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Sport: Die Brutalität steigt

Hooligans wüten nicht nur in Leipzig – der DFB will notfalls Stadien schließen

Berlin - Die Autos hatten deutsche Kennzeichen, ein „M“ für München. Darin passierten die Männer am Sonntag die Grenze zu Tirol, parkten ihre Autos an einer saftig grünen Wiese in Kufstein, Österreich, und prügelten aufeinander ein. Die Täter waren Hooligans. „Etwa 50 Männer haben sich auf der Wiese neben unserem Biomasseheizkraftwerk gerauft“, sagte ein Sprecher des zuständigen Bezirkspolizeikommandos in Österreich gestern dem Tagesspiegel. Jogger hätten die „Raufbolde“ entdeckt und die Polizei alarmiert. „So etwas haben wir noch nie erlebt in Kufstein“, sagte der Sprecher.

Es war dasselbe Wochenende, an dem in Leipzig die Hooligans wüteten. Während es in Tirol wohl ein „verabredetes Kräftemessen“ der Münchner Hooliganszene untereinander war, wie Kenner vermuten, attackierten 800 Leipziger Hooligans 300 Polizisten nach einem Pokalspiel in ihrer Stadt. In Fußball und Politik beginnt nun eine Sicherheitsdebatte. „Ich kann mir auch Stadien vorstellen, in denen kein Fußball mehr gespielt wird“, sagte Theo Zwanziger, Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Ein halbes Jahr nach der WM 2006 ist das hässliche Gesicht des deutschen Fußballs zurückgekehrt. Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ingo Wolf (CDU), kündigte an, „konsequent gegen die Krawallmacher“ vorgehen zu wollen, „die Amateurfußballspiele als Kulisse für ihre Gewalttaten nutzen“. Jedoch könne die Polizei das Problem nicht allein lösen. Bei zu hohem Risiko müssten die Spiele notfalls abgesagt oder in ein sicheres Stadion verlegt werden. Zwanziger regte die Absetzung aller Spiele in Sachsen am Wochenende an. „Es müssen sichere Stadien im Osten stehen, sonst gibt es keinen Fußball“, sagte er.

In Leipzig wurden am Sonntag 36 Polizisten und sechs Besucher verletzt, ein Polizist musste sogar einen Warnschuss abfeuern. Schon zuvor hatte es bereits einen Überfall von Hooligans in Bremen gegeben. Die Schlägerszene, die sich „Standarte Bremen“ nennt, hatte in der Nacht zum 21. Januar ein Fantreffen im Weserstadion gestürmt, Mobilar zerstört und eine Person verprügelt. „Wir haben bisher gegen 25 Personen Stadionverbote verhängt“, sagte ein Klubsprecher.

Die Spiele in sichere Stadion zu verlegen, dürfte das Problem allerdings kaum lösen. Denn in Stadien passiert in der Regel am wenigsten: dort gibt es Zäune, Videokameras, draußen toben die Männer.

Viele Gewalttäter haben bundesweites Stadionverbot. Rund 10 000 Männer zählt die Polizei zur gewaltbereiten deutschen Fußball-Szene, 7000 sind bei der „Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze“ (ZIS) beim Landeskriminalamt in Düsseldorf registriert. Nicht nur dort geht man Hinweisen nach, dass im Jahr eins nach der Fußball-WM Randale von deutschen Hooligans geplant ist (siehe Interview rechts). Die deutsche Nationalmannschaft spielt im Herbst in Wales und Irland, wo Krawall mit Briten befürchtet wird. Am 24. März spielt das Team in Prag. Bei Länderspielen in der Slowakei und in Slowenien hatten deutschen Chaoten jüngst randaliert.

Ermittler richten ihren Fokus auf den Südosten der neuen Bundesländer, wo es viele Gewalttäter gibt. Neben Leipzig zählen dazu Halle, Chemnitz und Dresden. Erst im Herbst hatten Hooligans aus der sächsischen Landeshauptstadt die Berliner Polizei nach einem Spiel attackiert und 23 Beamte verletzt. „Wir wurden mit massivster Brutalität angegriffen“, hatte ein erfahrener Beamter geklagt.

Dass Vereine die Kosten für die Einsätze übernehmen sollen, nennen Hooligan-Ermittler „unrealistisch“. Kein Viertligist könne die Kosten für Kameras, Ordner, Ticketkontrollsysteme, Stadionumbauten aufbringen. Sozialarbeit sei gefragt, um den Nachwuchs aus dem Gewaltmilieu zu holen. Und die Beamten in Kufstein wollen ihren prügelnden Tagesgästen ein Aufenthaltsverbot erteilen.

André Görke

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