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Sport: Die Bürde des Erfolges

Wie Sven Hannawald versucht, Verletzung und Vergangenheit zu vergessen

Berlin. Es wird still werden in den nächsten Wochen in einer Wohnung in Hinterzarten. Die Trommel der Waschmaschine wird sich nicht mehr drehen, auf dem Boden wird sich Staub absetzen, und die Kuchenform im Schrank wird ein wenig Rost ansetzen. Wenn der Skispringer Sven Hannawald im Winter zu den Schanzen dieser Welt tingelt, gibt es niemanden, der sich um seine Wohnung kümmert. „Einer Putzfrau würde ich nicht vertrauen“, sagt Hannawald. Es ist aber ohnehin so, dass er lieber alles in seinem Haus selber macht: putzen, waschen, backen. Ungewöhnlich für einen 28-Jährigen. „Die Hausarbeit ist eine Eigenheit von mir“, erklärt Hannawald, „um ein wenig Stress abzubauen.“

Doch jetzt beginnen wieder die stressigen Wochen des Jahres. Heute startet Sven Hannawald in Kuusamo in Finnland (ab 17.30 Uhr, live in der ARD) in die neue Wintersaison im Skispringen. Nach den Erfolgen des vergangenen Jahres kann er in dieser Saison eigentlich nur verlieren. Es war jene Saison, die ihn in eine Reihe deutscher Sporthelden wie Michael Schumacher, Jan Ullrich oder Michael Ballack stellte. Als erstem Springer in der 50-jährigen Geschichte der Vierschanzentournee gelang ihm das Kunststück, auf allen vier Schanzen zu gewinnen. Mit einer Silbermedaille von der Normalschanze und einer Goldmedaille mit der Mannschaft kehrte er von den Olympischen Spielen zurück. Und als ob das noch nicht genug war, gewann er auch noch die Weltmeisterschaft im Skifliegen. Wie soll man das in dieser Saison steigern? Sven Hannawald umgeht das Problem psychologisch geschickt, indem er sich kein konkretes Ziel setzt. Er sagt: „Ich gehe in die Saison, um den perfekten Sprung hinzulegen, und nicht, um die letzte Saison zu toppen.“

Das wird schwierig genug. Sven Hannawald ist im Mai wegen einer Innenmeniskusverletzung operiert worden. Drei Monate musste er pausieren, seitdem kämpft er sich wieder heran. Es war seine erste größere Verletzung. „Ich bin jetzt absolut schmerzfrei und freue mich auf die Saison“, sagt Sven Hannawald. Heute wird sich erstmals zeigen, wie weit er schon ist.

Auf jenem Gerät, das die Sprunghöhe aus dem Stand misst und Optojump heißt, schafft er wieder 43 Zentimeter. Was ziemlich schlecht ist. Vor der Vierschanzentournee im vergangenen Jahr kam er auf 51 Zentimeter. Doch das muss nicht unbedingt bedeuten, dass Hannawald nicht weit springen wird. Die Technik ist auch wichtig – und Hannawald war auf dem Optojump nie gut. „Immer wenn ein neuer Springer ins Team kommt, hoffe ich, dass ich besser bin.“ Meistens gelingt ihm das nicht. Seine Skifirma hat ihm neue Arbeitsgeräte zur Verfügung gestellt, doch er springt weiter mit jenen Skiern, die ihn im letzten Jahr so oft so weit trugen.

In der Gunst der Fans liegt Hannawald schon jetzt vorne. Nur Martin Schmitt kann ihm diesen Rang streitig machen. Der 24-Jährige startet wegen einer Knie-Operation erst am 14. Dezember in Neustadt in den Weltcup. Die Beziehung zwischen den beiden Stars im deutschen Team ist über die Jahre schlechter geworden. „Das hat sich verändert, seit Skispringen populärer geworden ist“, sagt Hannawald, „früher sind wir zusammen weggegangen, weil wir mehr Zeit hatten.“ Inzwischen aber hätte jeder seine Termine. Sehr gut befreundet ist Sven Hannawald ohnehin mit niemandem in der Mannschaft. „Das sind alles gute Kumpels, aber man hat mit ihnen nur zu tun, wenn man unterwegs ist.“ Abseits vom Skispringen habe er nur einen guten Kumpel, sagt Hannawald. „Das ist ein Kollege aus meiner Berufsausbildung zum Kommunikationselektroniker – wenn ich mal weggehe, dann mit ihm.“

Doch die Zeit des Weggehens ist nun vorbei. Es kommt die Zeit der Wettbewerbe, der Interviews und der kreischenden Teenager. Hannawald freut sich darauf: „Es macht einfach Spaß, diesen Rummel erleben zu dürfen.“ Seine Rolle als Liebling minderjähriger Mädchen scheint ihm nicht unrecht zu sein. Immer wieder betont er in Interviews, eine Familie gründen und irgendwann für diese ein Haus bauen zu wollen. Die für dieses Vorhaben notwendige Frau gibt es zwar noch nicht, trotzdem macht er sich bereits öffentlich Gedanken, was wäre wenn. „Wenn meine Frau irgendwo eine Arbeitsstelle hat, werde ich da mit hinziehen.“

Das Image des einsamen Singles, der auf der Suche nach der richtigen Frau ist, bedient er gerne. In der vergangenen Saison lief sogar ein Werbespot, in dem er mit einer zufälligen Bekanntschaft flirten will, es aber nicht schafft, weil weibliche Fans ihn zu sehr belagern. Diese Verbindung aus Teenagertraum und sportlicher Leistung lohnt sich längst für ihn. Zwar hat sich der Sponsor, der in der vergangenen Saison auf seinem Helm warb, aus dem Markt verabschiedet. Doch schon prangt der nächste über seiner Stirn. Es ist eine Autopolitur, die sich für die nächsten zwei Jahre verpflichtete. Sven Hannawald kennt das Produkt. „Ja, logisch, habe ich das schon ausprobiert“, sagt Hannawald, „gerade die Armaturen, die brauchen schon eine besondere Pflege.“ Wer ein guter Hausmann ist, weiß so etwas.

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