. Ein bisschen Schwund gab es auch sonst. Bemerkenswert war auch das Aus von Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler und ihrer Kollegin Kathrin Klaas in der Qualifikation und der Einbruch von Zehnkampf-Europameister Pascal Behrenbruch.

Einen Blick auf den Medaillenspiegel konnte sich die Führung aber auch nicht verkneifen: Platz fünf – das ist gut. Aus Daegu 2011 hatte der DLV ebenfalls sieben Medaillen mit nach Hause gebracht (3/3/1), von Olympia 2012 in London gar deren acht (1/4/3).

Reinhard Sogl

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