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Sport: Die böse Medaille

Judith Arndt gewinnt Silber im Straßenrennen – und ärgert sich öffentlich

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich über eine olympische Medaille zu freuen. Der japanische Schwimmer Kosuke Kitajima ballte gestern die rechte Faust und schrie seine Freude heraus. Die chinesische Schützin Du Li winkte verhalten ins Publikum. Die Geste aber, mit der sich Judith Arndt über ihre Silbermedaille im Straßenradrennen der Frauen freute, dürfte neu sein: Als sie nach 118,8 Kilometern vor dem Athener Rathaus über die Ziellinie fuhr, reckte sie ihren rechten Mittelfinger den Objektiven der Fotografen entgegen.

Später entschuldigte sich Arndt für ihre Geste, die ihr 200 Schweizer Franken Strafe bescherte. „So was darf nicht passieren“, sagte sie, „aber ich bin auch nur ein Mensch mit vielen Emotionen.“ Judith Arndt fiel es sichtlich schwer, sich mit ihrem zweiten Platz hinter der Australierin Sara Carrigan anzufreunden. „Eigentlich haben wir heute Gold verloren“, sagte die 28-Jährige aus Leipzig. „Wenn wir Petra Roßner nominiert hätten, hätte die Taktik ganz anders aussehen können.“ So galt die unfreundliche Geste im Ziel wohl dem Bund Deutscher Radfahrer und dessen Sportdirektor Burkhard Bremer. Dieser hatte ihre Lebenspartnerin und Mannschaftskollegin aus dem Profiteam Nürnberger nicht für die Olympischen Spiele nominiert. Statt der Deutschen Meisterin Petra Roßner nahm der Verband Judith Brodtka nach Athen mit. Die 23-Jährige hatte sich im Rennen zwar gelegentlich an der Spitze gezeigt, spielte jedoch eine untergeordnete Rolle.

Arndt hatte nach der Nicht-Nominierung ihrer Freundin, die gestern das Rennen von der Tribüne aus mit verfolgte und Arndt anfeuerte, sogar überlegt, die Olympischen Spiele zu boykottieren. Sie ließ sich jedoch umstimmen. Die Meinungsänderung brachte ihr eine Silbermedaille, die sie nicht glücklich macht. „Ich ärgere mich, weil sich die Australierin nicht an der Führungsarbeit beteiligt hat“, sagte Arndt, „am Ende war ich überhaupt nicht zum Spurten in der Lage.“ Mit Roßner im Team wäre die Situation anders gewesen, glaubt sie. „Wenn wir sie in einer Gruppe auf die Zielgerade gebracht hätten, wäre sie unschlagbar gewesen.“ Immerhin für ihre Sportart konnte sich Arndt freuen. „Ich weiß, dass die Medaille eine große Bedeutung für den Frauen-Radsport hat.“

Carrigan hatte sich 15 Kilometer vor dem Ziel alleine abgesetzt, doch Arndt schloss in der letzten von neun Runden zur Führenden auf. Die Deutsche setzte sich an die Spitze und versuchte, das Tempo hoch zu halten. Doch Carrigan konnte ihr bis auf die Zielgerade folgen. „Da war mir klar, dass es für mich nur um den zweiten Platz gehen kann“, sagte Arndt. Als die Australierin antrat, hatte sie ihr nichts mehr entgegenzusetzen. Auf Platz drei folgte die Russin Olga Slyusarewa. Die große Favoritin Leontien Zijlaard van Moorsel stürzte in der vorletzten Rund und musste das Rennen aufgeben. Auch Judith Arndt hatte Pech. Sie musste zwischendurch das Vorderrad wechseln, weil sich eine Plastiktüte in den Speichen verfangen hatte.

Es war bereits die zweite Medaille für Arndt bei Olympischen Spielen. In Atlanta hatte sie sich auf der Bahn die Bronzemedaille in der Einerverfolgung geholt. Auf der Straße tritt sie die Nachfolge von Hanka Kupfernagel an, die in Sydney ebenfalls eine Silbermedaille für den Bund Deutscher Radfahrer holte. Diese hatte ihre Leistung allerdings noch bejubeln können. Arndt, die für Deutschland die zweite Medaille holt, freute sich hingegen weniger.

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